Im Jahr 5665 (1905) brach Krieg zwischen Russland und Japan aus, und alle russischen Männer unter 50 Jahren mussten sich mustern lassen. Viele Juden versuchten, sich der Musterung zu entziehen, denn damals konnte niemand in der antisemitischen russischen Armee dienen und gleichzeitig die Mizwot befolgen.
Trotzdem wurden viele einberufen, darunter Mendel Dovid Gurewitsch, ein Lehrer in der Stadt Walitsch, der Vater einer großen Familie. Er war ein Chassid des Rebbe Raschab (Rabbi Scholom Ber, der fünfte Rebbe) von Lubawitsch. Kaum hatte er seinen Einberufungsbefehl erhalten, eilte er zum Rebbe und beklagte die Schwierigkeiten für seine Familie. Der Rebbe segnete ihn und sagte:
„G-tt der Allm-chtige wird dich aus ihren Händen befreien.“ Aber diese Worte beruhigten Mendel Dovid nicht.
„Rebbe, ein Segen ist nicht genug für mich, ich brauche ein Versprechen!“ Der Rebbe sah ihn lange an, dann erwiderte er:
„Ein Versprechen kann ich dir nicht geben, wohl aber einen Segen“. Und er wiederholte seine Worte. Mendel Dovid bat erneut um ein Versprechen, aber der Rebbe wiederholte zum zweiten Mal die gleichen Worte.
Also ging Mendel Dovid nach Hause und versuchte, seine Zukunft optimistisch zu sehen und sich am Segen des Rebbe aufzurichten. Trotzdem legte er sich einen eigenen Plan zurecht. Zusammen mit Tausenden von anderen Männern ließ er sich mustern. Alle wurden befragt und ärztlich untersucht, und Offiziere entschieden, wer an die Front kam und wer zu Hause dienen musste. Alle Versuche Mendel Dovids, vom Kriegsdienst befreit zu werden, waren vergeblich. Er wurde für fronttauglich befunden. Seine einzige Hoffnung war der Segen von Rebbe Raschab, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, wie dessen Worte sich jetzt noch erfüllen sollten. Was würde mit seiner Familie geschehen? Was würde aus ihm werden? Er brauchte ein Wunder.
Alle Rekruten mussten vor General Kasaroff antreten. Er hielt eine feurige Rede und versuchte den Rekruten einzureden, es sei eine große Ehre, ihr geliebtes Vaterland mit ihrem Leben zu verteidigen. Als er fertig war, wollten die Soldaten wegtreten, aber der General befahl ihnen zu warten. Er ging in sein Hauptquartier und kam mit einem Stück Papier zurück.
„Wer ist Gurewitsch Mendel?“, rief er. Mendel Dovid begann vor Angst zu zittern. Warum rief der General ihn vor Tausenden von Männern auf? Das konnte nichts Gutes bedeuten. Zögernd trat er vor und nannte seinen Namen. Der General warf ihm nur einen kurzen Blick zu und sagte:
„Du bist entlassen. Geh nach Hause.“ Denn drehte er sich um und ging. Zurück blieb ein erstaunter und erfreuter Jude, der erst nach und nach merkte, dass das alles kein Traum war. Er war tatsächlich frei!
„Ich habe an den Segen des Rebbe geglaubt“, sagte er zu sich selbst, als er fröhlich nach Walitsch zurückfuhr, „aber ich hätte nie gedacht, dass er sich so schnell und so wundersam bewahrheiten würde.“
Am nächsten Schabbat veranstaltete Mendel Dovid einen großen Kiddusch in der Chabad-Synagoge. Er erzählte den Leuten die ganze Geschichte: dass der Rebbe den Segen dreimal mit den gleichen Worten gesprochen habe und dass er wie durch ein Wunder dem Kriegsdienst entronnen sei. Alle hörten wie gebannt zu und freuten sich mit Mendel Dovid. Dann erhob sich einer der Chassidim und erbot sich zu erklären, was geschehen war.
„Dieser General“, sagte er, „wohnte einmal in unserer Stadt im Mietshaus eines Juden, der vor einigen Monaten starb. Die Erben wollten die Miete erhöhen. Kasaroff wollte gerne im Haus bleiben, jedoch ohne mehr zu bezahlen. Also machte er den Erben einen Vorschlag: Er wollte seine Macht als General nutzen und einen Juden der Stadt vom Kriegsdienst befreien. Seine neuen Mieter gingen auf den ungewöhnlichen Handel ein, und Kasaroff wohnte weiter bei gleicher Miete in dem Haus. Vor einem Monat zog er aus, weil der Krieg ausgebrochen war und er Walitsch verlassen musste, um näher an der Front zu sein. Aber sein Versprechen hat er offenbar nicht vergessen. Er hat wohl auf seiner Liste einen Namen gesucht, der jüdisch klang, und der Erste, den er fand, war der unseres Freundes Mendel Dovid.“
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