Es heißt in der dieswöchigen Sidra (Lev. 6, 6): "Feuer soll auf dem Alter fortwährend gezündet sein; es soll nicht ausgehen (hebr.: lo tiwke)." Zu diesem Vers bemerkt der Talmud Jeruschalmi (Joma 4, 6): "Fortwährend: selbst am Schabbat; fortwährend: selbst im Zustand der Unreinheit".
Jeder Aspekt des physischen Heiligtums hat - wie schon oft betont - sein Gegenstück in dem inneren Heiligtum des Juden, in seiner Seele. Sein Herz ist der Altar, und entsprechend den beiden Altären im Heiligtum, nämlich dem äußeren (im Vorhofe) und dem inneren (in der Halle), hat das Herz zwei Teile, die äußere Hülle und den inneren Kern. Der Altar, auf dem - nach dem oben zitierten Verse - das fortwährende Feuer brennen musste, war der äußere. Für den Juden als Persönlichkeit bedeutet dies, dass das in ihm brennende Feuer seiner Liebe zu G-tt nach außen gehend, offen und sichtbar sein soll. Es ist nicht Privatbesitz, nicht etwas, das im Unterbewusstsein gehegt wird, sondern es muss sich offen zeigen, in seinem ganzen Verhalten der Welt gegenüber.
Die ausschlaggebende Idee des Schabbat ist die der Ruhe und Zurückziehung von allen wochentäglichen Dingen. Die gewöhnliche tägliche Arbeit ist verboten. Jedoch ist der Schabbat nicht ein bloßer Tag der Woche, er bringt vielmehr gleichzeitig einen Gemütszustand mit sich. In den Dimensionen der Seele ist er ein Zustand von Nachsinnen und Verstehen. Das ist der eigentliche Gehalt des Verses aus Jesajah (58, 13): "Du sollst den Schabbat 'Wonne' nennen." Am Schabbat nimmt man G-tt in einer mehr intensiven und unmittelbaren Weise wahr; und dadurch werden Sinn und Gemüt dazu gebracht, sich von den sekulären, den weltlichen Dingen abzuwenden.
Es ist jedoch nicht abzuleugnen, dass gerade darin eine Versuchung liegen kann: Man könnte meinen, mit dieser Annäherung an G-tt hätte man alle Leidenschaften hinter sich gelassen und sich in den Bereich des gänzlich unabhängigen Nachsinnens begeben. Da will denn der Verstand seine Überlegenheit über die Gefühle geltend machen. Dieser Typus eines Menschen meint, er brauche das Feuer der Liebe nicht. Doch ist gerade er es, von dem der Talmud Jeruschalmi, wie oben zitiert, sagt: Ein fortwährendes Feuer, "selbst am Schabbat".
Das radikale Gegenstück hierzu ist der Mensch, der sich so weit von G-tt entfernt hat, dass er nun glaubt, er habe jede Verbindung zu G-tt gelöst. Doch auch zu ihm spricht der Jeruschalmi, im zweiten Teil des Satzes: Ein fortwährendes Feuer, "selbst im Zustand der Unreinheit". Denn das Feuer geht nicht aus. Ein Funke brennt immer, und sei er in den innersten Nischen des Herzens verborgen. Er kann wieder zu einer Flamme entfacht werden; und wenn ihm der Brennstoff der Liebe zugeführt wird, wird das Feuer dauernd weiterbrennen. Der Meseritccher Maggid hat zu unserem Verse Lev. 6, 6 diese Erklärung gegeben: "Lo tiwke" kann zwar - wie bei uns hier - übersetzt werden mit "es soll nicht ausgehen", dieser hebräische Ausdruck kann aber auch so verstanden werden: "Das 'Nicht' soll ausgehen." Das heisst, das Feuer der Liebe bringt das 'Nicht', das "Nein", zum Erlöschen. Es führt den Juden über die Schwelle der Verpflichtung hinüber - dort wo er zögernd stehen bleiben und "nein" sagen will.
Damit betont der Maggid, dass das Feuer, will es das "Nein“ auslöschen, fortwährend brennen muss. Ständig muss es mit Heizmaterial, in der Form von Tora und Mizwot, genährt werden. "Einmal" oder "gelegentlich" oder "neulich" genügt nicht. Dann würde das Feuer absterben, die Kälte an seine Stelle treten und das "Nein“ die Herrschaft antreten.
Hiermit ist auch eine passende Erklärung der Vorschrift gegeben (Deut. 25, 17 -18): "Gedenke dessen, was dir Amalek unterwegs, bei eurem Auszug aus Ägypten, getan hat: wie er dir auf dem Wege begenete (hebr. : kor'cha) ..." Amalek ist der Prototyp der Kälte im religiösen Leben. "Kor'cha" kann, ausser "begegnen", auch übersetzt werden mit "er machte dich kalt" (vgl. Raschi z.St.). Der "Amalek" im Innern des Juden versucht, dasselbe zu tun. Das ist die innere Stimme, die "nein" sagt, die ihn kalt macht, wenn die G-ttesfurcht dem Erlöschen nahe ist. Es ist die Stimme, die "G-tt nicht fürchtet" (ibid. ). Und es ist uns aufgegeben, jeden Tag an Amalek zu denken - das heißt also, jeden Tag der Kälte zu wehren, die unser Herz erfassen könnte, jeden Tag darauf zu achten, dass das Feuer der Liebe nicht abstirbt.
Zusammenfassende Übersicht:
Zu der Vorschrift des "fortwährenden Feuers" (Lev. 6, 6) erklärt der Talmud Jeruschalmi: "Fortwährend - auch am Schabbat, auch im Zustand der Unreinheit". Das Feuer der Liebe, im Innern des Menschen, muss ebenfalls in allen Umständen vor dem Erlöschen bewahrt werden.
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