In unserem Wochenabschnitt schildert Mose den Kindern Israels die G-ttesoffenbarung am Berg Sinai und verkündet dem Volk, welches nun das Heilige Land einnehmen wird: Dir zeigte man, dass du erkennest, dass G-tt der G-tt ist, und keiner außer Ihm!
Raschi kommentiert dies: „Als G-tt die Thora übergab, öffnete Er alle „sieben Himmel“. Und so wie Er die „Himmel“ zerriss, zerriss er auch die untere Welt und alle sahen, dass Er einzig ist. Deshalb heißt es: Dir zeigte man, dass du erkennest!“1
Raschi, auch wenn er prinzipiell die einfache Bedeutung der Verse erklärt, birgt in seinem Kommentar auch innere Dimensionen der Thora, so auch in unserem Vers. In Bezug auf die Himmel verwendet er den Ausdruck „öffnen“, während er bei der unteren Erde „zerreißen“ schreibt. Aber auch bei den Himmeln fällt der Ausdruck „zerreißen“.
Keine Hülle
Der Unterschied zwischen „öffnen“ und „zerreißen“ ist klar: Beim Öffnen einer Sache entfernt man die Hülle oder den Deckel, und so wird der Inhalt offenbar. Beim Zerreißen wird die betroffene Sache völlig zerstört.
Für die Himmel verwendet Raschi den Ausdruck „öffnen“. Denn in den geistigen Welten ist die g-ttliche Gegenwart nicht nur vorhanden, sondern auch offenbar. Jenes g-ttliche Licht aber konnte das jüdische Volk nicht wahrnehmen, da es ihm verborgen blieb. Als G-tt den Kindern Israels nun Seine Gegenwart offenbaren wollte, lag es an Ihm nur die Himmel zu „öffnen“ und so das g-ttliche Licht zu enthüllen.
Ich?
Aber der Zustand in unserer unteren Welt sieht völlig anders aus. Hier handelt es sich nicht nur um eine bloße Verhüllung der g-ttlichen Gegenwart, bei deren Entfernung jenes Licht offenbar wird. Unsere Welt besteht aus einem völlig anderen Element; sie ist im Gegensatz zur Geistigkeit materiell, in Grenzen gefasst und scheint von ihrer g-ttlichen Lebensquelle abgetrennt zu sein, so als ob sie nicht G-tt bedürfe. Sie steht im Widerspruch zur absoluten Einigkeit G-ttes, der zufolge alles ein Teil G-ttes ist. Aus diesem Grund gibt es nur in dieser Welt ein „hoch entwickeltes“ Ich-Gefühl, Arroganz, Selbstverherrlichung, Hochmut, bis zum puren Egoismus (die Quelle allen Übels).
Deshalb reichte hier ein bloßes „Öffnen“ der Welt, um die G-ttlichkeit eintreten zu lassen, nicht aus. Nur durch das „Zerreißen“ – das „Zerschlagen“ jenes irdischen, groben Wesens – konnte die g-ttliche Gegenwart ans Licht kommen. Dieses „Zerreißen“ der Welt drückte sich mittels der Wunder um die G-ttesoffenbarung am Sinai aus, welche die Ordnung der Welt (die Naturgesetze) außer Kraft setzten – sie zerschlugen.
Eine besondere Kraft
Doch Raschi verwendet auch für die geistigen Welten den Ausdruck „zerreißen“. Damit macht er auf die revolutionäre Neuheit, welche die G-ttesoffenbarung am Berg Sinai bewirkte, aufmerksam – Dir zeigte man, dass du erkennest, dass G-tt der G-tt ist, und keiner außer Ihm!
Bei diesem Ereignis offenbarte Sich G-tt in Seiner ganzen Herrlichkeit – ein Weltereignis, das sich nur zur vollkommenen Erlösung wiederholen wird – und im Verhältnis zu dieser G-ttesoffenbarung sind auch die höchsten, geistigen Welten aus „zu grobem Holz geschnitzt“, sodass ein „Öffnen“ nicht ausreicht, sondern nur ein „Zerreißen“ der geistigen Welten jenes g-ttliche Licht durchkommen lässt!
Seit diesem Ereignis gab uns G-tt die Kraft nicht nur alle Hüllen, die die g-ttliche Wahrheit verbergen, zu entfernen, sondern sogar die Begrenztheit der Welt und des Körpers zu „zerreißen“, was sich folgendermaßen ausdrücken kann:
- über unsere Gewohnheiten hinausgehen,
- die Trägheit des Körpers überwinden,
- sich nicht von der Grenze des Verstandes blockieren lassen,
- sich ein bisschen aus der Mitte rücken –
um Gutes zu tun, sodass man zur Erkenntnis kommt, dass G-tt der G-tt ist, und keiner außer Ihm!
(Likutej Sichot, Band 24, Seite 36)
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