Die dieswöchige Sidra beginnt mit den Worten (Lev. 9, 1): "Und es war am achten Tage ..." Der Tora-Kommentar Kli Jakar fragt, warum dieser Tag, als der auf die sieben Tage der Einweihung des Heiligtums folgende, einfach als "achter Tag" bezeichnet wird. Dies würde doch eine natürliche Fortsetzung der vorangehenden Periode beinhalten, während die Einweihung tatsächlich auf nur sieben Tage beschränkt war (Lev. 8, 33): "... denn Er wird euch sieben Tage lang einweihen". Während dieser Zeitspanne wurde der Altar geweiht – und davon war dann der nächste Tag völlig getrennt: An ihm wurden bestimmungsgemäß Aaron und seine Söhne in das Priesteramt eingeführt.
Kli Jakar beantwortet seine Frage damit, dass dieser Tag eben deshalb der achte genannt wurde, weil dies ihm sein außerordentliches Gepräge gab. Denn es heißt kurz danach (Lev. 9, 4): "Heute erscheint der Herr euch." Es war dann, dass der Herr erschien, nicht aber während der vorhergehenden sieben Tage der Einweihung; und darum sagt uns die Tora, dass es eben der achte Tag war. Wie wir in einer früheren "Betrachtung" bereits kurz angedeutet haben, ist sieben die Zahl der Tage der Woche, Einheit der Erdenzeit, Symbol der menschlichen Dimension. Acht deutet auf das Übermenschliche hin, Sinnbild des Geheiligten.
Aus diesem Grunde kann eine Beschneidung am Schabbat stattfinden. Denn die Beschneidung fällt auf den achten Tag nach der Geburt, und Schabbat ist der siebente Tag. Das heißt in anderen Worten, dass der Schabbat zur Dimension der menschlichen Zeit gehört, während die Beschneidung in den Bereich des Heiligen, des Übermenschlichen fällt. Und die Anliegen der spirituellen Welt haben Vorrang vor denjenigen der physischen Welt.
Wohlgemerkt: Wenn man sagt, dass sieben die Zeitspanne der Woche ist, so besagt das nicht, sieben sei nun das Symbol des Säkularen. Ist doch der Schabbat selbst einer dieser sieben Tage, und er ist geheiligt! Weil er aber, nichtsdestoweniger, als einer der sieben Schöpfungstage gilt, ist er notwendigerweise (wenn man es so ausdrücken darf) ein Element der geschaffenen Weltordnung. Die Zahl acht dagegen versinnbildlicht den Begriff des "Durchbruches" durch die normalen Grenzen der Zeit, sie ist Symbol also der vollständigen Vereinigung mit G-tt als dem Absoluten (statt mit G-tt in Seiner Beziehung zur Welt).
Mit anderen Worten: Es gibt verschiedene Grade oder Stufen von Heiligkeit. Einmal ist da die Heiligkeit dieser Welt, versinnbildlicht durch die Zahl sieben – beschränkt auf den Bereich menschlicher Fähigkeiten. Demgegenüber besteht eine Heiligkeit, die weit über diese Welt hinausragt, und die dabei gleichzeitig die Idee negiert, dass G-tt und die Welt zwei gesonderte Einheiten wären – und dies kommt in der Zahl acht zum Ausdruck.
Mit dieser Antwort des Kli Jakar auf seine eigene Frage wird jedoch, beim ersten Hinblick, die Sache eigentlich nicht erleichtert oder gar beantwortet, eher wird sie noch erschwert. Man muss nämlich jetzt so argumentieren:
Wenn also der achte Tag den Zustand absoluter Einheit mit G-tt anzeigt und in sich trägt dann drückt er doch etwas Übernatürliches aus; und wenn dem so ist, dann steht er in keiner Verbindung mit den vorhergehenden sieben Tagen, welche menschliche Betätigung darstellen, die Weihung der natürlichen Ordnung, die Erdenzeit. Der Ausdruck "der achte Tag" besagt doch deutlich, dass es sich um eine Weiterführung der sieben vorangegangenen handelt.
Die Lösung dieser Schwierigkeit ergibt sich durch folgende Erwägungen: Übernatürliche Enthüllung hängt von unseren eigenen menschlichen Anstrengungen ab, von unserem persönlichen Einsatz. Das messianische Zeitalter wird allein aus unserer Dienstleistung an G-tt erwachsen. Unser Streben, das darauf abzielt, die Welt in den sieben Tagen der Menschenzeit zu heiligen, ist das Zeichen unserer Treue; und dies wird dann die G-ttliche Erwiderung und Gegenwirkung am achten Tage auslösen – am Tage des Maschiach.
Daraus ergibt sich, dass das messianische Zeitalter zwar auf einer maßlos höheren Stufe von Helligkeit stehen wird, als wir diese augenblicklich noch auslösen können, dass es aber trotzdem nicht einen Hiatus, einen plötzlichen Bruch in der jüdischen existentiellen Kontinuierlichkeit darstellen wird. Vielmehr wird es das Ergebnis dessen sein, was wir augenblicklich tun. Es wird "der achte Tag" in dem Sinne sein, dass es vervollständigt und vervollkommnet, was wir jetzt anstreben – vorausgesetzt, dass wir selbst all das getan haben, das bis zum Letzten in unseren Kräften liegt.
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