Die dieswöchige Sidra zählt alle Stationen in der Wanderung der Israeliten durch die Wüste auf. Dazu lässt sich fragen, warum das Volk eine so lange Zeit in der Wüste zu verbringen hatte. Zwar führte G-tt es, wie die Tora beim Auszuge aus Ägypten erklärt (Exodus 13, 17), absichtlich nicht die direkte Route entlang, durch das Land der Philister, damit das Volk sich nicht angesichts von Kriegsgefahr zur Rückkehr nach Ägypten entschließen würde. Aber warum war die Alternative eine Wüstenwanderung von nicht weniger als 40 Jahren? Selbst der größte Umweg durch die Sinai-Halbinsel kann nicht eine so lange Zeit in Anspruch nehmen. Nein, allein im Lager von Kadesch verweilte Israel 19 Jahre lang.
Also hatte ganz offensichtlich diese lange Dauer nichts mit einer bestimmten Marschroute zu tun.
Vielmehr war dieses 40-jährige Wandern Israels Strafe, "Maß für Maß", für die 40 Tage, welche die ausgesandten Kundschafter im Heiligen Land verbracht hatten, um am Ende dann nichts als einen böswilligen Bericht abzulegen. Und daraus ergibt sich alsbald noch eine zusätzliche Frage: Wenn also, dementsprechend, die Strafe darin bestand, dass sie weitere 40 Jahre zu warten hätten, bis sie ins Heilige Land kämen, warum durften sie diese 40 Jahre nicht an einem bewohnbaren Platz verbringen? Warum mussten sie in der Wüste umherziehen?
Diese 40jährige Durchwanderung der Wüste, so muss die Antwort lauten, hatte zum Ziel, dass die Israeliten die Wüste "umformen", dass sie diese schreckliche Einöde in einen menschlichen "Wohnsitz" verwandeln würden. Was ist ein "menschlicher Wohnsitz"? Es kann ein Dörfchen sein, in dem zwei Familien leben, oder es kann eine Millionenstadt sein. Vom Standpunkt der Tora her ist der vollkommenste menschliche Wohnsitz jener, auf dem eine Gemeinschaft von 600.000 Juden sich zusammenfindet. Diese Zahl 600.000 ist eine mystische Zahl. Es ist dies die Anzahl der "allgemeinen Seelen" des jüdischen Volkes. Sie ist die "Kern-Nummer" derjenigen, die aus Ägypten zogen – die Armee der männlichen Israeliten im Alter von 20 Jahren und darüber.
Dies ist die höchste Norm von Gemeinsamkeit; sie stellt die größtmögliche Mannigfaltigkeit von Juden dar. Wenn sich 600.000 Juden versammeln, wird ein besonderer Segensspruch rezitiert. Weniger als 600.000 ist nicht perfekt als Gemeinschaft; bei mehr als 600.000 wird nichts mehr hinzugefügt.
Jene 600.000 Israeliten nun hatten die Einöde, und zwar nur dadurch, dass sie sie bewohnten, zu einem menschlichen Wohnsitz – einer jüdischen Gemeinschaft – von höchster Ordnung gemacht, eine "Umformung", die sich sogar im physischen Bereiche auf die Wüste auswirkte: Die Nattern und Skorpione wurden wundersamerweise durch die schützenden Wolken zerstört; die Wasserzufuhr aus Miriams Quelle (die durch ein Wunder sie begleitete) sorgte dafür, dass sie auf ihrem Wege stets eine fruchtbare Vegetation vorfanden – das ist der genaue Gegensatz von Einöde.
Auf spiritueller Ebene ist eine Wildnis überall dort, "wo der Mensch nicht zu Hause ist". Auf allerhöchster Ebene bezieht sich dies auf G-tt selbst. Man muss immer danach streben, die "Wüste" in einen Platz zu verwandeln, auf dem G-tt verweilen kam. Ein Beispiel hiefür: Ein jungvermähltes Paar macht sich daran, in die "abschreckende Wüste" der Welt einzutreten. In dieser "geistigen Wüste" müssen sie ein jüdisches Heim gründen, als einen "menschlichen Wohnsitz" von höchster Beschaffenheit, ein "Lager der Israeliten", das dazu angetan ist, die Wüste ringsum in einen "Wohnsitz" für G-tt zu verwandeln.
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