“Stock und Stein bringen Schmerzen, über Worte lach’ ich von Herzen”. Warum singen Kinder in England und Amerika diesen Reim?
Wenn böse Worte ihnen nicht weh tun, wofür brauchen sie dann einen schützenden Spruch? Nun, selbst Kinder wissen, daß Worte durchaus weh tun können. Klatsch schadet zum Beispiel dem Opfer und letztlich auch seinen Mitmenschen. Er ist ansteckend und bösartig wie Lepra.
Tasria-Mezora, der neue Wochenabschnitt, handelt vom Aussätzigen. Mit Lepra meint die Bibel eine spirituelle Krankheit mit körperlichen Folgen; sie galt als Strafe für Verleumdung. Darum wurde der Leprakranke nicht nur von der Gemeinde abgesondert, sondern auch von Kranken mit anderen Leiden. “(Selbst) Unreine sollen nicht bei ihm wohnen ... weil er durch Verleumdung einen Mann von seiner Frau oder einen Mann von seinem Freund getrennt hat”, sagt Raschi.
Obwohl die Lepra keine sehr ansteckende Krankheit ist, hat sie auf andere eine schädliche, lange anhaltende Wirkung - wie die Verleumdung.
Verleumdung gilt als derart böse, daß der Reinigungsprozeß umfangreicher ist als bei anderen Verbrechen. Der Aussätzige mußte für einige Zeit außerhalb des Lagers hausen; dann brachte man ihn vor das Tor des Lagers, und der Priester ging zu ihm.
Mit anderen Worten: Der Leprakranke konnte sich nicht mehr selbst erlösen. Man mußte ihn aus seiner Umgebung entfernen, damit er in der Einsamkeit die Offenbarung G-ttes erfuhr. Nur dann konnte er gereinigt und wieder rechtschaffen werden.
Klatsch und Verleumdung sind auch heute ein Problem, aber auf andere Weise. Heute schämen wir uns seltener. Darum ist es schwieriger, einen Verleumder zu bestrafen. Wenn die Vorwürfe uns gar nicht peinlich sind, warum sollte man den Verleumder dann bestrafen?
Es wäre kein Fehler, wenn wir wieder lernen würden, uns zu schämen. Das ist ein Zeichen der Demut vor G-tt. Wenn wir uns Sorgen wegen unseres “Rufes” machen, wollen wir als moralisch denkende Menschen anerkannt werden.
Und genau darum geht es der Tora: Wir müssen uns unserer Verantwortung bewußt sein und unser Tun von ihr leiten lassen. Und wir müssen uns schämen, wenn uns das nicht gelingt.
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