Schon wieder lehnte sich das jüdische Volk in seiner Kleinlichkeit gegen Mose und Aron auf. Dieses Mal beschwerten sie sich über Wassermangel. Ihre Strafe für ihr mangelndes Vertrauen in den Allmächtigen war ein Ansturm von giftigen Schlangen. In seiner Not flehte das Volk zu Mose: Wir haben gesündigt ... bete doch zu G-tt, dass Er die Schlangenplage abschaffe! Moses Barmherzigkeit war übermenschlich. Nach so vielen Strapazen durch das Volk war er immer noch bereit vor G-tt zu treten um für es zu beten. Raschi kommentiert dies: „Aus dem Verhalten Moses lernen wir, dass man, wenn jemand um Verzeihung bittet, nicht grausam sein soll ihm seine Bitte zu verweigern.“1
Tatsächlich aber erfahren wir in der Thora von einer ähnlichen Geschichte, und zwar schon im ersten der Fünf Bücher Mose, Bereschit. Awimelech, der König Kenaans, wollte Sara zur Frau nehmen, woraufhin G-tt ihn mit einer Krankheit bestrafte. Jener bat Awraham für ihn zu beten. Awraham erfüllte seine Bitte, und die Strafe wurde aufgehoben. Awrahams Akt war barmherzig, dennoch aber bevorzugte es Raschi die oben erwähnte Lehrweisung aus unserem Wochenabschnitt zu lernen und nicht aus der Geschichte mit Awraham.
Die grausame Vergebung
Es gibt drei Möglichkeiten der Vergebung:
- Man verzeiht die Sünde um den Täter vor Bestrafung zu bewahren. Der Betroffene ist sogar bereit für ihn zu beten, das Gebet allerdings bezieht sich nur auf die Verschonung vor Strafe.
- Man verzeiht nicht nur die Sünde, sondern auch dem Sünder selbst; d.h. in seinem Herzen hat man dem Täter vergeben.
- Die Vergebung ist so umfassend, dass die Sünde gänzlich aus dem Herzen des Betroffenen entwurzelt wird und keine Spuren hinterlässt. Man ist dem Täter genauso liebevoll gesonnen wie vor der Sünde.
Bei der ersten Möglichkeit bezieht sich die Vergebung nur auf die Sünde (um dem Täter eine Bestrafung zu ersparen), doch nicht auf den Täter. In der zweiten Version hat auch der Täter Teil an der Vergebung. Die dritte aber lässt nicht einmal eine Spur von der Missetat, so als ob sie nie geschehen wäre.
Das Beispiel Mose
Bei Awraham handelte es sich um die erste Stufe der Vergebung, wie es dort heißt: Und Awraham betete zu G-tt, und G-tt heilte Awimelech2. Das Gebet wandte nur die Strafe ab.
In unserem Wochenabschnitt aber steht geschrieben: Und Mose betete für das Volk. Er wollte nicht nur die Strafe vermeiden, sondern bat um Vergebung für das Volk, da er es schätzte und liebte, als hätte es die Sünde nie begangen! Deshalb wählte Raschi gerade unsere Thoralesung, um uns seine Lehrweisung mitzuteilen, damit wir begreifen, dass man nicht so grausam sein darf einem anderen nur die Sünde zu vergeben. Die Vergebung muss bewirken, dass die Beziehung zu dem Täter genauso weiterläuft, als ob nie eine Sünde stattgefunden hätte!
Wie unten, so oben
Über den Vers Er verkündet Seine Gesetze Jakow und Seine Vorschriften Israel3 lehren unsere Weisen4, dass G-tt Sich selbst an die Gebote richtet, die Er Seinem Volk aufträgt (in Seinen Begriffen). So wie wir verpflichtet sind jemandem seine Sünde gegen uns sofort und gänzlich zu vergeben, so auch wird G-tt, Welcher ja über die Möglichkeit der unbegrenzten Vergebung verfügt, uns Seine unendliche Barmherzigkeit offenbaren und dem jüdischen Volk alle seine Missetaten vergeben, sodass bei keinem irgendeine Spur von ihnen bleibt! Und diese Gutmütigkeit G-ttes allein wird den Juden erkennen lassen, wie sehr G-tt ihn liebt und schätzt, und ihn zur aufrichtigen Tschuwa bewegen. Und diese Tschuwa führt uns letztlich zur vollkommenen Erlösung!
(Likutej Sichot, Band 28, Seite 138)
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