Zwei Männer baten ihn um ein Darlehen. Er gab ihnen einen großzügigen Betrag, den sie innerhalb eines Jahres zurückzahlen sollten. Ein Jahr später kamen die Schuldner wieder. Der eine sah bankrott aus. „Leider kann ich dir das Geld nicht zurückzahlen“, sagte er. „Ehrlich gesagt, habe ich mich dazu verleiten lassen, viel Geld auszugeben, und das wurde zur Sucht. Schließlich hatte ich nicht einmal genug Geld zum Leben.“

„Ich werde nicht auf die Rückzahlung verzichten“, erwiderte der Gläubiger.

Der zweite Schuldner zahlte alles zurück, was er bekommen hatte. „Ich habe ein kleines Geschäft gegründet“, berichtete er. „Es war nicht leicht, doch allmählich ging es aufwärts. Hier ist dein Geld. Danke, dass du mir die Chance gegeben hast, auf eigenen Füßen zu stehen.“

„Behalte das Geld und lass mich dein Geschäftspartner sein!“

Also verlässt der Priester voller Mitgefühl den Tempel und geht zum Leprakranken, der nicht am jüdischen Leben teilnehmen darfLepra war eine übernatürliche körperliche Krankheit. Unsere Weisen sagen, ihre Ursache sei Laschon hara (Klatsch) gewesen. Der Kranke wurde vor dem Lager isoliert, bis er genesen war. Die Tora beschreibt den Heilungsvorgang ausführlich. Ein Priester ging zum Kranken, tauchte Zedernholz, scharlachroten Zwirn und Ysop in eine Mischung aus Blut und Quellwasser und besprenkelte den Leprakranken siebenmal damit. Sieben Tage später schor der Kranke sein Haar und tauchte in eine Mikwe (rituelles Bad).

Die Begegnung zwischen dem Kranken und dem Priester beschreibt die Tora so:

„Das soll das Gesetz des Leprösen am Tag seiner Reinigung sein. Er soll zum Priester gebracht werden. Der Priester soll aus dem Lager hinausgehen und nachsehen, ob die Lepra geheilt ist“ (Lev. 14:2).

Das klingt widersprüchlich. Zunächst lesen wir, dass der Kranke zum Priester gebracht wird; dann geht der Priester aus dem Lager hinaus.

Um das zu verstehen, müssen wir den Leprakranken im Lichte der Kabbala betrachten. Im mystische Sinne ist er ein Mensch, der den roten Faden in seinem Leben nicht sieht. Darum hat er kein Gespür für den Schaden, den er mit seinem Klatsch anrichtet. Wenn wir Klatsch verbreiten, verursachen wir eine energetische Spaltung zwischen der impulsiven Zunge und der heiligen Privatsphäre, letztlich also zwischen der spirituellen und der praktischen Existenz. Maimonides sagt sogar, Klatsch richte sich gegen G-tt.

Der Priester hingegen weiht sein ganzes Leben G-tt.

Deshalb muss der Kranke mit dem Priester reden.

Also verlässt der Priester voller Mitgefühl den Tempel und geht zum Leprakranken, der nicht am jüdischen Leben teilnehmen darf. Allein diese Geste macht den Kranken auf G-ttes Einheit aufmerksam. Er ist gerührt, inspiriert und auf dem Weg zur Genesung.

His healing requires a fusion of the priest's influence with his own workAber wenn er nur passiv auf den Priester reagieren würde, wäre die Inspiration schnell verflogen, denn sie wäre nicht seine eigene und würde ihm daher nur helfen, solange der Priester bei ihm ist. Wird der Kranke nicht selbst aktiv, nützt ihm sein neues Bewusstsein nichts.

Wenn der Lepröse zum Priester geht, macht er die Reinigung zu seinem eigenen Anliegen. Um gesund zu werden, muss er also den Einfluss des Priesters mit seiner eigenen Arbeit verbinden, um sein neues Bewusstsein in sein Leben zu integrieren.


Dieser Übergang von der Inspiration zum Handeln ist eine lebenslange Aufgabe. Eine Zeitlang studierte ich fast den ganzen Tag die Tora und die chassidische Lehre und war von Mentoren umgeben, die durch ihren Unterricht und ihr Verhalten die Botschaft von G-ttes Einheit verbreiteten.

Dann war es vorbei. Ich wurde nicht mehr mit Inspiration gefüttert. Jetzt musste ich mich weiterentwickeln und das Gelernte zu einem Teil meines Lebens machen. Der Priester war zu mir gekommen; nun musste ich auf ihn zugehen.

Das erinnert mich an eine Geschichte über den Lubawitscher Rebbe. In einem Gespräch mit einem Rabbiner außerhalb von New York fragte der Rebbe ihn nach einem Mitglied seiner Gemeinde. Dann fuhr er fort: „Ermutige diesen Mann, sich dieses Jahr einen Bart wachsen zu lassen. Aber sag ihm nicht, dass diese Idee von mir stammt!“

Der Rabbiner führte den Auftrag aus, aber ohne Erfolg. Schließlich gestand er, dass der Rebbe selbst ihm diesen Auftrag erteilt hatte.

„Dann macht ich es“, sagte der Mann.

Während seiner nächsten Audienz berichtete der Rabbiner dem Rebbe, dass das Gemeindemitglied sich einen Bart habe wachsen lassen.

„Hast du ihm gesagt, dass ich diesen Wunsch geäußert habe?“, fragte der Rebbe.

„Ja, letztlich musste ich es ihm sagen“, gestand der Rabbiner. „Aber welchen Unterschied macht das? Wichtig ist doch, dass er es getan hat!“

„Ja“, sagte der Rebbe, „aber ich wollte, dass es sein Bart wird, nicht meiner.“