Bevor Rabbi Schlomo von Karlin starb, gab er bekannt, dass seine Schüler künftig bei Reb Mordechai von Nischitz studieren sollten. Da jeder seiner Schüler nach dem Tod ihres Lehrers nach Karlin kam, erhielten alle diese Anweisung und machten sich auf den Weg nach Nischitz. Einer dieser Schüler war Reb Uri, den man „den Eifrigen“, nannte, weil er G-tt innig liebte und ein hitziges Temperament hatte. Als er ankam, empfing Reb Mordechai gerade Gäste. Dank seiner spirituellen Einsicht erkannte Reb Uri, dass sich unter den Gästen ein Mann befand, vor kurzem eine schwere Sünde begangen hatte. Aber er war nur da, weil er einen geschäftlichen Rat brauchte und sich segnen lassen wollte.

Reb Mordechai empfing diesen Mann herzlich. Während sie sich unterhielten, merkte er, dass Reb Uri vor Wut kochte. Der Schüler dachte: „Wie kann dieser Mann es wagen, ohne Reue zum Rebbe zu gehen?“ Aber bevor er etwas sagen konnte, befahl ihm Reb Mordechai, den Raum zu verlassen. Dann setzte er das Gespräch mit seinem Gast vor.

Reb Uri war zornig darüber, dass der Mann, von dem er hoffte, er werde sein neuer spiritueller Lehrer werden, ihn weggeschickt hatte. Er ging in eine Synagoge, um nachzudenken. Bald darauf ließ Reb Mordechai ihn rufen. „Meinst du nicht, dass ich gesehen habe, was du gesehen hast?“ fragte er Reb Uri. „Ich wusste auch von er schweren Sünde des Mannes. Doch eben deshalb hat Reb Schlomo dich zu mir geschickt: Du sollst lernen, deine Nächsten zu lieben. Wenn deine Liebe nicht so stark ist, dass du selbst einen Sünder umarmst, ist das ein Fehler. Mehr noch – Liebe ist die beste Methode, jemanden zur Reue zu veranlassen. Wenn du einem Sünder mit Liebe begegnest, ändert er sein Verhalten.“

Reb Uri konnte hinter der äußeren Erscheinung des Sünders die spirituellen Fehler sehen; aber Reb Mordechai schaute noch tiefer. Er sah den g-ttlichen Kern in dem Mann und wusste, dass er noch ein guter Mensch werden konnte.