XI. Die Haftara dieser Sidra erzählt, wie König David die Lade G-ttes aus dem Haus von Owed-Edom, dem Gittiter, in die Stadt Davids brachte. Unterwegs „tanzte David mit all seiner Kraft vor dem Ewigen, und David war mit einem leinenen Leibrock (Efod) umgürtet.“1 Als sie in die Stadt Davids kamen, heißt es, dass „König David sprang und vor dem Ewigen tanzte.“2

Diese beiden Verse, von denen sich der erste auf außerhalb der Stadt und der zweite auf innerhalb der Stadt Davids bezieht, unterscheiden sich: a) Im ersten Vers heißt es, dass „David mit einem leinenen Efod umgürtet war“, während dies im zweiten Vers nicht erwähnt wird. b) Im ersten Vers heißt es nur, dass „David tanzte“, während im zweiten Vers steht, dass er „sprang und tanzte.“ Was lehren uns diese Unterschiede?

Es gibt noch eine weitere Nuance in dieser Geschichte, die es zu verstehen gilt: Als Michal, die Tochter König Scha-uls, „König David springen und tanzen“ sah, verspottete sie ihn,3 und David antwortete ihr: „Vor dem Ewigen, der mich vor deinem Vater erwählt hat ... Ich werde noch mehr erniedrigt werden als das ...“4 Er brauchte nur den Grund für seine Freude zu erklären; warum hat er dann erst „der mich vor deinem Vater erwählt hat“ hinzugefügt?

XII. Rambam5 sagt über das leinene Efod, dass es nicht zu den acht priesterlichen Gewändern gehört. Denn das Efod des Hohepriesters war nicht nur aus Leinen, sondern auch aus „blauer und roter Wolle.“6 Er beweist es damit, dass vom Propheten Schmuel,7 der ein Levite war,8 gesagt wird: „ein Knabe, umgürtet mit einem leinenen Efod.“9

So erklärt der Rambam, dass das leinene Efod ein Kleidungsstück war, das von „Jüngern der Propheten10 getragen wurde, und derjenige, der befähigt war, dass der Ruach haKodesch (der Heilige Geist)11 auf ihm ruhen konnte, würde, um anzuzeigen, dass er die Stufe eines Hohepriesters erreicht hatte, mit Ruach haKodesch mittels des Efod und des Choschen (Brustschild) sprechen.“

Nun ist Prophetie ein erhabener Zustand, denn „die Schechina ruht nur auf einer Person, die weise, stark, wohlhabend und hochgewachsen ist“12, zusätzlich zu anderen Eigenschaften.13 Dennoch sind auch in diesem Zustand die Kleider und ihre Beschaffenheit wichtig, so dass es heißt: „Und er zog auch seine Kleider aus und prophezeite ...“14 Mit einem leinenen Efod umgürtet zu sein, war also ein Zeichen dafür, dass man befähigt und bereit ist, dass der Heilige Geist auf einem ruht.

Die Quelle für Rambams Aussage findet sich im Jeruschalmi:15 In Now, der Stadt der Priester, gab es 85 Priester, „die ein leinenes Efod trugen.“16 Der Jeruschalmi fragt, wie das möglich ist, wenn es nur einen Hohepriester geben kann, und erklärt, dass alle diese Priester geeignet waren, Hohepriester zu sein. Dies ist identisch mit den Worten des Rambam.

XIII. Die Absonderung ist eine der Möglichkeiten, sich auf den Zustand der Prophetie vorzubereiten.17 Im Allgemeinen geschieht dies, indem man sich von einer Stadt entfernt. Als König David auf dem Weg war, befand er sich außerhalb der Stadt. Das war der wichtigste Ort, um sich auf den Zustand der Prophetie vorzubereiten, und deshalb wird dort erwähnt, dass er ein leinenes Efod trug.18

Dort „tanzte er mit all seiner Kraft vor dem Ewigen“, denn „die Schechina wohnt nur dort, wo Freude ist.“19 Das Wort Mecharker (er tanzte) kann auch mit „er lobte" übersetzt werden:20 Er brachte dem Allmächtigen Lieder und Lobpreisungen dar, um eine Manifestation der Prophetie hervorzurufen. Denn bekanntlich rufen Lieder und Lobpreisungen verborgene Kräfte hervor.21

Wenn die Heilige Schrift von der Freude in der Stadt Davids spricht, erwähnt sie auch Mefases (üblicherweise mit „er sprang“ übersetzt), ein Begriff, der auf vermehrtes und intensiveres Tanzen hinweist.22 Außerhalb der Stadt war es nicht so intensiv, oder es wurde überhaupt nicht getanzt.23 Chassidut erklärt, dass Tanzen eine Reaktion auf ein Gefühl von durchdringender Freude ist, die bis ins Innerste des Menschen vordringt, bis zu dem Punkt, an dem sie sogar die Füße beeinflusst.24

Der Begriff Mefases wird daher nur im zweiten Vers erwähnt: Die Freude außerhalb der Stadt war mit einer bestimmten Erwartung verbunden (ein Mittel zum Zweck), nämlich der Prophezeiung und der Einwohnung der Schechina. Diese Freude war also begrenzt und nicht vollständig durchdringend. Die Freude innerhalb der Stadt Davids hingegen war frei von Erwartungen (sie war ein Selbstzweck), also uneingeschränkt, und manifestierte sich somit auch in Mefases.

XIV. Wir können nun verstehen, warum Michal, die Tochter Scha-uls, es missbilligte, dass König David in der Stadt Davids vor G-tt sprang und tanzte.

Das Tora-Gesetz schreibt vor, dass man einen König nicht sehen darf, wenn er sich in einem Zustand befindet, der die Wirkung des Satzes „Du sollst einen König über dich einsetzen“25 abschwächen könnte: „Seine Ehrfurcht soll über dir sein.“26 Dass sich der König aufgrund bestimmter Erwartungen in der Öffentlichkeit übermäßig freut, kann noch als scheinbares Verhalten betrachtet werden und ist daher vom rationalen Standpunkt aus verständlich. In der Stadt Davids zu springen und zu tanzen, sich also uneingeschränkt jenseits vernünftiger Normen zu verhalten, erschien Michal jedoch als völlig inakzeptabel.

XV. Das erklärt, warum David ihr antwortete: „Der mich vor deinem Vater erwählt hat.“ Mit diesen Worten wies er sie auf den Unterschied zwischen seiner Form der Anbetung und der ihres Vaters hin: Scha-uls Awoda beruhte auf rationalen Kriterien. Deshalb wollte er Amalek nicht vollständig ausrotten.27 Aus rationaler Sicht ist es sinnvoll, „das Beste von den Herden und dem Vieh zu verschonen, um es dem Ewigen, deinem G-tt, zu opfern“, wie Scha-ul zu Schmuel sagte.28 David sagte also: „Der mich vor deinem Vater erwählt hat“: Scha-ul, der der Vernunft folgte, ließ sich die Monarchie wegnehmen, und sie wurde ausdrücklich David gegeben, „um mich zum Herrscher zu ernennen.“29 Denn Davids Awoda war es, mit Kabbalat Ol zu dienen, wie es geschrieben steht: „Und David mein Diener.“30 Wenn man will, dass das Königtum Bestand hat, muss es Kabbalat Ol geben – „Und ich werde noch mehr erniedrigt werden ... und ich werde erniedrigt werden ...“, ohne jede Einschränkung von Seiten der Vernunft.31

XVI. Dies untermauert den chassidischen Brauch, der auch von den Rebbes befolgt wird, am Schabbat und an Feiertagen zu tanzen, in die Hände zu klatschen und so weiter. Angesichts eines talmudischen Urteils bedarf dieser Brauch aus halachischer Sicht einer besonderen Erklärung.32 Nichtsdestotrotz ist dies die allgemeine Praxis. Der „innere, tiefere Grund“ für diesen Brauch kann daher im Zusammenhang mit dem oben Gesagten erklärt werden:

Wir kommen dem Maschiach immer näher. Gleich nach dem Churban (Zerstörung des Bet haMikdasch) begannen wir, uns auf den Maschiach zuzubewegen, denn der Midrasch berichtet, dass es nur so lange dauerte, wie ein Ochse brüllt, bis der Erlöser Israels geboren wurde.33 So kommen wir jeden Augenblick der Zeit näher, in der „Mein Knecht David König über sie sein wird“ – über ganz Israel – „ein Fürst für sie in Ewigkeit.“34

So verhalten wir uns – wie es der Rambam vorschreibt – in der Art von „David, Meinem Diener“: „springend und tanzend vor dem Ewigen.“35

(Adaptiert aus einer Sicha gehalten am Schabbat Paraschat Schemini 5715)