Zur Zeit der Sklaverei in den USA galt ein Mensch, der „einen Tropfen Negerblut“ in sich hatte, nicht als „weiß“. Wie man in dieser unwissenschaftlichen Zeit einen einzigen Tropfen Blut feststellen wollt, bleibt rätselhaft. Das war religiöse Heuchelei.

Ähnlich gingen die Nazis mit den Juden um, selbst mit den völlig assimilierten, denn sie wollten die Welt vollständig von jüdischem Blut, von der jüdischen Religion und vom jüdischen Einfluss befreien. Es ist eine Ironie, dass sie ihr Ziel selbst dann nicht erreicht hätten, wenn sie jeden Einzelnen von uns gefunden und umgebracht hätten – denn der jüdische Glaube ist mit jedem Volk und mit jeder Gesellschaft der Welt verwoben und lässt sich nicht auslöschen.

Aber was macht einen Menschen zum Juden? Sie können aufhören, die Religion auszuüben – aber können Sie auch Ihre „Jiddischkeit“ verlieren, so wie man einen Akzent verlieren kann, wenn man ganz in einer Kultur aufgeht?


Im Wochenabschnitt Wajechi erzählt von Jaakows letzten Tagen. Er ruft Josef zu sich und verlangt, dessen zwei Söhne Ephraim und Menasche zu sehen, die in Ägypten geboren und aufgewachsen waren und vom Ruhm profitiert hatten, den Josef unter dem Pharao erlangt hatte. Jaakow erteilt ihnen den Segen, der ihm, seinem Vater und seinen Großvätern erteilt worden war: dass aus ihnen „ein großes Volk“ werden möge.

Bis zum heutigen Tag symbolisieren diese Brüder die Zähigkeit der jüdischen Seele. Im traditionellen Schabbatsegen bitten wir G–tt, unsere Kinder „wie Ephraim und Menasche“ zu machen. Die beiden haben ihr Judentum nicht für eine hohe Position und ein bequemes Leben in Ägypten eingetauscht.

Allerdings haben sie sich ganz bewusst für ihr Judentum entschieden. Was aber ist mit den Menschen unter uns, die das Judentum missachten, ihm gleichgültig gegenüber stehen oder ihre jüdische Natur – ihr Erbe – sogar ablehnen? Es ist typisch für die Sturheit unserer Lehren, dass wir diese Haltungen nicht anerkennen. Der Grund ist unsere Überzeugung, dass eine „jüdische Seele“ etwas Besonderes an sich hat: einen wahren Teil G–ttes.

Jeder Mensch auf Erden hat eine Seele. Eine jüdische Seele gehört lediglich zu einem bestimmten Typ, so wie eine Eiche sich von einem Ahornbaum unterscheidet. Und diese Seele will sich immerzu ausdrücken, unabhängig von der Einstellung ihres Trägers.

Wie gehen wir damit um? Wenn wir bewusst Juden sind, gibt es einen Weg: Wir können anderen helfen, mit dem „einen jüdischen Tropfen“ in ihrem Inneren Verbindung aufzunehmen. Die erste Mizwa in der Tora lautet: „Seit fruchtbar und mehrer euch“. Wenn wir die jüdische Seele in anderen Menschen zum Ausdruck bringen, vermehren wir unseren positiven Einfluss auf die Welt.