1. Bei der Schilderung der Übergabe in der Tora steht „und G“tt gebat diese Worten zu sprechen“. Kommentatoren stellen die Frage, was dieses „zu sprechen“ bedeutet. Wenn an anderer Stelle die Formulierung „und G-tt gebat ... zu sprechen“ benutzt wird, so bedeutet dies, dass man die Worte G-ttes an jene Juden weitergeben soll, welche sie zum Zeitpunkt der Verkündung nicht gehört haben. Bei der Übergabe der Tora aber, waren alle Juden zugegen und alle hörten zu, was bedeutet also das „zu sprechen“? Man kann auch nicht sagen, dass sich dies auf die zukünftigen Generationen bezieht, auch die Seelen späterer Generationen bei der Übergabe anwesend waren1.

Der Meseritscher Maggid, seine Seele weilt in Eden, antwortete auf diese Frage, indem er erklärte, dass Sinn und Zweck der Übergabe der Tora darin besteht, die zehn Gebote der Tora mit den Aussprüchen, mit denen die Welt erschaffen wurde, zu verbinden. Dies entspricht auch der bekannten Erklärung2 des Schriftverses „zehn und zehn die Schale im heiligen Gewicht“, nämlich dass jene zehn Aussprüche den zehn Geboten entsprechen und ihnen gegenübergestellt sind. Daher steht geschrieben „..gebat.. zu sprechen“, das „gebat“ soll mit den zehn Geboten, das „zu sprechen“ mit den zehn Aussprüchen verbunden werden.

2. Dies bedeutet für den G“ttesdienst, dass das Licht der Tora – die zehn Gebote - auch in den Dingen dieser Welt – den zehn Aussprüchen – leuchten sollen.

Es gibt einige, die meinen, dass die Tora ein Ding für sich und die Welt ein Ding für sich sind und dass man sich daher in einer toratreuen Umgebung wie ein toratreuer Jude, und in der Welt gemäß der üblichen Auffassung, gemäß der Anschauung und den Regeln der Welt verhalten sollte. Dies ist nicht der Fall - man darf sich in all den Dingen, die man tut, nicht an den Auffassungen der Welt ausrichten3, welche oft von dem Gefühl, niemand Rechenschaft schuldig zu sein, geprägt sind. Auch bei weltlichen Dingen gilt die Auffassung der Tora.

3. Dies ist auch die Bedeutung des Schriftverses „meine Träne ward mir Nahrung Tag und Nacht wenn man mir den ganzen Tag sagt, wo ist dein Herr“?

Meine Träne ward mir Nahrung - d.h. die Verbitterung ist so groß, dass die Tränen die Nahrung ersetzen, so wie, Verbitterung bewirkt, dass man keinen Hunger verspürt. Und woher diese Verbitterung herrührt sagt der Vers im Anschluss: „wenn man mir sagt“ – man fordert und mahnt den ganzen Tag, „wo ist dein Herr“?

„Dein Herr“, dies steht für Stärke und Lebenskraft4. Und wer soll dein Herr sein? Der Ewige, so wie geschrieben steht „Ich bin der Ewige, dein G“tt“. Ich, dies bedeutet: Ich, der Ich bin, der mit keinem Buchstaben und keinen Punkt angedeutet werden kann5, dies ist dein G“tt – deine Stärke und deine Lebenskraft.

Und dies bedeutet hier „wenn man mir den ganzen Tag sagt“, nämlich dass man sich fragt wo es den ganzen Tag ist, das Gefühl des „Ich bin der Ewige, dein G“tt“!!

Denn dass man seinen Herren beim Dawenen, beim Lernen der Tora oder bei einer chassidischen Zusammenkunft wahrnimmt, das ist zu wenig. Nicht das ist die Absicht, denn dass hätte G“tt auch mit Engeln oder Seelen in den oberen Welten, welche vor dem Thron Seiner Herrlichkeit stehen, erreichen können.

Zweck und Ziel des Herabstiegs der Seele in einen Körper ist es hingehen den Körper und die tierische Seele zu läutern (denn die Seele selber bedarf ja keiner Läuterung6).

Daher ermahnt man uns den ganzen Tag, beim Essen, beim Trinken, beim Abschließen von Geschäften und beim Gespräch mit Mitmenschen, dass uns auch dann „Dein Herr“ uns gewärtig ist, genauso wie beim Dawenen und beim Lernen der Tora.