Der Talmud erzählt unter anderem über die Ereignisse von Chanukka wie folgt: „Als die Griechen in den Tempel kamen, verunreinigten sie alle Krüge mit Öl.“1 Die Griechen berührten das Öl in den Krügen und verunreinigten es dadurch. Welche Absicht verfolgten die Griechen damit? Wenn sie die G-ttesarbeit im Tempel unterbrechen wollten, indem die Menora nicht mehr gezündet werden konnte, hätten sie das reine Öl nicht nur verunreinigen, sondern gänzlich vernichten müssen.

Außerdem hatten die Griechen von dem Verunreinigen des Öls allein überhaupt keinen Nutzen, denn die Halacha2 legt fest, dass für das Wohl der Gemeinschaft die Unreinheit aufgehoben wird. Das heißt, die Unreinheit ist kein Hindernis mehr, sobald die Gemeinde eine Mitzwa, wie das Entzünden der Menora, vollbringen muss. In Anbetracht dessen ist der weitere Verlauf der Chanukkageschichte fragwürdig: Wozu vollbrachte G-tt das Wunder mit dem versiegelten Ölkrüglein, dessen Öl für ganze achte Tage brannte, obwohl man die Menora auch mit unreinem Öl hätte zünden können? Denn bekanntlich vollbringt G-tt keine Wunder, wenn sie nicht notwendig sind.3

Die Thora ist das Wort G-ttes

Durch das Verunreinigen des Öls drückten die Griechen ihre wahre Absicht aus, und es bedurfte eines Wunders, um ihre Absicht zu vereiteln. In der jüdischen Symbolwelt steht Öl für Weisheit. Als die Griechen das Öl nicht vernichteten, aber verunreinigten, gaben sie zu verstehen, dass das jüdische Volk die Thoralehre beibehalten durfte, jedoch sollte das „Öl“ unrein sein. Die Griechen, welche die Philosophie und Wissenschaft hoch schätzten, sahen auch in der Thora eine große Quelle der Weisheit, und sie wollten, dass auch die Juden die Thora nur als eine Weisheit betrachten, wie jede andere, ganz und gar frei von jedem g-ttlichen, übernatürlichen Aspekt.

Diese tiefgründige Absicht der Griechen kommt in Versen des Chanukka-Gebets zum Ausdruck, wie „Sie wollten Deine Thora in Vergessenheit bringen“. Es heißt nicht „die Thora in Vergessenheit bringen“, sondern „Deine Thora“. Denn die Griechen störte nicht das Studium der Thora an sich, doch sie wollten, dass der Bezug dazu wie zu jeder anderen Weisheit ist. Sie wollten uns vergessen lassen, dass die Thora das Wort G-ttes ist – „Deine Thora“.

Die Mitzwot sind der Wille G-ttes

Diese Absicht verfolgten sie auch bei den Mitzwot, wie wir im Chanukka-Gebet sagen: „Sie wollten die Juden von Deinen Chukim (Mitzwot) abbringen“. Die Griechen widersetzten sich dem g-ttlichen Aspekt der Mitzwot; dass die Mitzwot der Wille G-ttes seien und wir uns durch sie an G-tt binden können, konnten sie nicht akzeptieren.

Doch der Ausspruch „Sie wollten die Juden von Deinen Chukim (Mitzwot) abbringen“ ist noch viel tiefgründiger. Die Griechen widersetzten sich den Chukim, das sind jene Mitzwot, die von unbegreiflicher Natur sind, wie die Gesetze der Kaschrut. Doch auch die Griechen sahen ein, dass der menschliche Verstand begrenzt ist und es Phänomene gibt, die er nicht begreifen kann. Deshalb akzeptierten sie diesen Umstand, doch meinten, dass ein höherer Verstand sie erfassen könnte. Es müsste für alles eine Erklärung geben, auch wenn des Menschen Verstand zu klein ist sie zu begreifen. Die jüdische Einstellung ist jedoch, dass die Mitzwot „Deine Chukim“ sind – nämlich der g-ttliche Wille, der keiner Ursache und keinem Grund unterliegt. Die Mitzwot sind nicht nur Chukim, womit man interpretieren könnte, dass wir sie nicht verstehen, sie aber dennoch einen Grund haben, sondern sie sind „Deine Chukim“ – sie sind wie G-tt über jedem Verstand.

Hilfe von „oben“

Die Juden waren sich über die wahre Absicht der Griechen bewusst, dass sie das Herz des jüdischen Glaubens antasten wollten. Deshalb zogen sie kompromisslos gegen die griechische Großmacht in den Krieg, der auf natürliche Weise im Vorhinein verloren war. Und dann vollbrachte ihnen G-tt ein Wunder, ließ sie den Krieg gewinnen und bescherte ihnen ein reines Ölkrüglein, das ganze acht Tage brannte, sodass der jüdische Glaube in seiner Reinheit auf keinen Fall angetastet werden sollte.

(Likutej Sichot, Band 35, Seite 174; Igrot Kodesch, Band 2, Seite 183)