I. Es gibt eine bekannte Maxime der Rebbes,1 der religiösen Oberhäupter von Chabad:2 Schabbat Bereschit beeinflusst das ganze Jahr, und der Ton, der am Schabbat Bereschit gesetzt wird, zieht sich durch das ganze Jahr.
Dies erfordert zunächst eine Erklärung. Was macht Schabbat Bereschit [den Schabbat, an dem der erste Abschnitt der Tora gelesen wird] so einzigartig? Warum sollte das nicht auch für den so wichtigen Tag von Matan Tora (der Übergabe der Tora) gelten? Im Übrigen sind all jene Sidrot, in denen nur bestimmte Mizwot und andere Konzepte erwähnt werden, die sich an keiner anderen Stelle der Tora wiederholen, nicht weniger wichtig für das ganze Jahr! Warum also ist Schabbat Bereschit so außergewöhnlich, dass man sagt, er allein bestimme die Qualität des ganzen Jahres?
II. Das Konzept „Im Anfang Bara (schuf ex nihilo, jesch me-ajin, aus dem absoluten Nichts3) G-tt die Himmel und die Erde“ impliziert,4 dass die Schöpfung notwendigerweise ein ständiger Prozess ist, der jede Minute und jeden Moment stattfindet. D. h., die einzigartige Neuheit der „Sechs Schöpfungstage“, nämlich die Umwandlung des ursprünglichen absoluten Nichts in materielles Sein, ist etwas, das jeden Moment weitergeht: Es gibt zu jeder Zeit ein neues Entstehen.
In diesem Sinne wird der Vers „Für immer, Ewiger, steht Dein Wort in den Himmeln“5 im Tanja ausführlich erklärt:6 Streng genommen ist jedes Geschöpf an sich schon jetzt reines Nichts, und seine Existenz beruht nur darauf, dass G-tt es immer wieder ins Dasein ruft. Daraus folgt, dass ihr letztendliches Wesen G-ttlichkeit ist.
III. Wir können nun verstehen, warum Schabbat Bereschit das ganze Jahr beeinflusst. Denn das Bewusstsein von Bereschit Bara (Im Anfang schuf Er) ist die eigentliche Grundlage der Awoda (des Dienstes an G-tt) des Menschen während des ganzen Jahres.
Wenn ein Jude seine weltlichen Angelegenheiten in Instrumente für die G-ttlichkeit umwandeln muss, mag er dies als eine schwierige oder gänzlich unmögliche Aufgabe betrachten, die der natürlichen Ordnung widerspricht. In Wirklichkeit aber gilt: „Für immer, Ewiger, steht Dein Wort in den Himmeln!“ D. h., es gibt letztlich keine eigenständige Welt, und alles existiert nur aufgrund der Zehn Fiats, durch die die Welt erschaffen wurde:7 „Und G-tt sprach: Es werde Licht“, und deshalb „ward Licht.“ Dies gilt natürlich für die gesamte Schöpfung. Der Heilige, gesegnet sei Er, schaute in die Tora (d. h. die Zehn Fiats) und schuf die Welt.8 Wenn man sich also daran erinnert und sich bewusst ist, dass die Existenz und Realität der Welt von den Zehn Fiats in der Tora abhängt,9 erkennt man, dass die Welt unmöglich ein Hindernis für die Mizwot sein kann. Denn dieselbe Tora sagt auch: „Ich bin der Ewige, dein G-tt“10 und spricht über alle 613 Mizwot.
Wenn der Mensch die Tora als die wahre Realität der Welt akzeptiert, wird er dazu bewegt werden, Sprüche unserer Weisen, einen Psalm, ein Kapitel der Mischna oder ein Kapitel aus dem Buch Tanja zu rezitieren, selbst wenn er auf der Straße geht und seinen persönlichen Beschäftigungen nachgeht.11 Jede gute Tat seinerseits wird die Waage für die ganze Welt auf die Seite des Verdienstes neigen.12 Mit anderen Worten: Wenn der Mensch die innere Bedeutung von Bereschit Bara erkennt und darüber nachdenkt, wirkt sich das auf die gesamte Schöpfung aus, auf die Gesamtheit von „Himmel und Erde und all ihre Heerscharen.“
IV. Die Maxime „Schabbat Bereschit beeinflusst das ganze Jahr“13 bedeutet also, dass dieser Schabbat sich auf alle Angelegenheiten bezieht, ob geistig oder körperlich.
Das Wissen und das Bewusstsein „Für immer, Ewiger, steht Dein Wort in den Himmeln“ bezieht sich nicht nur auf die Anbetung des Menschen, auf seine spirituellen Angelegenheiten, sondern befreit ihn auch von der Sorge um physische Angelegenheiten. Jede Sorge um seine Bedürfnisse in Bezug auf „Kinder, Leben und Unterhalt“14 wird dadurch verursacht, dass er kurzzeitig vergisst, dass alles von G-tt kommt, wie im Buch Tanja erklärt wird.15
Sich daran zu erinnern, dass alles von G-tt kommt, bedeutet auch zu wissen, dass „kein Böses von Ihm kommt“16, sondern nur Gutes, und das schließt jede Sorge aus. Wenn man sich dieser Tatsache bewusst wird, kann man sogar mit dem physischen Auge sehen, wie der eigene gegenwärtige Zustand tatsächlich gut ist, in einer ganz offensichtlichen und greifbaren Form von Güte.
(Adaptiert aus einer Sicha gehalten am Schabbat Paraschat Bereschit 5716)
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