Zugegeben, jeder jüdische Feiertag beruht auf der selben Geschichte ("Sie haben versucht uns umzubringen, G-tt hat uns gerettet, lasst uns essen!). Jedoch für jeden Feiertag wird diese Geschichte anders erzählt.
Manche Wunder G-ttes sind atemberaubend spektakulär. Wie zum Beispiel, das Meer zu teilen, Manna vom Himmel fallen zu lassen und die Sonne in ihrem Lauf aufzuhalten. Das sind heroische Zurschaustellungen übernatürlicher Kräfte, die nur der Herr des Universums bewerkstelligen konnte. Es wirkt, als ob er ein großes Historienbild gemalt hätte und in der Mitte mit seinem Namen in einem fluoreszierenden Orange unterschrieben hätte: "Ich bin der Herr, euer G-tt."
Und dann gibt es Wunder wie Purim – unaufdringlich, bescheiden, ohne großes Getöse, völlig eingebettet in die Ebbe und Flut der Wandels von Natur und Gesellschaft. Wie ein anonymer Wandteppich webt die Schriftrolle Esthers – die Megilla – ein verwickeltes, lebensnahes Drama, das kein einziges Mal den Namen G-ttes erwähnt, so gut verborgen ist Seine Einwirkung in dieser Geschichte.
Merkwürdig, nicht wahr? Ein Buch der Bibel und nicht eine einzige direkte Erwähnung G-ttes? Warum ist das so? Vielleicht können wir diese Frage durch eine andere Frage beantworten. (Warum beantwortet ein Jude eine Frage mit einer anderen Frage? Warum nicht?)
Wenn man zuhört, wie die Megilla an Purim gelesen wird, muss man achtgeben, kein Wort zu überhören. In der Tat entgeht einem hier alles, wenn einem auch nur ein einziges Wort entgeht. Das ist ganz anders als die Lesung der Tora, in der jedes Wort eine andere Mizwa ist. Aber warum ist die Megilla anders?
Das Wunder des Purim ist kein bestimmtes singuläres Ereignis. Es liegt vielmehr darin, wie alle Details zusammenhängen.
Wie wendete sich das Blatt zugunsten der Juden in der Geschichte von Purim? Es begann, als der König zufällig mitten in der Nacht erwachte. Hierdurch erfuhr er, dass Mordechai einen Plan, den König zu ermorden aufgedeckt hatte, aber nie dafür belohnt worden war. Dies veranlasste den König, Haman zu sich zu rufen, welcher in der Halle wartete, um Erlaubnis zu erhalten Mordechai dafür hinrichten zu lassen, dass er sich nicht vor ihm gebeugt hatte.
Eine Folge von völlig alltäglichen Ereignissen läuft ab und das verblüffende Ergebnis ist, dass der Vizekönig Haman in Ungnade fällt und schließlich an dem selben Galgen gehängt wird, welcher für Mordechai vorgesehen war. Mordechai wird zum Vizekönig ernannt, der Tag, der für die Vernichtung des gesamten jüdischen Volkes vorgesehen war wird zu dessen Nationalfeiertag und das Leben kehrt wieder in seine normalen Bahnen zurück.
Aber wo ist das Wunder? In der Megilla, der gesamten Geschichte. Wir müssen auf jedes Wort hören, weil jedes Detail zählt.
Für mich ist die Botschaft von Purim: Es gibt nichts Natürliches an der Natur. Zufällige Prozesse sind nichts weniger als zufällig, und die Natur ist nur G-ttes Weise, alles bis ins Detail zu regeln ohne dass es auffällt. Wir leben unser Leben, als ob dessen Ereignisse nicht untereinander verbunden wären, als ob G-tt ein passiver Zuschauer wäre, der vielleicht gerade noch irgendwo auf Wolke Neun dem Spiel zusieht, während wir in der wirklichen Welt im Flipper des Lebens herumgeschossen werden und hoffen, dass wir im Spiel bleiben. Das ist aber nicht, was wirklich passiert.
In Wirklichkeit ist das Leben ein unaufhörlicher Dialog mit G-tt. Jedes kleinste Ereignis ist Teil eines interaktiven Gesamtplans, der ein bestimmtes Ziel hat und seiner eigene Logik folgt, jedoch subtil auf unserer Handlungen reagiert und die Welt als Konsequenz dieser Handlungen verändert.
Diese Ebene g-ttlicher Intervention ist weitaus beeindruckender als die haarsträubenden, meeresteilenden Eingriffe abenteuerlicher Art. Sie ist subtiler, vielfältiger und tiefergehender als ein spektakuläres Wunder.
Und es überlässt es unserer freien Wahl, zu glauben oder nicht, Erfolg zu haben oder nicht. Keine übermächtige Präsenz G-ttes, der einem im Nacken sitzt.
Dies hilft uns bei der Antwort auf unsere erste Frage – warum wird sein Name nicht erwähnt? Die Kraft des Purim ist eine g-ttliche Eigenschaft, die so erhaben ist, dass sie sich der Definition durch jeglichen Namen widersetzt. So wenig wie wir das Wunder mit Händen fassen können, so wenig können wir die g-ttliche Eigenschaft mit Händen fassen, die es geschehen lässt.
Es lässt sich in zwei Worten zusammenfassen: Megillat Esther. Der jüdische Name des biblischen Buches, das die Ereignisse dieses Festtags berichtet, enthält das Geheimnis der Kraft des Purim. "Esther" bedeutet Verbergung, die verborgene, namenlose Ebene der G-ttlichkeit jenseits unserer Verstandeskräfte. "Megilla" hat die entgegengesetzte Bedeutung - Offenbarung. Nehmen Sie beide zusammen und sie erhalten die paradoxe Realität des jüdischen Lebens – eine unmögliche Aufgabe, welche trotzdem erfüllt wird – das Wesen G-ttes in der alltäglichen Welt zu enthüllen.
Das gibt uns den Schlüssel zur Lösung eines anderen Purim Rätsels.
Maimonides schreibt, dass, wenn der Messias kommt, alle der 24 Bücher von Tanach null und nichtig werden mit Ausnahme der fünf Bücher Mose und der Megillat Esther. Warum ist dieses Buch anders als alle anderen Bücher?
Das Anzeichen der Messianischen Ära (möge sie ohne Aufschub kommen!) ist die Erfüllung des Ziels, das G-tt mit der Schöpfung der Welt verfolgte: die profane Welt zu seinem Heim zu machen, in welchem sich sein Wesen enthüllen wird. Purim ist ein Vorgeschmack, eine Feier der Enthüllung des Wesen G-ttes. Indem wir durch unsere Purim-Feierlichkeiten auf dieses Wesen zu gehen, aktivieren wir heute die Offenbarungen des Wesens das uns für morgen verhießen ist. Lechaim!
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