„Einer meiner Schüler“, erzählte Rabbiner Chaim Schwarz, „kam einmal nach dem Unterricht zu mir und sagte, dass seine Eltern mich dringend sprechen wollen. Ich war natürlich einverstanden und ließ ihnen mitteilen, dass sie noch am selben Abend zu mir nach Hause kommen könnten. Als sie kamen, brach die Mutter gleich in bitteres Weinen aus, noch bevor sie irgendetwas sagen konnte. Ihre ältere Tochter hatte seit Längerem einen nichtjüdischen Freund und nun machten sie ernst und wollten heiraten. Sie ließ sich davon nicht mehr abbringen. ,Wenn meine Tochter mit einem Nichtjuden heiratet, ist es nicht mehr wert zu leben‘, jammerte sie. ,Da Sie der Direktor der Schule meines Sohnes sind, und wir Ihnen voll vertrauen, bitte ich Sie inständig mit meiner Tochter zu reden, und sie von ihrem Irrsinn abzubringen!‘
Ich gab sofort mein Einverständnis und noch am selben Abend rief ich die Tochter an, um mich mit ihr zu treffen, doch sie wollte von mir nichts hören und legte in ihrer Frechheit einfach den Hörer auf. Aber ich ließ nicht locker und versuchte es erneut, doch vergebens. Am nächsten Tag bat ich die Mutter um die Adresse der Tochter und begab mich dorthin. Als ich vor ihrer Tür stand, war sie anständig genug, mich eintreten zu lassen und ich begann ihr zu erklären, wie katastrophal ihre Absicht wäre, und sie ihren Eltern damit großen Kummer bereite. Doch wie viel ich auch auf sie einzureden versuchte: Es nützte gar nichts. Nach zwei Stunden verließ ich die Wohnung ohne Erfolg. In meiner Ratlosigkeit wandte ich mich an den Lubawitscher Rebben. Ich bin zwar kein Chabad-Chassid, sondern gehöre zu den Munkatscher-Chassidim, doch der Rebbe und ich haben eine lange Bekanntschaft, noch bevor er 1951 zum Lubawitscher Rebben wurde. Das erste Mal traf ich ihn im Jahre 1947. Damals riet mir der Rebbe nach Brasilien zu fahren, um dort die jüdische Gemeinde zu stärken, welche nach dem Krieg für viele jüdische Flüchtlinge ihre neue Heimat wurde. Ich befolgte den Rat des Rebben und gründete in Brasilien eine jüdische Schule, in welcher im Laufe der Jahre unzählige Juden eine jüdische Erziehung erhielten und so vor der Assimilation bewahrt wurden. Ich blieb mit dem Rebben in engem Kontakt, und seine Ratschläge standen mir stet bei.
So rief ich auch dieses Mal den Sekretär des Rebben, Rabbi Chadakov, an und erzählte ihm von meinem Anliegen, mit der Bitte um des Rebben Rat. Der Sekretär bat mich, in der Leitung zu bleiben und nach wenigen Minuten sagte er: ,Der Rebbe ordnet an, dass Du dem Mädchen sagen sollst: Es gibt in New York einen Juden, der nachts nicht einschlafen kann, weil sie mit einem Nichtjuden heiraten soll!‘ Im ersten Moment verstand ich nicht, was der Sekretär meinte und fragte unüberlegt, wie denn jener Jude hieße. Da hörte ich auf einmal die Stimme des Rebben in der Leitung: ‚Er heißt Mendel Schneerson!‘
Damit war das Gespräch beendet. Ich war etwas verwundert, wie diese Botschaft das Mädchen von ihrer Absicht abbringen sollte. Ihr war doch sogar der Kummer ihrer Eltern egal, warum sollte es sie daher interessieren, dass der Rebbe wegen ihr nicht schlafen kann?! Während ich in Gedanken vertieft war, läutete plötzlich das Telefon. Rabbi Chadakov war wieder in der Leitung: ,Gerade eben ordnete mir der Rebbe an, Dir zwei Dinge auszurichten. Erstens, ein Schaliach (des Rebben Gesandter) muss seine Mission in vollkommenem Vertrauen und nicht mit Zweifel erfüllen; und zweitens kannst Du dem Mädchen ausrichten, dass sie diesen Juden aus New York sehr gut kennt.‘
Nun war gänzlich verblüfft und konnte es kaum abwarten, mich mit dem Mädchen zu treffen. Ich ging sogleich zu ihr nach Hause, doch niemand war da. So hinterließ ich ihr einen Zettel mit der Botschaft, dass ich sie dringend sprechen musste und meiner Telefonnummer. Am nächsten Morgen rief sie mich an. Ich sagte ihr, dass ich eine dringende Botschaft für sie hätte. Am Anfang wollte sie gar nicht zuhören, da sie überzeugt war, ich würde wieder versuchen sie zu überreden, sich von ihrem Freund zu trennen. Doch nachdem ich sie überzeugen konnte, wie kritisch und geheimnisvoll jene Botschaft sei, war sie mit einem letzten Treffen noch am selben Tag einverstanden.
Als wir uns trafen, übermittelte ich ihr genau die Worte des Rebben: ‚Es gibt einen Juden in New York, der nachts nicht schlafen kann, weil Du mit einem Nichtjuden heiraten möchtest!‘
Da fragte sie: ‚Wer ist dieser Jude?‘
‚Der Lubawitscher Rebbe!‘
Das Mädchen stand erbost auf und fauchte mich an: ,Dafür wolltest Du mich treffen!? Das nennst Du dringend?! Wer ist überhaupt der Lubawitscher Rebbe, und was interessiert er mich!?‘
Ich erwiderte gleich: ‚Er sagte, dass Du ihn kennst!‘.
,Ich habe nie von ihm gehört!‘
Doch ich konterte: ,Ich bin sicher, dass Du ihn kennst. Wenn der Rebbe gesagt hat, Du kennst ihn, musst Du ihn kennen!‘
,Wie schaut er aus‘, frage sie.
Ich suchte bei mir Zuhause ein Bild vom Rebben, und zeigte es ihr. Da wurde sie blass vor Schreck. Schließlich begann sie zu stottern: ,Schon zwei Nächte erscheint mir dieser Mann im Traum und fleht mich an, nicht mit meinem Freund zu heiraten. Ich ignorierte es, denn ich war davon überzeugt, dass diese Träume erschienen sind, weil ich über unser Gespräch nachgedacht habe. Doch jetzt erkenne ich, dass die Botschaft echt ist!‘
Rabbi Schwarz beendete seine Geschichte: „Sie verließ natürlich ihren nichtjüdischen Freund!“
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