Frage

Vielen Dank für Ihre freundliche Einladung zu einem Ihrer Tora-Kurse. Ich habe den starken Wunsch, mein Wissen über mein Erbe zu erweitern, aber ich fühle mich derzeit nicht in der Lage, diese Studien zu verfolgen. Ich kann zwar Hebräisch lesen, verstehe aber kein Wort. Sollte das Erlernen der Sprache der Tora nicht meine erste Priorität sein?

Antwort

Viele Menschen glauben fälschlicherweise, dass es notwendig ist, zuerst die Sprache der Tora zu lernen und erst dann in Betracht zu ziehen, unser schönes Erbe zu studieren. Obwohl es sehr wünschenswert ist, Hebräisch zu verstehen, erfordert das Erlernen einer neuen Sprache einen erheblichen Zeit- und Energieaufwand und ist nicht sehr inspirierend, sodass die anfängliche Begeisterung nachlassen kann. Aus diesem Grund werden alle meine Tora-Kurse auf Englisch unterrichtet.

Es herrscht der weit verbreitete Irrglaube, dass Hebräisch im Laufe unserer Geschichte die gesprochene Sprache unserer Vorfahren war. In Wahrheit wurde diese Sprache nur während des ersten Jahrtausends der Existenz unserer Nation allgemein verwendet. Nach der Zerstörung des Ersten Heiligen Tempels (422 v.u.Z.) wurden die Juden aus Israel vertrieben. Infolge der großen Zerstreuung vermischte sich die Sprache der Massen mit anderen Dialekten, ähnlich wie beim sogenannten Spanglish.

Tatsächlich war dies der Auslöser für die standardisierte Gebetsliturgie, die wir heute haben. Maimonides schreibt, dass die Anführer bei der Rückkehr der Juden nach Israel, um den Zweiten Heiligen Tempel zu bauen, feststellten, dass das einfache Volk die hebräische Sprache nicht fließend beherrschte und sich nicht eloquent ausdrücken konnte. Folglich war das Volk nicht in der Lage, durch Gebete in reinem Hebräisch mit G-tt zu kommunizieren. Die Rabbiner legten daher einen festen Text für das tägliche Gebet fest.

Die gesprochenen Sprachen während der Zeit des Zweiten Tempels und der Talmud-Ära (352 v.u.Z.–500 n.u.Z.) waren verschiedene Dialekte des Aramäischen. Obwohl die Gelehrten auf Hebräisch lernten, wurden ihre Diskussionen im Talmud und Sohar auf Aramäisch abgefaßt. In den nachfolgenden Generationen wurden sogar die Lehren der Tora in anderen Sprachen diskutiert und debattiert. Viele der großen Werke von Maimonides wurden auf Arabisch verfasst, und die chassidischen Meister vermittelten die erhabenen Geheimnisse der Tora auf Jiddisch.

Die Sprache unserer Tradition zu verstehen, war schon immer eine Herausforderung, aber nie ein Hindernis für das Studium der Tora. Um ein halachisches Urteil zu fällen und eine verbindliche Auslegung der Tora zu entwickeln, muss man natürlich die Originalsprache ausreichend beherrschen. Es gibt jedoch viel Tora in einer Vielzahl von Sprachen zu lernen. Ich ermutige Sie, sich auf die Reise der Tora-Entdeckung zu begeben und das Hebräische mit der Zeit zu erlernen.