Lieber Leser,

zehn der zwölf Kundschafter legten – wie die dieswöchige Sidra schildert – einen pessimistischen Bericht über das Land Kanaan vor. Dem Selbstbewusstsein, dem inneren Halt, der Israeliten taten sie einen großen Schaden an, weil sie die Sachlage so beurteilten (Num. 13, 31): "Wir können gegen jenes Volk nicht hinaufziehen, denn es ist stärker als wir." Die Weisen des Talmuds gehen sogar so weit (Sota 35a), dass sie diesen Ausspruch als noch nachdrücklicher verstehen, als es der einfache Wortsinn vermittelt: Das hebräische Wort für "(stärker) als wir" kann auch übersetzt werden mit "als Er", womit angedeutet wäre, dass die kanaanitischen Völker – gleichsam – noch stärker als G-tt selbst wären.

Was nun war Kalebs Antwort auf die pessimistischen Aussagen der zehn? Er sagte (Num. 13, 30): "Lasst uns hinaufziehen, lasst uns fürwahr hinaufziehen und das Land in Besitz nehmen." Das heißt: Lasst uns in zweifacher Hinsicht "hinaufgehen". Wir sind schon emporgestiegen auf das Niveau des Spirituellen, wie es das Leben in der Wüste mit sich bringt, das heißt wir haben uns über die Anliegen der Welt und des Alltags emporgeschwungen. Lasst uns jetzt noch einen weiteren, einen größeren Anlauf nehmen, damit wir G-tt auch "in" der Welt, in ihren irdischen Belangen selbst finden. So wollen wir das Land in Besitz nehmen, nicht etwa durch Kauf von einer unbekannten Person, sondern durch die Beerbung seines wahren Besitzers, mit Dem wir eins gehen und eine Einheit bilden.

Schabbat Schalom