Viele kleine und große Wunder begleiteten Israels Befreiung von der hellenistischen Unterdrückung und die neue Weihe des Heiligen Tempels als Leuchtturm G-ttes. Aber der Talmud sagt, ein bestimmtes Wunder sei die Summe und Substanz Chanukkas: das Wunder des kleinen Ölkruges, dessen Inhalt acht Tage lang brannte.
Damals standen die Juden vor einer bislang nie gekannten Herausforderung. Der Hellenismus, eine giftige Mischung aus Hedonismus und Philosophie, ließ sich mit den üblichen Werkzeugen – jüdische Gelehrsamkeit und Tradition – nicht besiegen. Nur der Krug mit reinem Öl, die Essenz der jüdischen Seele, die über Vernunft und Ego hinausging und von der die typisch jüdische, zum Selbstopfer bereite Treue zu G-tt stammt, konnte den Weg aus dem Sumpf erleuchten. Erst als wir diese innere Reserve aus nicht zu verunreinigendem Öl nutzten, konnten wir die heidnischen Eindringlinge aus G-ttes Haus vertreiben und die Fackel Israels als Licht unter den Völkern neu entzünden.
Aber das Öl reichte nur einen Tag! Die höchsten Kräfte des Menschen flackern ihrer Natur nach hell und flüchtig; sie kehren bald ins Überbewusste zurück, aus dem sie stammen. Wenn das tiefste Selbst eines Menschen herausgefordert wird, stimuliert es die Essenz seiner Seele, und keine Macht auf Erden kann deren Flamme löschen. Doch dieser Moment geht vorbei; der Aufruhr weicht der Routine, und wir sind wieder unser gewöhnliches, sterbliches Selbst.
Das Wunder Chanukkas war, dass die Menora mit diesem Öl acht Tage lang brannte; dass die Flamme des Selbstopfers über den Moment der Wahrheit, über den Tag der Abrechnung hinaus brannte; dass das wenige reine Öl seine eintägige Lebensspanne um eine Woche übertraf und die sieben Kammern der Seele erleuchtete. (Der Kabbala zufolge gibt es sieben Middot, fundamentale Charakterzüge: Liebe, Zurückhaltung, Harmonie, Ehrgeiz, Hingabe, Bindung und Empfänglichkeit, die sämtliche Gefühle und jede Motivation des Herzens hervorbringen). Dies war kein bloßes Aufflackern des Lichts in einem Meer von Dunkelheit, sondern eine Flamme, die allen Generationen Reinheit und Licht spenden sollte, unter jedweden Umständen.
Darum berichtet der Talmud, dass diese acht Tage erst im folgenden Jahr als Chanukka-Fest gefeiert wurden. Ein Jahr ist ein Mikrokosmos der Zeit; es symbolisiert alle Jahreszeiten und Umwandlungen. Deshalb konnten wir den Sieg von Chanukka erst im nächsten Jahr, nach Ablauf des gesamten Jahreszyklus, zum festen Inventar unseres Lebens machen.
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