Es gibt zwei Arten menschlicher Liebe: die innere, ruhige Liebe, die wir für Menschen empfinden, mit denen wir durch die Geburt verwandt sind, und die intimere, feurige Liebe, die in der Ehe besteht. Deshalb unterscheidet sich die Mann-Frau-Beziehung stark von der Eltern-Kind-Beziehung.

Die Liebe innerhalb der Familie, zwischen Blutsverwandten, ist angeboren. Die Liebe zwischen einer Mutter und ihrem Kind, einem Bruder und einer Schwester, zwei Brüdern, zwei Schwestern fällt leicht. Weil sie von Natur aus verbunden sind, fühlen sie sich wohl miteinander. Es gibt eine angeborene Nähe zwischen ihnen, sodass ihre Liebe stark, fest, beständig, berechenbar und ruhig ist. Es gibt keine Distanz, die es zu überbrücken gilt, keinen Unterschied, den es zu überwinden gilt.

Die Liebe zwischen Mann und Frau ist nicht so. Ihre Liebe war nicht immer da, sie haben sich nicht schon immer gekannt, sie waren nicht immer verbunden. Ganz gleich, wie gut sie sich gegenseitig kennengelernt haben, sind sie doch nicht gleich. Sie unterscheiden sich körperlich, emotional und auch mental. Sie lieben sich trotz der Unterschiede und wegen dieser Unterschiede, aber es besteht nicht genügend Gemeinsamkeit zwischen ihnen, eine ungezwungene, ruhige Liebe aufzubauen. Die Unterschiede bleiben bestehen, auch wenn sie verheiratet sind, und die Liebe zwischen ihnen muss diese Unterschiede überwinden.

Schließlich waren Mann und Frau einmal Fremde. Männer sind anders als Frauen, sodass sie im Wesentlichen Fremde bleiben müssen. Aus diesem Grund kann die Liebe zwischen ihnen nie ungezwungen, konsistent oder ruhig sein.

Diese erworbene Liebe ist natürlich stärker als die Liebe zwischen Bruder und Schwester. Wenn die Liebe eine Differenz, eine Entfernung, ein Hindernis überwinden muss, braucht es Energie, die Kluft zu überbrücken. Das ist die Energie der feurigen Liebe.

Da die Kluft zwischen Mann und Frau sich nie wirklich schließen wird, wird ihre Liebe füreinander ständig darüber herüberreichen müssen. Es wird immer wieder Distanz, Trennung, dann Überbrücken der Distanz und wieder Zusammenkommen geben. Dieses Gefühl der Distanz verstärkt den Wunsch, miteinander zu verschmelzen.

Um zusammen zu kommen, müssen Mann und Frau müssen gewisse Widerstände überwinden. Ein Mann muss seinen Widerstand gegen die Verpflichtung überwinden, und eine Frau muss ihrem Widerstand gegen das Eindringen überwinden. Also reichen Mann und Frau über große emotionale Entfernungen hinweg, um zusammen zu kommen, was ihre Liebe verstärkt. Das Fehlen der angeborenen Liebe lässt tatsächlich die Liebe wachsen.

Wenn Bruder und Schwester eine feurige Liebe hätten, würde darunter ihre Beziehung leiden. Für einen Bruder und eine Schwester ist dieses Gefühl nicht angebracht. Ihre Liebe gedeiht, wenn sie ununterbrochen, ohne Herausforderungen, konstant und ruhig ist. Nicht, dass sie keine Meinungsverschiedenheiten haben könnten, aber diese Meinungsverschiedenheiten stören ihre Liebe nicht. Wenn andererseits ein Mann und eine Frau eine ruhige Liebe füreinander entwickeln, wird ihre Beziehung nicht gedeihen. Wenn sie allzu vertraut miteinander, zu ungezwungen wie Bruder und Schwester miteinander sind, wird ihre Liebe nicht gedeihen. Wahre Innigkeit in der Ehe - feurige Liebe - wird durch ein ständiges Zurückziehen und Wiedervereinigen geschaffen.

Wenn Mann und Frau nie getrennt sind, beginnt ihre Liebe sauer zu werden, weil sie nicht eine für diese Liebe angemessene Umgebung schaffen. Das Umfeld des ständigen Zusammenseins ist der Mann-Frau-Liebe nicht förderlich: Es ist das Umfeld für die Bruder-Schwester- oder Eltern-Kind-Liebe.

Deshalb ist der ideale Segen für ein verheiratetes Paar: „Mögen Eure Flitterwochen nie zu Ende gehen“. Die Flitterwochen - wenn zwei Menschen, die einst getrennt waren, zum ersten Mal zusammen kommen - sollten nie zu Ende gehen, denn das ist es, wovon eine Ehe lebt.

Die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau lebt von dem Sichzurückziehen und der Wiedervereinigung, von der Trennung und dem Zusammenkommen. Die einzige Möglichkeit, ein förderliches Umfeld für diese Art von Beziehung zu haben, ist, ihr eine Trennung zu verschaffen.

Es gibt viele Arten der Trennung. Ein Ehepaar kann an verschiedenen Orten leben, Meinungsverschiedenheiten haben, oder sich streiten und aufeinander wütend sein. Oft ist der Streit nicht des Streites wegen, sondern um eine Distanz zu schaffen, sodass Mann und Frau das Gefühl haben können, wieder zusammen zu kommen. Das ist keine sehr glückliche Lösung. Die Versöhnung nach einem Streit kann für eine Ehe gelegentlich gut sein, aber nicht regelmäßig. Es ist keine gute Idee, Streit zu suchen, zumal Trennungen eine positivere Form annehmen können.

Die räumliche Trennung, die uns von G-tt zu diesem Zweck gegeben wurde, ist eine viel glücklichere Lösung. Die Trennung wird erzeugt durch die Einhaltung einer Reihe von Gesetzen der Tora, die aus Levitikus 15 abgeleitet sind und als „die Gesetze der Familienreinheit“ oder „die Gesetze der Mikwe“ bezeichnet werden. Das Wort Mikwe bezieht sich auf das rituelle Bad, in dem traditionelle jüdische Frauen seit den Tagen der Bibel nach ihrer Monatsblutung und vor der Erneuerung sexueller Beziehungen mit ihren Männern eintauchen müssen.

Nach diesen Gesetzen der Mikwe ist eine jüdische Frau während der Zeit Ihrer Menstruation und eine Woche danach für Ihren Ehemann körperlich tabu. Während dieser Tage ist die räumliche Trennung absolut: keine Berührung, kein zusammen auf einer Schaukel Sitzen, kein Schlafen in demselben Bett.

Im Laufe der Jahrhunderte wurden alle möglichen Erklärungen für diese Gesetze gegeben, aber alle haben eins gemeinsam: Trennung schützt und pflegt den intimen Aspekt der Ehe, der über das Sichzurückziehen und die Wiedervereinigung gedeiht.

Dieses Wissen gibt es nicht nur bei den Juden. In den meisten Kulturen auf der ganzen Welt wurde dem Brauch nach der Trennung zwischen Mann und Frau während der Regelblutung der Frau in unterschiedlichem Ausmaß praktiziert. Einige, wie etwa bestimmte Indianerstämme, hatten tatsächlich getrennte Wohnbereiche, Menstruationszelte, in denen eine Frau während ihrer Periode blieb. Später verfielen diese Bräuche zu Mythen, Tabus, Ängsten, Aberglauben, hygienischen Argumenten und anderen Rationalisierungen, um zu versuchen, ein heikles und sensibles Thema zu verstehen. Aber die Trennung war ein derart allgemeiner Brauch, dass ich mich frage, ob die Menschen instinktiv wissen, dass die Liebe von Mann und Frau von dem Sichzurückziehen und der Wiedervereinigung beim Zusammenkommen nach einer Trennung lebt. Der Körper achtet eigentlich den emotionalen Zustand. So wie die Liebe zwischen Mann und Frau nicht die ganze Zeit über mit voller Intensität aufrechterhalten werden kann, sondern einer gewissen kreativen Spannung bedarf, ohne die sie nicht gedeihen kann, hat der Körper ein ähnliches Bedürfnis.

Soweit es Juden betrifft, wissen wir, dass diese zyklischen Veränderungen für eben diesen Zweck geschaffen wurden. Es ist viel mehr als nur ein Zufall: Es ist, wie der Körper die Seele widerspiegelt, wie der Körper als Abbild der Seele geschaffen wurde.

Wie alles, was es in unserem Leben gibt, soll der Zyklus des Sichzurückziehens und der Wiedervereinigung, der in der Ehe besteht, ein Spiegelbild unserer Beziehung zu G-tt sein. Die beiden Arten der Liebe, die ruhige und die feurige Liebe, gibt es nicht nur unter den Menschen, sondern auch zwischen uns selbst und G-tt.

Wenn wir uns auf G-tt als unseren Vater beziehen, ist es eine angeborene und innere Beziehung. Wir brauchen nicht dafür zu arbeiten, sie ist einfach da. Es ist eine ständige, beständige Liebe, eine unzerstörbare Liebe, eine Liebe, die sich mit stillem Wasser vergleichen lässt.

Aber wir müssen auch darüber reden, dass G-tt unendlich ist und wir endlich sind; G-tt ist wahr, und wir sind es nicht; G-tt ist alles, und wir sind kaum etwas. Wegen dieser Unterschiede fühlen wir uns weit von G-tt entfernt und verspüren das Bedürfnis, eine Beziehung zu ihm zu schaffen. Der Aufbau einer Beziehung trotz der Unterschiede, trotz der Entfernung, ähnelt eine Ehe. Es ist eine stürmische Beziehung - feurige Liebe.

Genauer gesagt liebt unsere Seele G-tt so, wie ein Kind ein Elternteil liebt, weil unsere Seele von G-tt ist. Das ist die angeborene und ruhige Liebe. Wenn G-tt diese Seele sagt, in einen Körper zu gehen, ist das eine Trennung. Dann liebt unsere Seele G-tt mit einer feurigen Liebe, die - wie die Liebe zwischen Mann und Frau - nicht automatisch kommt. Erworbene Liebe ist von Natur aus intensiv und feurig.

Schließlich wird die Seele inniger als zuvor mit G-tt vereint, so wie die Innigkeit zwischen Mann und Frau tiefer ist, wenn sie nach einer Trennung wieder zusammen kommen. Wenn G-tt also sagt, dass Mann und Frau miteinander zurückhaltend umgehen sollen, dass sie, einem monatlichen Zyklus folgend, zusammen und dann getrennt sein können, wieder zusammen kommen und sich wieder trennen, ist das keine künstliche Forderung. Es kann zu Disziplin führe, was schön ist. Es kann die Ehe frisch zu halten, was wichtig ist. Aber es steht mehr dahinter, als nur das. Es ist in der Tat die natürliche Reflexion der Art Liebe, die zwischen Mann und Frau bestehen muss. Um diese stürmische, feurige Liebe zu nähren, muss unsere Art zu leben den Gefühlen entsprechen, die wir zu pflegen und zu erhalten versuchen.

Wenn eine Trennung ansteht - und es muss eine geben - sollten Sie Folgendes beachten: Statt zu warten, bis sich die Trennung entwickelt, bei der Mann und Frau in einem Streit verfallen oder das Interesse aneinander verlieren, nehmen wir doch das körperliche Anzeichen zur Kenntnis um eine körperliche, keine emotionale, Trennung zu erzeugen. Jeder sagt: „Ich brauche meinen Freiraum.“ Das ist wahr. Das Einhalten der Gesetze der Mikwe, wenn sie gelten, ist eine Möglichkeit, diesen Raum zu schaffen.