1. In der Haftara zum Wochenabschnitt Behaalotcha steht: „Ich schaute, und da war ein Leuchter ganz aus Gold“1, welches sich auf die Gemeinde Israels bezieht. Alle Juden zusammen bilden einen Leuchter, ganz aus Gold.

Der Leuchter hatte sieben Lampen, und so gibt es auch unter den Juden verschiedene Arten und Weisen, wie es ausführlich in der Chassidus-Lehre erklärt wird. Es gibt solche, dessen Wesen sich auf freundliche Weise äußert und solche, die vom Wesen her eher streng sind usw., und so gibt es eben sieben Wege, welche die sieben Lampen darstellen2.

Das Gemeinsame aller Lampen besteht darin, dass alle dienen, den Tempel zu erhellen. Und damit nicht genug – sie verbreiten vom Tempel aus Licht und Helle in der ganzen Welt. Daher waren auch die Fenster nach außen hin durchscheinend und nach innen hin undurchsichtig3.

Dies ist anders, als in allen anderern Häusern, in denen die Fenster dazu dienen, dass Helligkeit von der Straße ins Haus hinein dringt. Im Tempel galt das genaue Gegenteil: aus ihm heraus drang ein Licht, welches die ganze Welt erhellte. Denn darin liegt der Sinn des Tempels.

Wer nun hat diese Lichtigkeit erzeugt? Die Lampen, also die Seelen Israels.

Obwohl es unterschiedliche Arten von Juden gibt, so ist ihnen allen gleich, dass jeder Einzelne G“tt mit seinen Begabungen dienen soll: „ich wurde allein geschaffen um meinen Schöpfer zu dienen“4. Jeder von uns ist besonders, denn er wurde mit seinen besonderen Begabungen geschaffen. Wir alle sind gleich, denn wir wurden geschaffen, G“tt zu dienen. Wir sind alle Lampen, die dazu dienen, die Welt zu erhellen.

Der Unterschied besteht nur im Zugang zum Dienst für G“tt. Wenn der Dienst gemäß des Attributs Chessed (Gnade, Freundlichkeit, gute Taten Anm. d. Übers.) erfolgt, dann, weil dies den Veranlagungen und Fähigkeiten des Menschen entspricht. Wenn der Dienst im Sinne des Attributs Gewura (Strenge, Kraft, Zurückhaltung Anm. d. Übers.) erfolgt und als besonders strenge Befolgung der Gebote oder in der Form von Urteilen in Erscheinung tritt, dann weil dies den Fähigkeiten desjenigen entspricht. Dies ist aber nicht mehr als ein Weg – das Ziel der Arbeit bleibt dasselbe: Licht zu verbreiten.

Wenn nun auch der Zweck stets der selbe bleibt, so besteht trotzdem ein großer Unterschied zwischen dem Weg der Strenge und dem Weg der guten Taten von Anfang an. Denn so muss man nicht lange grübeln worin Ziel und Zweck der Arbeit bestehen, sondern dies wird von Anfang an klar, da ja auch der Weg vom Geist der Nächstenliebe getragen ist.

Und eben dies war der Weg von Aharon, dem Hohepriester, der den Leuchter entzündete. Aharon liebte die Geschöpfe und brachte sie der Tora nahe5. Selbst Geschöpfe, d.h. Wesen, die keinen einzigen Vorzug besitzen, sondern allein Nachteile und dessen einziger Vorzug darin besteht, dass G“tt sie erschaffen hatte, wie es der Alter Rebbe erklärt6, selbst auf diese erstreckte sich die Liebe Aharons.

Und dies war nicht nur sein Ziel, es war auch sein Weg. Er liebte also für jeden erkennbar alle Geschöpfe und brachte sie so der Tora nahe, machte sie zu Tora-Juden.

Dies ist auch de Weg aller Oberhäupter der Chabad-Bewegung, bis hin zu meinem Meister und Schwager, dem Admor, dessen Festtag wir heute feiern. Seine Arbeit bestand ganz und gar im Entfachen der Lampen.

In jedem Juden ist ein Licht, von dem gesagt wird „ein Licht des Ewigen ist die Seele des Menschen“. Es gibt aber jene, die darauf warten, dass man zu ihnen kommt und es entzündet. Und dies ist die Aufgabe der Oberhäupter Israels – das Licht des Ewigen in jedem einzelnen Juden zu entzünden, ein Licht, welches zu einer der sieben Arte gehört.

Die Verhaltensweise aller Oberhäupter der Chabad-Bewegung im Allgemeinen und meines Meisters und Schwagers, des Admor, dessen Fest wir heute begehen, im Besonderen war, dass die Liebe für jedermann ganz offensichtlich war. Licht war nicht nur das Ziel, sondern auch der Weg zum Ziel. Licht, das bedeutet Annäherung auf angenehme Weise – bis man das Licht in allen sieben Arten der Juden entzündet hat.

Wenn man die Quellen nach außen hin verbreiten will, dann wartet man nicht, bis jene „von außen“ alleine zu den Quellen kommen, sondern man geht selber nach außen und verbreitet dort die Quellen.

Und dies war der Weg, von Aharon, dem Priester, der „den Frieden liebte und den Frieden jagte, die Geschöpfe liebte und sie der Tora nahe brachte“. Aharon hat nicht gewartet, bis man zu ihm kam, er kam den Menschen zuvor und ging zu ihnen.

Auch zu den „Geschöpfen“ ging er, d.h. zu jenen, die keinen anderen Vorzug haben, nur den, dass sie die Geschöpfe G“ttes sind. Auch zu ihnen ging Aharon und brachte sie der Tora nahe7.

Man beachte aber den genauen Wortlaut „und brachte sie der Tora nahe“. Er brachte die Menschen der Tora nahe, nicht etwa die Tora den Menschen. Auch wenn Aharon zu den „Geschöpfen“ ging, so vermittelte er die Tora nicht etwa gemäß ihres Geistes. Wenn es um die Tora ging, machte er keine Kompromisse und erteilte keine Ausnahmegenehmigungen. Er gab sich nicht damit ab, die Tora dem Geist der Geschöpfe anzupassen, sondern brachte die Geschöpfe der Tora, der ganzen Tora, so wie sie ist, nahe.