„Reisen“ ist der Name des letzten Wochenabschnitts im Buch Numeri. So könnte auch die Geschichte unseres Volkes überschrieben sein. Wanderungen durch Wüsten oder Kulturen – freiwillig oder unter Zwang – sind Teil der Biografie fast jedes heutigen Juden oder seiner Eltern oder Großeltern. Woher nimmt ein Volk die Ausdauer, diese endlosen, oft tragischen Wanderungen zu überleben?

Als die Israeliten Ägypten verließen, wanderten sie nicht vierzig Jahre lang ziellos durch die Wüste. Die Tora berichtet vielmehr, „das Wort G–ttes“ habe jeden ihrer Schritte gelenkt und G–tt sei nicht nur am Volk, sondern auch an jedem einzelnen Menschen interessiert gewesen und habe niemanden einem launischen Schicksal oder den Unbilden der „Natur“ überlassen.

Wir gehen nicht, sondern wir werden geschickt, und der, welcher uns schickt, begleitet unsWir alle müssen uns nach G–ttes Willen richten, einerlei, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Wir gehen nicht, sondern wir werden geschickt, und der, welcher uns schickt, begleitet uns. In der Wüste fühlte sich kein Jude allein, obwohl er von Feinden umringt war. Wer die Lebendigkeit seiner Seele bewahrte, hing nicht von der Anerkennung anderer Leute ab, weder von Mitgliedern seiner Religion noch von Nichtjuden. Er schöpfte seine Kraft nicht aus Menschen, sondern aus G–tt, und der war immer da. Ja, viele gaben auf, weil sie nicht die Kraft hatten, als unabhängige, freie Individuen zu leben. Aber sie lösten sich von unserem Volk, und ihre Nachkommen waren keine Juden mehr.

Für uns hat das Leben einen Sinn. Das war und ist das Schöne am Judentum. Nicht alles, was wir erleben, gefällt uns, und manches verstehen wir nicht; aber wir wissen, dass die Tragödien nicht vergeblich waren und die Freuden kein Zufall sind. Israel geht einen langen und bisweilen schwierigen Weg; doch wir gehen immer „mit dem Wort G–ttes“, bis unsere Wanderungen für immer zu Ende sind.