Wenn Sie eine Welt erschaffen möchten, wäre die erste Sache, die Sie beherrschen müssten: Zimzum. Denn Zimzum besteht darin, in einer Weise während Ihrer Abwesenheit anwesend zu sein. Wenn Sie das einmal fertiggebracht haben, zusammen mit der Schöpfung von etwas aus dem Nichts heraus, ist alles andere nur ein Kinderspiel.

Die buchstäbliche Bedeutung von Zimzum lautet Verminderung oder Herabsetzung. Für den Kabbalisten ist Zimzum die Verminderung der G-ttlichen Energie, die die Welten erschafft – ähnlich zum Transformator, der die Eingangsspannung des elektrischen Stroms vermindert, der den Generator verlässt, bis sie schwach genug ist, damit eine normale Glühbirne sie verarbeiten kann. So muss auch die G-ttliche Energie verringert werden, damit die erschaffenen Welten sie verarbeiten können.

Zimzum ist auch dem Herunter-Drehen der Verstärker einer Qualitätsstereoanlage vergleichbar: Wenn es gute Lautsprecher sind, geht keines der Tonsignale verloren, nur dass viel davon für unsere Ohren unhörbar wird. So gilt auch, dass je mehr Zimzum angewendet wird, desto weniger wird die daraus resultierende Welt sich der G-ttlichen Energie bewusst sein, die sie erschafft und aufrechterhält. Verformungen und Verfälschungen des Lichts können ebenfalls auftreten, doch das ist bereits ein Thema für einen weiteren Aufsatz.

Kabbalisten beschreiben unzählbare Zimzumim dieser Art, die unzählige Welten erzeugen. Unsere Welt ist die Endstation, da der Zimzum in diesem Augenblick so drastisch ist, dass die G-ttliche Energie fast nicht wahrnehmbar wird. Daraus ergibt sich, dass unsere Welt erschaffene Wesen enthält, die fühlen, dass sie hier sind nur weil sie hier sind und keine weiteren Fragen stellen betreffend ihrer Existenz. Ein Zimzum mehr und nichts könnte mehr existieren. Existenz verlangt eine gewisse Verbindung zur ursprünglichen Quelle von allem, also zum Schöpfer.

Es gibt auch eine andere Art von Zimzum, die durch den Meister-Kabbalisten, Rabbi Isaac Luria, bekannt als "der Ari", beschrieben wurde. Es ist der primäre Zimzum und er unterscheidet sich von allen anderen Zimzumim.

Wie die irrationale Zahl Pi verwandelt der primäre Zimzum einen unendlichen Kreis in eine abgemessene Linie. Der Ari beschreibt einen anfänglichen, vor dem Beginn der Schöpfung einsetzenden Zustand des unendlichen Lichts, indem es keinen Platz gab, irgendetwas zu tun. Vor der Schöpfung jeglicher Welten hat der Schöpfer diese Energie ganz zurückgezogen, was in einer völligen Leere, geprägt von der Abwesenheit des unendlichen Lichts, resultierte. Erst dann hat Er in diese Leere hinein eine abgemessene Lichtlinie dieses unendlichen Lichts gestrahlt, mit der Er unzählige Serien von Welten produzierte.

Zimzum ist in diesem Fall die Art und Weise, auf die G-tt für uns Platz macht, so dass wir unsere eigene Welt haben können. Er versteckt Sein Licht vor uns, so dass wir unsere eigenen Entscheidungen treffen können. Doch bleibt Er unmittelbar anwesend in diesem Versteckt-Sein. Auf eine gewisse Weise ist Er sogar noch gegenwärtiger in Seiner Abwesenheit als in Seiner Gegenwart.

Zimzum ist die Art und Weise auf die G-tt für uns Platz macht, so dass wir unsere eigenen Wahlen treffen können

Nun, das klingt ziemlich paradox. Wir können vom Schöpfer schließlich nicht erwarten, dass Seine Handlungen gemäß dem begrenzten Verständnis Seiner Geschöpfe Sinn ergeben sollen. Doch ein Gleichnis wird helfen, diese Idee wenigstens innerhalb der Reichweite des menschlichen Verstands zu bringen. Es ist ein Gleichnis zum Gleichnis selbst.

Der Weise und das Kind

Um dieses Gleichnis zu erfassen, stellen Sie sich als einen älteren, weisen Lehrer vor, der versucht, einen frischen, jungen Schüler zu unterrichten. Sie haben tiefgründige Erkenntnisse zu bieten, Erkenntnisse, die Sie durch lange Bemühungen erlangt haben, indem Sie in Ihrer Jugend erleuchteten Weisen zu Füßen gesessen sind und jedes ihrer Worte durstig aufgenommen haben. Durch Jahre der eingehenden Betrachtung dieser Worte, zurückgezogen von jeder Störung, eingebettet in klaren Gedanken. Durch Ihre zahlreichen Reisen und Erfahrungen und durch jene Tage, wo sich der Himmel Ihnen öffnete und Sie mit plötzlicher Deutlichkeit sahen, wie alle Stücke zusammenpassen und ein einziges, einfaches Ganzes ergaben.

Sie möchten das Ihrem jungen Schüler weitergeben – doch wie können Sie das tun? Dieser Jüngling lebt in einer Welt, die sich völlig von der Ihrigen unterscheidet, kennt keine Ihrer Erfahrungen, hat niemals die Tiefgründigkeit der Erkenntnis gekannt, die Sie durch stundenlange, unendliche Meditationen über ein einziges Thema erreicht haben. Wenn Sie nun Ihr ganzes Wissen vor ihm ausschütten, wird Ihr Schüler nichts weiter gewinnen als einen Schock und große Verwirrung.

Doch muss es da einen Weg geben. Sie fangen an, tiefgründiger über diese Weisheit nachzudenken, die Sie zu übermitteln versuchen, intensiver als sie es je getan haben. Sie suchen ihr wahres Wesen, den Punkt, von dem aus sie sich erstreckt. Doch um das zu tun, müssen Sie die Form, die diese Weisheit in Ihrem eigenen Verstand einnimmt, übersteigen indem Sie den Zusammenhang Ihrer eigenen Gedanken und Ihrer eigenen Welt abschütteln, so dass Ihnen nur noch der Kern bleibt, der wesentliche, null-dimensionale, einfache Punkt.

Um den wesentlichen Punkt zu finden, müssen Sie sich abseits halten

Wenn Sie diesen Punkt isoliert haben, schauen Sie auf die Welt Ihres Schülers – nicht wie der Schüler hier mit Ihnen sitzt, sondern wie der Schüler seine eigene Welt versteht und das Leben aus seiner eigenen Perspektive erlebt.

Erst dann können Sie von diesem wesentlichsten Punkt, den Sie gefunden haben, aus eine Linie ziehen, die bis in die Welt des Schülers hinunter reicht. Sie werden versuchen so zu denken, als ob Sie den Verstand des Schülers dazu benutzen würden und nicht den eigenen. Sie werden Wege suchen, durch die der Schüler diesen Punkt selbst erfassen könnte. Jedes Mal wo Sie eine Methode finden, diese Weisheit zum Ausdruck zu bringen, werden Sie sich damit nicht zufriedengeben. Sie werden immer weitere Wege finden, diesen Punkt noch weiter herabzusetzen und ihn näher und näher an die Welt Ihres Schülers zu bringen.

Doch die Arbeit ist immer noch unvollständig. Das Problem ist, dass dieser Punkt trotz dieser ganzen Herabsetzung immer noch eine Idee bleibt. Der Schüler lebt nicht in einer Welt der Ideen. Der Schüler lebt in einer Welt konkreter Gegenstände, die er berühren kann, Menschen, die er erkennen kann und Ereignissen, mit denen er vertraut ist.

So gibt es noch einen weiteren Schritt, den zu machen für Sie unumgänglich ist: Eine Parabel erarbeiten. Eine Parabel wird Ihre Idee in die Werkzeuge der Welt dieses Schülers kleiden. Sie werden eine Geschichte erfinden, die der Schüler leicht mitverfolgen kann, und die ihm im Gedächtnis bleiben wird, die er sofort verstehen kann und die ihn dazu anspornen wird, sie weiter zu erforschen. Ihre Ideen müssen seinen eigenen Bereich betreten, indem er sie erleben kann, doch nicht als Ideen, sondern als Elemente einer Geschichte, die sich in seinem eigenen Leben ereignen könnte.

Wenn Sie dieses Gleichnis durchdenken, finden Sie in jedem Detail alles was Sie unterrichten wollen. Für Sie, den Lehrer, gibt es kein richtiges Gleichnis sondern nur Ihre Gedanken, die in der Form einer Geschichte erzählt werden.

Doch für den Schüler gibt es keine Idee, sondern nur eine Geschichte. Und so soll es auch sein. In einer ersten Phase.

Nun müssen Sie, der gelehrte Lehrer, ihren Schüler selbstständig handeln lassen. Falls er ein seriöser Student ist, wird er diese Geschichte mehrmals durchdenken. Wenn er im Verlauf der Zeit mehr Kenntnisse, Erfahrungen und Weisheit gewinnt, wird er anfangen, die Geschichte zu enträtseln, das Gleichnis zu verstehen und die Erkenntnis, die sich darin versteckt schichtweise aufzudecken. Bis er nach etwa vierzig Jahren intensiver Suche nach Wahrheit anfängt, diese Weisheit so zu verstehen, wie sie sein Lehrer einst verstand.

In der Tat lebte der Lehrer die ganze Zeit über in ihm.

G-tt in dunklen Orten

Was taten Sie, der Lehrer? Sie haben Zimzum angewendet. Sie haben einen Weg gefunden, das Paket Ihrer Kenntnis so herabzusetzen, dass es in die Welt Ihres Schülers hineinpasste. Doch um das zu tun, mussten Sie zuerst Ihr eigenes Selbst ausschließen. Erst dann waren Sie dazu imstande sein, einen Punkt der Erkenntnis zu finden, abgestreift von Ihrem eigenen Verständnis.

Doch selbst dann, um diesen Punkt in die Welt Ihres Schülers zu bringen, mussten Sie Ihren Verstand wiederholt beiseiteschieben und mit dem Verstand denken, den Sie erreichen wollten.

In der Gegenwart Ihrer eigenen Gedanken gab es keinen Platz für die Gedanken Ihres Schülers. Doch indem Sie sich selbst überstiegen, haben sie etwas von sich selbst weitergegeben, so dass Sie jetzt, in Ihrer Abwesenheit in Wirklichkeit dort sind.

Indem Sie sich überstiegen haben, haben Sie etwas von sich selbst weitergegeben

Genauso legt auch der Schöpfer Sein unendliches Licht beiseite und macht Platz für eine Schöpfung – für uns erschaffene Wesen. Doch die eigentliche Leere dieses Raumes ist auch Er und für Ihn scheint das Licht gleichstark weiter wie zuvor.

Sicher gibt es Unterschiede. Sie hatten einen Schüler. Der Schöpfer fing mit nichts an. Er musste sogar den Schüler selbst heraufbeschwören. Sie gaben ihm nur einen Teil Ihres Verstandes. Der Schöpfer gibt von Seinem eigenen Wesen und Sein.

Das nächste Mal, dass Sie fühlen dass Sie im Dunkeln tappen, von Neuem aufstehen und von vorn anfangen müssen, schwere Entscheidungen treffen und sich schaurigen Herausforderungen stellen – betrachten Sie Ihr Leben und Ihre ganze Welt in jenen Augenblicken als nichts weiter und nichts weniger als ein Gleichnis. Ein tiefgründiges, reiches Gleichnis. Und in diesem Gleichnis, in jedem Detail versteckt sich G-tt selbst.

In auffälligster Weise, in den dunkelsten Ecken: Im Zimzum.