Vorige Woche rief mich ein junges Elternpaar an. Die beiden wollten die Brit Mila ihres Sohnes planen, der am Spätnachmittag kurz vor Sonnenuntergang geboren worden war, genau eine Woche vor Rosch Haschana.

Eine Brit sollte am achten Tag nach der Geburt erfolgen, sogar am Schabbat oder Jom Tow. Wenn sich die Brit aus irgendeinem Grund verzögert, wird sie nicht am Schabbat oder Jom Tow vorgenommen, sondern am ersten folgenden Wochentag.

Wäre das Kind noch bei Tag geboren worden, hätte die Brit in der folgenden Woche stattgefunden, am Tag vor dem Fest. Wäre es nachts zur Welt gekommen, hätte man die Brit in der folgenden Woche vollzogen.

Aber wir leben in einer ungenauen Welt. Es ist fast unmöglich zu sagen, wann ein Tag endet und der nächste beginnt. Darum haben Halachisten eine Art Dämmerzone geschaffen, eine Zeitphase, die bejn haSchmaschot heißt. Sie ist weder ganz Tag noch ganz Nacht, und wir können das Geburtsdatum eines Kindes in dieser Periode nicht exakt feststellen.

Wir durften die Brit nicht für den Tag vor dem Fest anberaumen, weil das der siebte Tag hätte sein können. Aber die Brit am Feiertag zu vollziehen hätte womöglich bedeutet, den Feiertag mit einer Handlung zu entweihen, die eigentlich einen Tag früher hätte erfolgen müssen. In diesem Fall verlangte die Halacha, weder das Eine noch das andere zu tun, sondern die Brit auf den Tag nach dem Fest zu verschieben.

Juden, die den Schabbat einhalten, nehmen Rücksicht auf diese wöchentliche Unsicherheit, indem sie mit dem Schabbat etwas früher anfangen, als es nötig wäre. Die Zeiten für das Kerzenzünden, die Sie in Ihrem lokalen jüdischen Kalender finden, setzen den Schabbat ebenfalls etwas früher an, um seine Heiligkeit zu schützen und unabsichtliche Verstöße zu verhindern.

Interessant ist, dass G-tt diese Vorkehrung nicht traf. Wir lesen diese Woche, dass „G-tt die Schöpfung am siebten Tag beendete“ (Genesis 2:2). Das hört sich so an, als wäre G-tt am Anfang des siebten Tages noch tätig gewesen und als hätte er nur am Rest des Tages geruht. Aber alle Kommentatoren deuten diesen Vers so, dass G-tt genau bis zu dem Zeitpunkt an der Schöpfung arbeitete, als der sechste Tag zu Ende ging und der siebte anfing.

G-tt ist der Schöpfer der Wirklichkeit, und die Zeit ist ein Produkt seines Willens. Er braucht den Schabbat nicht „vorsichtshalber“ zu verlängern, denn er hat ihn geschaffen und kennt den genauen Moment, an dem er ihn der Welt gebracht hat.

Die erstaunliche Lehre aus den sechs Tagen der Schöpfung ist nicht die Erschaffung des Universums, sondern die Tatsache, dass G-tt bis zum letzten Augenblick mit der Schöpfung beschäftigt war.

Wir sind oft versucht, eine Menge zu tun und dann aufzuhören, mit vergangenen Leistungen zufrieden zu sein und locker bis zur Ziellinie zu laufen. Die Lektion, die wir von G-ttes Schöpfung lernen, lautet: Jeder Moment ist kostbar, jede Sekunde ist eine neue Chance, zu arbeiten, sich zu bemühen, etwas zu erreichen. Wir dürfen nicht die Gelegenheit verpassen, G-ttes Partner bei der Schöpfung zu sein.