I. Phasen der Trauer
Es gibt fünf Phasen des Trauerprozesses: 1) Aninut, Trauer vor der Beerdigung. 2-3) Schiwa, eine 7-tägige Periode, die dem Begräbnis folgt; innerhalb der Schiwa ist die Trauer der ersten drei Tage intensiver. 4) Schloschim, 30-tägige Trauerzeit. 5) Das erste Jahr (wird nur von den Kindern des Verstorbenen gehalten).
II. Grundlegende Trauervorschriften
Bemerkung: Dies ist nur eine allgemeine Übersicht über die Trauervorschriften, für eine genauere Zusammenfassung suchen Sie einen Rabbiner auf.
A. Wer trauert?
Das Gesetz des Trauerns, wie es unten beschrieben ist, obliegt nur den sieben des Verstorbenen Verwandten ersten Grades: Sohn bzw. Tochter, Bruder oder Schwester, Vater oder Mutter sowie dem Ehepartner. Die anderen Verwandten und Freunde bilden den äußeren Trauerkreis und geben den anderen Unterstützung sowie Trauer.
B. Aninut
Die erste, intensivste Trauerperiode ist die Zeit zwischen Eintritt des Todes und der Beerdigung. Diese Periode, Aninut, ist charakterisiert durch lähmende und starre Trauer. Während dieser Zeit sind die Beerdigungsfeier sowie die Bestattungsangelegenheiten die alles bedeutende Besorgnis der Verwandten ersten Grades und zwar in dem Ausmaße, dass sie von der Einhaltung der praktischen Mizwot (Beten, Tefillin legen usw.) entbunden sind.
In dieser Zeit wird die Kria, das Einreißen der Kleidung als Zeichen der Trauer, vollzogen. (bei eingen Gemeiden ist es Brauch, dass die Kria sofort nach Eintreten des Todes oder bei Erhalt der Todesnachricht ausgeführt wird; der geläufigere Brauch ist, dass die Trauernden ersten Grades dies während der Trauerfeier tun, vor der Beerdigung).
Unsere Weisen lehren uns „tröste den Trauernden nicht, solange der Verstorbene noch (unbeerdigt) vor ihm liegt“. Zu diesem Zeitpunkt ist der Kummer zu groß für jegliche Form des Trostes. Zu dieser Zeit sollte man einfach bei dem Trauernden sein und praktische Hilfe anbieten, anstatt Worte des Beileids zu sprechen. Es ist eine Zeit des Schweigens, nicht der Worte.
C. Die Schiwa
Die Schiwa beginnt nach dem Begräbnis und zieht sich bis zum morgen des 7. Tages hin. Der Unterschied bei der Schiwa ist, dass Trauernde dort eine Auszeit von der täglichen Routine und der Beteiligung am tagtäglichen Leben nehmen, um sich ganz dem Gedenken an den Verstorbenen zu widmen und die Art, wie sie sie oder ihn in ihrem Leben ehren werden und Trost von ihren Familien und der Gemeinde erfahren.
Die grundlegende Praktiken der Schiwa:
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Kondolenzessen: Wenn die Trauernden von der Beerdigung auf dem Friedhof zuhause ankommen, hält man ein besonderes Kondolenzmahl, traditionell bestehend aus Bagels und hartgekochten Eiern, deren runde Form den Lebenskreis darstellt.
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Das Haus des Trauerns: Die gesamte Woche der Schiwa hindurch verbleiben die Trauernden im Haus der Trauer, so wie deren Verwandten, Freunde und Gemeindemitglieder kommen, um das Gebot des Nichum Awejlim (Trösten des Trauernden) und nehmen Teil am Gebet, des Torastudiums, dem Geben von Almosen und andere Gebote, die zum Vorzuge des Verstorbenen sind. Während der G-ttesdienste sprechen Trauernde das Kaddisch.
Am Besten „sitzt“ man die Schiwa im Heim des Verstorbenen, damit die Gebete und guten Taten, die zum Wohle des Verstorbenen getan werden, an dessen Ort und Umgebung stattfinden. -
Arbeit und Abwicklung von Geschäften: Eines der fundamentalsten jüdischen Gesetze des Trauerns (über 3.000 Jahre alt und später vom Propheten Ezechiel aufgezeichnet), ist das Verbot der Arbeit und der Abwicklung von Geschäften während der Schiwa.
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Den Beraubten Trost spenden: (einen Schiwa-Aufruf machen): Es ist eine große Mizwa, Trauernde zu trösten. Dies erreicht man durch den Besuch des Trauernden während der Schiwa im Haus der Trauer, über das Leben und die Taten der Person, um die getrauert wird, zu reden oder einfach nur für den Trauernden da zu sein.
Vor dem Verlassen sprechen die Besucher die traditionellen Worte des Trostes dem Trauernden aus: Hamakom jenachem etchem b'toch sche'ar awejlej Zion weJeruschalajim - "Möge G-tt Dich zusammen mit allen Trauernden Zions und Jerusalems trösten."
Wir sollen unterstützen, besuchen und zuhören, aber auch nicht erwarten, dass wir falsche Heiterkeit und ein plastisches Lächeln vom Trauernden bekommen. Kein Trauernder soll sich – G-tt verhüt! – dazu verpflichtet fühlen, für andere ein „nettes Gesicht“ aufzulegen. -
Täglicher Minjan: Ein Minjan (Gebetsversammlung) sollte sich zu drei täglichen Gebeten im Hause des Trauernden versammeln, sodass die Trauernden an einem gemeinschaftlichen Gebet teilnehmen und das Kaddisch sagen können. Eine Torarolle sollte geborgt werden, um sie an den Tagen zu benutzen, wenn die Toralesungen stattfinden. Sollte kein Minjan zugegen sein, so sollten die Trauernden das Trauerhaus verlassen, um mit der Gemeinde am G-ttesdienst teilzunehmen.
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Gedenkkerzen: Im Gedenken an den Verstorbenen sollten im Trauerhaus Kerzen entzündet werden, um so die Gegenwart der „Kerze G-ttes [ist die] Seele des Menschen“ (Sprüche 20:27). Die Kerzen werden nach der Rückkehr vom Friedhof entzündet und brennen die gesamte 7-tägige Periode der Schiwa hindurch. Laut Kabbala sollte man fünf Kerzen entzünden, da diese die fünf Phasen der Seele darstellen (besondere Schiwakerzen werden normalerweise vom Bestatter bereitgestellt).
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Verdecken der Spiegel: Es ist eine altehrwürdige Tradition, die Spiegel sowie Bilder des Verstorbenen vom Zeitpunkt des Todeseintritts bis zum Ende der Schiwa zu verdecken. Obwohl der Brauch ungewissen Ursprungs ist, gehört deren Ausführung zur Trauer dazu (siehe „Lederschuhe“)
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Schiwa Sitzen: Es ist eine uralte jüdische Tradition, dass Trauernde während der Schiwa nicht auf normalen Stühlen sitzen, sondern auf niedrigeren.
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Lederschuhe: Der Trauernde verzichtet auf den Komfort von Lederschuhen während der Schiwa. Strümpfe bzw. minderwertige Schuhe sind Ausdruck auf den Verzicht auf Eitelkeit und Komfort, um sich so besser auf die tiefere Bedeutung des Lebens konzentrieren zu können.
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Körperpflege: Der Trauernde rasiert und schneidet sein Haar nicht und er badet oder duscht sich während der Schiwa nicht zum Vergnügen. Das Waschen oder Tragen von frischer Kleidung ist ebenfalls verpönt – so wie der Erwerb oder das Tragen neuer Kleidung ebenfalls (sollte die einzig mögliche Kleidung verschmutzt sein, so darf man diese jedoch waschen). Der Trauernde trägt das zerrissene Kleidungsstück, an dem er/sie während der Schiwa die Kria vollzogen hat.
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Eheliche Beziehungen: Trauernde enthalten sich ehelicher Beziehungen während der Schiwa.
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Musik oder Unterhaltung: Trauernde genießen die Freuden der Musik, sowie jede andere Form der Belustigung und Unterhaltung nicht.
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Torastudium: Das Studium der Tora ist während der Schiwa nicht gestattet, da es als Quelle der Freude angesehen wird, wie die Bibel selbst es zum Ausdruck bringt: „Die Gesetze G-ttes sind gerecht und erfreuen das Herz“. Dennoch ist es dem Trauernden erlaubt, die Trauergesetze zu lernen und Bücher zu studieren, die das ethische Verhalten beinhalten sowie andere Teile der Tora, die von nicht erfreulicher Natur sind.
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Schabbat: Während des Schabbat setzt das Zeigen sämtlicher Trauer in der Öffentlichkeit aus. Kurz vor beginn des heiligen Tages, baden die Trauernden und legen ihre Schabbatkleider an. Am Schabbat dürfen sie das Trauerhaus verlassen und am G-ttesdienst teilnehmen und das Kaddisch in der Synagoge rezitieren.
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„Aufstehen“ von der Schiwa: Die Schiwa endet am Morgen des 7. Tages nach dem Begräbnis (Der Tag des Begräbnisses wird als erster Tag gezählt) – sofort nach dem Morgengebet. Anwesende sprechen ihr Bedauern aus und die Trauernde erheben sich von der Woche der Trauer, um zur Normalität des Alltags zurück zu kehren.
D. Schloschim und das erste Jahr:
Selbst wenn der Trauernde nach der Schiwa zum Alltag zurückgekehrt ist, werden einige Trauerpraktiken wie das Nichtkaufen oder tragen neuer Kleidung, das Haare schneiden, Musik hören oder jedwede andere Art der Unterhaltung sowie die Teilnahme an freudigen Ereignissen (Hochzeiten etc.) für 30 Tage (am Tage der Beerdigung beginnend) fortgeführt.
Sollte jemand den Tod eines Elternteils beklagen, so werden diese Trauerpraktiken ein Jahr lang fortgeführt (Was das Haare schneiden angeht, so unterliegt das Gesetz dem Prinzip der „sozialen Schande“. Dies bedeutet, dass Trauernde ihre Haare nach 30 Tagen schneiden dürfen, sollten sie von freunden oder Nachbarn deswegen kritisiert oder auch nur leicht getadelt werden. Sofort nach diesem Tadel ist es dem Trauernden gestattet, sein Haar zu schneiden).
Zusammenfassung:
Die jüdische Tradition liefert uns einen Rahmen, um unseren Kummer über den Verlust einer geliebten Person zu kanalisieren und zum Ausdruck zu bringen, vom unfassbaren Kummer der Aninut zur Zurückgezogenheit, zum Bruch mit der Routine und dem Empfang von Beileidsbekundungen der Schiwa zur anschließenden Rückkehr in den Alltag, während man gleichzeitig noch bestimmte Trauerrituale während der Schloschim und des ersten Jahres beachtet.
Es ist wichtig, diese Vorschriften und Rituale penibel genau zu befolgen und es ist genauso wichtig, dass man über diese nicht hinausgeht. Zu bestimmten Zeiten könnte der Trauernde nicht den Grad oder die Art des Kummers fühlen, die diese Rituale ausdrücken – in anderen Zeiten könnte der Trauernde sich noch nicht dazu bereit fühlen, zum nächsten, geringeren Phase der Trauer, weiterzugehen. Dennoch hat die Weisheit, diese Vorschriften und Zeiten, die von der Tora eingesetzt wurden, zu beachten, sich immer wieder für jeden, der, G-tt verhüt!, diesen Prozess durchläuft, bestätigt. Die Trauervorschriften der Tora bilden das Ventil und die Validation unseres Kummers, der so entscheidend für den Heilungsprozess ist, sowie den Rahmen, von einer Phase der Trauer zur nächsten überzugehen bis der Verlust als konstruktive und nicht – G-tt verhüt – als destruktive Kraft in unseren Leben angesehen wird.
Allerdings sind die traditionellen Trauerpraktiken nicht nur um unser Willen und wie wir mit unserem Kummer umgehen – sie drehen sich zuallererst um die Person, die wir betrauern. Das Trauern und die Gedenkrituale, die von der Tora vorgeschrieben sind, geben uns die geistlichen Mittel, mit denen wir die verschiedene Seele ehren und ihren Aufstieg in ihren neuen, höheren Zustand des Lebens fördern können.
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