In unserer Parascha Kedoschim finden wir die Worte: „Und Du sollst Deinen Nächsten wie Dich selbst lieben!“ Raschi, einer der großen Kommentatoren zum Chumasch kommentiert dazu: „Es sagte Rabbi Akiwa: Dies ist eine grosse (wichtige) Regel in der Tora!“

Bekanntlich erklärt Raschi nur diejenigen Stellen in dem Chumasch, welche schwer zu verstehen sind. Nun stellt sich die Frage, was Raschi an diesen einfachen Worten „Du sollst Deinen Nächsten wie Dich selbst lieben“ störte und wie er diese Schwierigkeit mit seinem Kommentar beantwortete.

Vielleicht können wir das so erklären: Nachdem der Mensch verpflichtet ist, seinen Nächsten zu lieben und noch dazu so zu lieben, wie er sich selbst liebt, stellt sich die Frage, weshalb die Tora es noch für nötig befindet, so viele zwischenmenschliche Gebote zu geben. Weshalb benötigen wir dann die Gebote „Du sollst nicht stehlen, Dich nicht rächen, Einen Fundgegenstand retournieren“?

Um dies zu beantworten, erklärt Raschi, dass unser Satz bloß eine allgemeine (und sehr wichtige) Regel ist, welche durch die anderen Gebote verfeinert und erläutert wird.

Auch können wir erklären: Raschi fragte sich, wie man denn dem Menschen überhaupt einen Befehl erteilen könne, alle anderen zu lieben. Gefühle im Herzen sind bekanntlich nicht immer in unserem Griff? Deshalb erklärt er, dass dieses Gebot als generelle Regel für alle detaillierten Gebote betrachtet werden darf. In anderen Worten: Wie erfülle ich das Gebot der Nächstenliebe? Indem ich mich liebevoll betätige. Indem ich durch praktische Handlungen eine liebevolle Haltung Zutage lege.

Deshalb betont Raschi auch, dass Rabbi Akiwa diese Worte sagte. Im Talmud gibt es eine Diskussion, ob der Mensch verpflichtet ist, selbst auf Kosten seines eigenen Lebens, das Leben eines Anderen zu erhalten?

Rabbi Akiwa hält, dass der Mensch immer noch sich selbst gegenüber die erste Verpflichtung trägt – Selbsterhaltung ist das oberste Gebot. Nun können wir nach Rabbi Akiwas Meinung verstehen, dass mit den Worten „Wie Dich selbst“ doch noch dem eignen Selbst ein kleiner Vorrang (nur im Falle von Lebensgefahr) gegeben ist. So lässt sich auch dieses Gebot als möglich einzuhalten erfassen.