XIV. Die vier Ausdrücke der Erlösung in dieser Sidra – „Ich werde herausnehmen … Ich werde befreien … Ich werde erlösen … Ich werde [euch zu Mir] nehmen …“ – entsprechen den vier Erlösungen aus dem ägyptischen Exil und den nachfolgenden Exilen.1 Dies deutet darauf hin, dass der daraufhin folgende Ausdruck „Und Ich werde euch bringen …“2 eine besondere, übergeordnete Qualität der Ära der zukünftigen Erlösung ist, die im Allgemeinen in Jemot haMaschiach (die Tage von Maschiach) und Chad Charuw (ein Jahrtausend der Verwüstung) usw. unterteilt wird.3

Die Tatsache, dass der Allmächtige diesen fünften Ausdruck im Kontext der Erlösung aus Ägypten erwähnte, zeigt, dass die zukünftige Erlösung mit all ihren Aspekten bereits mit dem Auszug begann. Der Rebbe, mein Schwiegervater, pflegte zu sagen, dass wir seit dem Auszug aus Ägypten auf dem Weg zur zukünftigen Erlösung sind.

XV. Die Gemara4 schreibt: „R. Jochanan sagte: ‚[Der Mensch haftet] für sein Feuer, denn es gilt als sein Pfeil.‘“ Das bedeutet, dass man, sobald man ein Feuer entfacht hat, für alle daraus entstehenden Schäden haftet.

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wäre er, wenn der Schaden durch das Feuer tatsächlich eintritt, wie jemand, der unter Zwang steht, der unvermeidbar daran gehindert wird, etwas dagegen zu tun. Warum sollte er dann haften?5 Die Haftung besteht jedoch dafür, dass er das Feuer entfacht hat – was eine freiwillige Handlung war. Denn jeder Schaden, der als Folge einer freiwilligen Handlung entsteht, ist davon bereits umfasst.

„Das Ausmaß der Güte oder der Belohnung übersteigt das der Strafe.“6 Wenn wir also im Falle einer Strafe sagen, dass der gesamte Schaden rückwirkend, vom ersten Moment des Anzündens des Feuers an, als bewirkt angesehen wird, dann müssen wir in einer positiven Situation, dem Fall der Belohnung, ebenso sagen: Von dem Moment an, in dem der Allmächtige versprach: „Und Ich werde euch in das gute Land bringen“ – was sich auf die höchste Stufe der zukünftigen Erlösung bezieht – ist dies bereits in Kraft.

XVI. Derselbe R. Jochanan sagte über das Fasten von Tischa beAw: „Hätte ich in jener Generation gelebt, hätte ich [die Trauer] auf den zehnten [Aw] festgelegt, weil der größte Teil des Heiligtums [am neunten Aw noch intakt war und erst] am zehnten [Aw] zerstört wurde.“7

Daraus ergibt sich die folgende Schwierigkeit. Wie bereits erwähnt, umfasst das Entzünden eines Feuers bereits die daraus resultierenden Schäden. Da der Tempel am neunten Aw angezündet wurde, müsste es nach R. Jochanans eigener Prämisse so aussehen, als ob der gesamte Schaden an diesem Tag entstanden wäre! Diese Prämisse bezieht sich jedoch nur auf menschliche Handlungen und nicht auf G-tt.

Der Unterschied ist offensichtlich. Ein Feuer zu entfachen, ist vergleichbar mit dem Abschießen eines Pfeils. Sobald der Pfeil die Hand verlassen hat, kann man ihn nicht mehr kontrollieren. Einen Pfeil abzuschießen oder ein Feuer zu entfachen, ist gleichbedeutend damit, dass man die daraus resultierenden Veränderungen bereits vorgenommen hat.

Doch das Feuer oder der Pfeil verlassen bei G-tt nie wirklich Seine „Hand“:8 Er hat immer die volle Kontrolle. Die letztendliche Wirkung ist also nicht von Anfang an vollendet, denn Er kann sie jederzeit widerrufen. R. Jochanan erklärt daher, dass das Fasten auf den zehnten Aw hätte festgelegt werden müssen. In der Tat war es so: „Du hast sie (Jeruschalajim) an Tischa beAw mit Feuer verbrannt“9, aber da G-tt jederzeit einen Widerruf zulassen kann, kann die Zerstörung an diesem Tag nicht als abgeschlossen betrachtet werden.

Im Umkehrschluss kann man in unserem Zusammenhang auf die gleiche Weise argumentieren: Der Allmächtige hat immer die volle Kontrolle: „Und wer wird zu Ihm sagen: ‚Was tust Du?‘“10 Die G-ttliche Verheißung „Und Ich werde euch bringen“ bedeutet also nicht, dass das Ergebnis notwendigerweise bereits eingetreten ist; denn solange es nicht tatsächlich realisiert ist, ist es noch nicht erreicht!

XVII. Dieses Gegenargument ist jedoch nicht haltbar. Denn G-tt widerruft und annulliert negative Dekrete, aber gute Dekrete bereut Er niemals:11 „Hat Er gesagt [und wird es nicht tun? Oder hat Er gesprochen] und wird ihm nicht Bestand geben?“12 Das G-ttliche Versprechen „Und Ich werde euch bringen“ ist ein positives Versprechen und kann daher nicht widerrufen werden. Daraus folgt, dass es sich sozusagen um ein verbindliches Versprechen handelt, vergleichbar mit einem Pfeil, der die Hand des Menschen verlassen hat.

Selbstverständlich ist die Idee des Zwangs oder der Einschränkung auf G-tt13 überhaupt nicht anwendbar und alles bleibt dem G-ttlichen Willen unterworfen. Da es jedoch Sein Wille ist, eine gute Absicht niemals zu widerrufen, muss dies notwendigerweise auch so geschehen. In Bezug auf G-tt gibt es ein solches Prinzip nur, weil Er es so will, also ganz und gar aus freiem Willen. Allein die Tatsache, dass es notwendig ist, ergibt sich aus Seinem Willen. In Bezug auf das Ereignis selbst ist es jedoch unvermeidlich, denn das Ereignis ist unwiderruflich. Bei der Betrachtung des Ereignisses verhält es sich also ähnlich wie bei einem Menschen, bei dem es unmöglich ist, den Pfeil zurückzunehmen, sobald er seine Hand verlassen hat.

XVIII. Im Kontext der Awoda bedeutet dies:

Die Erkenntnis, dass die Ge-ula (Erlösung) in ihrem optimalen Ausmaß bereits jetzt inhärent vorhanden ist und nur noch offenbart werden muss, macht es so viel einfacher, alle Hindernisse und Hemmnisse in dieser Welt im Allgemeinen und in der Ära der Galut im Besonderen zu überwinden – und ganz besonders in diesen letzten Generationen (Phasen) der Galut.

Zum einen sind alle Hindernisse auf dem Weg zu Tora und Mizwot letztlich unwirklich, nicht mehr als Verbergungen, die dem Zweck dienen, die verborgenen Fähigkeiten des Menschen für den G-ttlichen Dienst zu wecken.14

Da die Erlösung in der Tat bereits inhärent vorhanden ist, sind diese Verbergungen und Hindernisse gegenwärtig unwirklich, nicht existent.

Wenn wir erkennen, dass wir es mit einer bloßen Illusion zu tun haben (und daher von ihr unberührt sind und wir in der Tat mit Kraft für die Heiligkeit handeln werden), wird dies dazu führen, dass wir sogar mit den physischen Augen keine Verbergungen mehr wahrnehmen, bis zu dem Punkt, an dem wir erkennen, dass „Er es zum Guten getan hat“, und letztendlich sogar, dass „auch dies zum Guten ist.“15

(Adaptiert aus einer Sicha gehalten am Schabbat Paraschat Wa-era 5714)