Ein Rabbiner sehnte sich seit Langem danach, im Heiligen Land zu leben, und jetzt war seiner Meinung nach die Zeit dafür gekommen. Er wusste nicht, wie er nach Israel übersiedeln konnte; aber G–tt würde ihm gewiss helfen. Eine Reise zum großen Zadik Reb Meir von Premischlan und dessen Segen würden sein Vorhaben sicherlich fördern. Also packte er seine Sachen und brach zu Fuß auf.

Als er in Premischlan ankam und in Reb Meirs Zimmer geführt wurde, fragte ihn der Zadik: „Wie willst du das Geld für deine Reise beschaffen?“

Der Rabbi antwortete: „Ich habe viele Verwandte, und wenn ich ihnen mein Anliegen erkläre, helfen sie mir bestimmt.“ Reb Meir schien in Gedanken versunken zu sein. Nach einer Weile sagte er: „Es würde viele Monate dauern, so viel Geld zu sammeln. Verbringe diese Zeit lieber mit dem Studium der Tora. Bleib hier, und du bekommst das Geld, das du für die Reise brauchst, und obendrein Geld für ein neues Heim.“

Natürlich war der Rabbi einverstanden. Als das Gespräch beendet war, verabschiedete Reb Meir seinen Gast nicht, sondern rief den nächsten Besucher herein. Dieser war sehr reich, und als er eintrat, sagte Reb Meir: „Ich möchte dir eine Geschichte erzählen, die auch der Rabbi hören soll, weil sie für euch beide bedeutsam ist.

Ein Mann namens Mosche war sehr reich, aber grausam und egoistisch. Obwohl G–tt ihm Reichtum geschenkt hatte, war er der geizigste Mensch, den man sich denken kann. Wenn ein Armer an seine Tür klopfte und um Essen oder Geld bat, wurde er wütend und beschimpfte den Bittsteller. „Wofür hältst du mich?“, schrie er. „Für die Wohlfahrt? Verschwinde, bevor ich die alle Knochen breche!“

Meist gingen die Leute dann zu Mosches Nachbar Reb Matisjahu, der alles andere als reich, aber gütig und großzügig war und keinen Juden in Not fortschickte. Das alles geschah im Laufe der Jahre viele Male, und Reb Matisjahu enttäuschte die Armen nie. Nun sollte man meinen, Mosche hätte einen schlechten Ruf gehabt; aber da er reich war, gab es immer Leute, die ihn lobten und sich davon einen Vorteil versprachen.

Reb Matisjahus unermüdliche Hilfsbereitschaft blieb unbemerkt, denn er war ja ein netter Mensch, von dem man nichts anderes erwartete. Aber die Engel im Himmel wurden zornig und beschlossen, Mosches Reichtum Reb Matisjahu zu geben. Aber da meldete sich der Prophet Elija: „Es ist ungerecht, eine Menschen nach dem Hörensagen zu beurteilen. Ich schlage vor, dass ich Mosche auf die Probe stelle. Vielleicht ist er nicht so schlimm, wie wir gehört haben.“

Dieser Vorschlag wurde angenommen, und bald stand ein abgezehrter Elija vor Mosches Tür und bat um Hilfe. Mosche reagierte wie immer. Zuerst beschimpfte er Elija, dann warf er ihn hinaus in die bitterkalte Nacht. Aber Elija wollte nicht aufgeben. Er klopfte wieder und bat unter Tränen um ein wenig Essen und ein bisschen Wärme. Vergeblich. Nun erkannte der Prophet, dass Mosche seine Chance verspielt hatte, und jetzt weinte er über Mosches verlorene Seele.“

Der Rabbi und der reiche Besucher hörten aufmerksam zu, und als Reb Meir eine Pause machte, sahen sie ihn gespannt an und wollten das Ende der Geschichte hören. „Als ich von dem harten Urteil über Mosche hörte, tat er mir leid. Man hätte ihn zuerst warnen sollen, dachte ich. Darum gebe ich ihm eine letzte Chance, sich zu retten. Wenn er dem Rabbi das Geld gibt, das er für die Reise ins Heilige Land braucht, wird er gerettet. Aber wenn er diese letzte Chance verspielt, ist seine Seele verloren. Er wird seinen Reichtum verlieren und bis zum Ende seines Lebens als Bettler herumwandern.“

Dann sah Reb Meir den entsetzten Mosche an, der vor ihm stand, aber gleich ohnmächtig zusammenbrach. Als er zu sich kam, sagte er unter Tränen: „Ihr habt recht, und trotzdem gebt Ihr mir noch eine Chance, meine Seele zu retten.“ Dann griff er in die Tasche und zog eine schwere Börse heraus, die er dem Rabbi übergab. „Nimm das, und wenn du die heilige Stadt Jerusalem erreichst, dann bete für mich“, sagte Mosche weinend.

Der Rabbi und seine Familie waren bald in Israel. Für sie hatte sich ein Traum erfüllt. Und Mosche änderte sein Leben vollständig. Jeder Bettler, der durch sein Dorf ging, wurde zu ihm geschickt, und Mosche kümmerte sich um die Armen bis ans Ende seiner Tage.