Die Sidra Mezora beginnt mit dem rituellen Reinigungsprozess des Aussätzigen. Die Hauptfrage die uns hier beschäftigen wird, ist, weshalb „Mezora“ als Name dieser Sidra gewählt wurde. (Die Namen der Sidrot, spielen in den Werken des Rebben eine zentrale Rolle. Jede Sidra hat ein zentrales Thema, dass die Sidra wie einen Leitfaden durchzieht. Dieses Thema wird im Namen der Sidra angedeutet.)

„Mezora“ („Der Aussätzige“) ist ein Name mit einem unangenehmen „Nebengeschmack“ und weshalb wird dieser Name benutzt, wo doch die Sidra in früheren Generationen „Sot Tihje“ genannt wurde? Um die Bedeutung des „Zaraat“ zu verstehen, müssen wir uns erinnern, dass er von unseren Weisen nicht nur als Krankheit, sondern als Strafe für die spezifische Sünde von „Laschon Hara“ (übler Nachrede) gesehen wird. Es war dieselbe Strafe, die auch schon Miriam gegeben wurde, als sie gegen Mosche sprach1. Ein Aussätziger musste von anderen Leuten isoliert und ausserhalb des Lagers leben, sobald seine Krankheit identifiziert wurde. Da der Aussatz auch eine geistige Dimension hatte, ist es denkbar, dass dies nicht nur eine hygienische Vorsorge, sondern auch einen moralischen, erzieherischen Zweck hatte. Seine Heilung und der darauffolgende rituelle Reinigungsprozess war nicht nur ein Zeichen einer physischen Verbesserung seines Zustandes sondern auch einer Regenerierung seiner geistigen Gesundheit. Es ist die geistige Dimension dieses Prozesses, die wir hier analysieren wollen.

1. Zwei Namen

Die Sidra „Mezora“ wurde nicht immer so genannt. Frühere Grössen wie z.B. Rabbi Saadia Gaon2, Raschi3 und Rambam4 nannten sie bei den ersten Worten des Verses, „Sot Tihje“ („Dies soll sein“). Nur in späteren Generationen wurde es üblich, sie „Mezora“ zu nennen.5

Aber „Mezora“ bedeutet „Aussätziger“: Ein Name mit unangenehmen Assoziationen. Um dies zu verhindern, wird sie in vielen Seforim sogar nur als „Tahara“ („Rituelle Reinigung“) bezeichnet! Weshalb wird sie mit diesem scheinbar unpassenden Namen genannt, speziell wo doch früher ein Anderer existierte der diese Assoziation nicht hatte, und wo doch die Sidra das Thema „Aussätziger“ gar nicht behandelt, sondern viel mehr dessen Reinigungsprozess?

2. “Er soll gebracht werden“

Bevor wir dieses Problem lösen können, müssen wir zuerst zwei andere Schwierigkeiten zu Beginn unserer Sierra analysieren. „Dies soll das Gesetz des Aussätzigen am Tage seiner Reinigung sein. Er soll zum Kohen (Priester) gebracht werden. Und der Kohen soll das Lager verlassen ...“.

Erstens, scheint es hier einen Widerspruch zu geben. Auf der einen Seite, soll der Aussätzige „zum Kohen gebracht werden“. Auf der Anderen, soll „der Priester das Lager verlassen“ und zu ihm kommen. Wer soll wen aufsuchen? In Wirklichkeit war es der Kohen der den Aussätzigen aufsuchen musste, da es dem Aussätzigen verboten war, ins Lager herein zu kommen. Wie soll dann der Vers „er soll zum Kohen gebracht werden“ verstanden werden?

Zweitens, wieso muss der Aussätzige „gebracht“ werden? Wieso soll er nicht selbst kommen? Dies scheint anzudeuten, dass sein Zusammenkommen mit dem Kohen nicht freiwillig ist.

Um die erste Frage zu beantworten, erklären einige Kommentare6, dass der Aussätzige wohl ausserhalb des Lagers bleiben musste, doch aber wenigstens zur Lagergrenze gebracht wurde, um dem Kohen die Mühe einer langen Reise zu ersparen. Diese Erklärung ist aber nicht so leicht zu verstehen. Obwohl der Aussätzige wegen seiner Krankheit ausserhalb des Lagers weilen musste, war er nicht verpflichtet, sich vom Lager weit zu entfernen. Er konnte auch neben dem Lager bleiben. Da die Instruktionen wegen des Reinigungsprozesses an alle Aussätzige gerichtet sind, inklusive derer, die sich in Nähe des Lagers befinden, kann uns die Erklärung der Kommentare nicht ganz befriedigen.

3. Tschuwa: Zwei Phasen

Um eine tiefere Erklärung für unsere fragen zu finden, müssen wir zuerst Raschis Erklärung zum Vers: „Alle Tage wo die Krankheit sich in ihm befindet ... soll er alleine verweilen7, Aufmerksamkeit schenken. Raschi kommentiert: „(Selbst Leute die alleine unrein sind (aus Gründen die nicht mit Aussatz zusammenhängen) sollen nicht mit ihm wohnen ... denn er, mit seinen üblen Nachreden hat Mann von Frau getrennt, oder Freund von Freund, (deshalb) muss er auch (von allen) getrennt werden“.

Wir können also sagen, dass er vom jüdischen Lager wegen seiner Assoziation mit Streit und Uneinigkeit verbannt wird. Seine böse Zunge bringt Distanz zwischen Menschen, während die Idee von Keduscha (des Heiligen) Einigkeit und Frieden ist8. Deshalb hat er keinen Platz in der jüdischen Gesellschaft. Doch selbst von anderen unreinen Personen (die selbst ausserhalb des Lagers weilen müssen) muss er getrennt werden. Denn, wie der Rambam sagt9, seine üblen Aussagen werden immer schlimmer. Zuerst richtet er seine böse Zunge gegen Seinesgleichen, dann gegen die Zaddikim (Gerechten), dann gegen die Propheten und am Ende gegen G-tt selbst. Es endet damit, dass er alle Grundsätze des Glaubens verleugnet. Dies ist noch schlimmer wie der Götzendienst, der den Glauben an G-tt nicht ausschliesst und nur seine Einzigheit verleugnet.

Dennoch: “Es ist garantiert (dass jeder Jude) Tschuwa machen und zum jüdischen Glauben zurückkehren wird“. Dies ist nicht nur eine Hoffnung sondern auch ein halachischer Grundsatz10.

Dies erklärt den Vers: “Er soll zum Kohen gebracht werden“. Die grammatische Form dieses Verses (Wehuwa) lässt auch eine andere Übersetzung zu. „Er wird zum Kohen gebracht werden“. Dies ist ein Versprechen, dass selbst der, der ausserhalb des jüdischen Lagers weilt, der durch seine Sünde vom Rest der Bevölkerung isoliert ist, sich schlussendlich wieder zum „Kohen“ in Tschuwa wenden wird. Und das war derselbe Mann, dessen ganze Natur gerade gegen diese Tschuwa gerichtet war, der gegen Heiliges kämpfte und sich seinen Platz in der hedonistischen Welt ausserhalb des „Lagers“ suchte. Deshalb „soll er zum Kohen gebracht werden“ -passiv- denn er sträubt sich gegen diesen Prozess. Er wird durch höhere Gewalt zurückgebracht.

4. Die zweite Phase

Der Initiator der ersten Phase der Tschuwa, des Erwachens eines Verlangens nach G-ttesnähe, ist (wie gesagt) nicht der Mensch selbst. Es ist G-tt, der versprochen hat. „(Selbst wenn es) eine starke Hand (braucht), ... werde ich über euch regieren.

Aber wenn auch zum Beginn eine Äussere Kraft die Ursache seiner Rückkehr ist, ist es doch der g-ttliche Wille, dass schlussendlich der Mensch selbst von Innen heraus verwandelt wird, dass die Tschuwa Teil seiner innersten Natur wird.

In diesem Licht gesehen, können wir verstehen, weshalb die Tora, nachdem sie vorschreibt, den Aussätzigen zum Kohen zu bringen, hinzufügt: „Und der Kohen soll das lager verlassen (und den Mezora aufsuchen).

In der ersten Phase der Tschuwa, der „Reinigung“, ist es die g-ttliche Erleuchtung die sozusagen „von Aussen“ kommt. Weil sie noch nicht Teil seiner eigenen Persönlichkeit geworden ist, ist dieses Erlebnis mit der persönlichen Situation des Menschen unverwandt. Er wird sozusagen von sich selbst und seiner Umwelt „hinaus transportiert“. Aber danach kommt der Kohen zu ihm: i.e. seine Lage wird wieder wichtig, während er versucht, seine Tschuwa in einen Reinigungsprozess all seiner Lebensumstände umzusetzen. Und da diese „Reinigung“ selbst seine Umwelt mit einbezieht, erreicht er das, wo selbst der Zaddik (Gerechten) nicht erreichen kann: Er heiligt das, welches ausserhalb des Lagers liegt, wo der gerechte Mann gar keinen Zutritt hat. Deshalb sagen unsere Weisen, dass Teschuwa die aus grosser Liebe getan wird, selbst Sünden zu Verdiensten umwandelt11: Sie kann selbst das welches eigentlich ausserhalb des g“ttlichen Willen liegt verheiligen.

5. Die früheren Generationen und die Heutigen

Jetzt, endlich, können wir uns auch erklären, weshalb eine frühere Zeitepoche diese Sidra „Sot Tihje“ (Dies soll (wird) sein)“ nannte, wir sie jetzt jedoch „Mezora“, das Gesetz des Aussätzigen, nennen.

Nur in den Zeiten des Maschiach werden wir die endgültige Umwandlung des Bösen zum Guten erleben.

In früheren Generationen, wo diese Zeit noch fern war, konnte man sich eher mit dem Gedanken betrauen, dass das Böse irgendwie vom Guten „erobert“ wird, als dass das Böse sich von innen heraus verwandeln wird. Sie gehörten noch zur Phase, wo der Aussätzige gegen seinen Willen „gebracht wird“, um gereinigt zu werden und nicht zur zweiten Phase in welcher der Reinigungsprozess von Innen, von der eigenen Situation heraus „ausserhalb des Lagers“ stammt. Deshalb nannten sie die Sidra nicht „Mezora“ da er in ihren Augen nicht als sich selbst gereinigt wird, sondern vielmehr gegen sich selbst. Dennoch kannten sie das Versprechen der Zukunft, und nannten die Sidra „Sot Tihje“- „Dies wird sein“. In anderen Worten: das Gesetz des Aussätzigen - die Zeit in welcher der Aussätzige aus eigenen Stücken ein Teil von G-ttes Gesetz wird sein - in der Zeit von Maschiach.

Wir aber, wo schon im Schatten des kommenden messianischen Zeitalters leben, können aus „dem Aussätzigen“ einen Namen einer Sidra machen. Wir können schon fühlen, dass eine Epoche kommt, wo das Gute das im Bösen drin steckt hervorkommen wird, die Gerechtigkeit derer die ausserhalb des Lagers stehen. Das Licht beginnt schon die Wand zu durchbrechen, die uns noch von Maschiachs Zeiten trennt. Es ist ein Licht, von einem Zeitalter wo „Nacht wie Tag leuchten wird“12.