Die Hungersnot in Ägypten wurde immer härter. Alle kamen zu Josef, um Getreide zu kaufen. Dem Midrasch zufolge wollte Josef den Ägyptern erst dann Getreide geben, wenn sie sich beschneiden würden. So taten sie.1 Die jüdische Mystik erklärt dazu, dass wegen dieser Tat von Josef heilige Energie nach Ägypten floss. Diese wurde missbraucht und befähigte die Ägypter das Volk Israel für so lange Zeit zu versklaven.2
Josef hatte eine gute Absicht. Er wollte, dass auch die Ägypter etwas Heiligkeit erhielten. Deshalb drängte er sie zur Beschneidung. Er wollte die Heiligkeit über die ganze Welt verbreiten, auch über Ägypten, welches damals auf unterster Stufe stand. Weshalb gilt dann sein Handeln als negativ?
Josefs Fehler lag darin, dass er dies auf eigene Initiative getan hatte und nicht per g-ttlichem Erlass. Und sobald man aus eigenen Überlegungen handelt, sieht man nicht alle Konsequenzen und kann sogar die Unreinheit Ägyptens stärken, bis dies zu einer härteren Sklaverei Israels führte!
Das Mischvolk
Mose stand vor einer ähnlichen Situation. Beim Auszug aus Ägypten nahm er auch das „Mischvolk“ mit, Leute aus anderen Völkern, die zum auserwählten Volk dazugehören wollten.
Er tat dies aus eigener Initiative, ohne, dass G-tt es ihm gebot. Schließlich kam es durch sie zur großen Sünde mit dem goldenen Kalb. Dazu sagte G-tt zu Mose, als er auf dem Berg Sinai war: Dein Volk, das du aus Ägypten geführt hast, ist verderbt3 – das Mischvolk, das du von dir selbst mitgenommen hast, ohne mich zu fragen, ist verdorben und hat andere verdorben.4
Daraus können wir eine große Lehre ziehen: Wir dürfen nicht aus eigener, unseren Überlegungen entsprechend, Initiative handeln, auch wenn unsere Absicht noch so gut ist! Es ist ein Muss, andere Juden zur Thora näher zu bringen; es ist wichtig, sie dazu zu bewegen, die Thora zu lieben; doch die Methoden dazu müssen „koscher“ sein – nur wie es G-tt möchte, dessen Wille im „Schulchan Aruch“5 (dem jüdischen Gesetzkodex) seinen Ausdruck findet.
Bitte kein Benzin!
Es gibt solche, die behaupten: Zu unserer Zeit, wo die Verführungen sehr groß sind und traditionell jüdisch zu leben schwer ist, kann man nicht auf jede Kleinlichkeit im jüdischen Gesetz achten, wenn es darum geht, andere der Thora näher zu bringen. Dies könnte sie nur abschrecken. Andere behaupten sogar, man müsse für eine so edle Aufgabe, wie Juden zur Thora näher zu bringen, die Gesetze der Thora sogar vernunftgemäß verändern.
Die Geschichte erteilt uns eine Lektion: Selbst durch Josef und Mose, großartige Anführer unseres Volkes, kam es zu äußerst negativen Konsequenzen für unser Volk, weil sie aus eigener Initiative handelten; wer sind dann wir, um es besser zu wissen?!
Bei einer Rabbiner-Konferenz vor vielen Jahren in Russland, meinte einer der Anwesenden, dass man bei einem Brand nicht darauf schaut wie sauber das Wasser ist, um ihn zu löschen. Auch mit schmutzigem Wasser wird gelöscht. Darauf erwiderte Rabbi Josef Itzchak Schneersohn:6 „Das Verändern der Thora-Gesetze ähnelt nicht schmutzigem Wasser, sondern ist wie Benzin, dass den Brand nur noch viel schlimmer macht!“
Bleib im Rahmen
Die Mischna7 sagt: „Gehöre zu den Schülern von Aron haKohen. Er liebt die Geschöpfe und bringt sie der Thora näher.“8 Einerseits muss man jeden Juden lieben; auch diejenigen, deren einzige Besonderheit ist, dass sie zu den Geschöpfen G-ttes gehören.
Andererseits muss man auch sie zur Thora näherbringen. Hierbei ist die Betonung: Sie sind zur Thora näherzubringen („bringt sie zur Thora näher“) und nicht die Thora ist ihnen näher zu bringen, indem man die Thora für sie verändert!
Das jüdische Gesetz kennt auch Ausnahmefälle und hat Erleichterungen parat. Doch der Rahmen des g-ttlichen Willens, das ist der Schulchan Aruch, darf nicht überschritten werden.
(Likutej Sichot, Band 1 Seite 98)
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