In der dieswöchigen Sidra Wajera findet sich ein Hinweis auf Isaaks Bar Mizwa (Genesis 21, 8; s. Bereschit Rabba 53, 10). Dies sollte uns Anlass geben, die modernen Bar Mizwa-Feiern einmal etwas kritisch unter die Lupe zu nehmen.

Da war also jener Knabe, er war zwar noch jung, aber schon Jahre vor seiner Bar Mizwa trafen seine Eltern Vorsorge. Sie nahmen Fühlung mit einer Synagoge auf, die von dem Jungen nicht allzu viel verlangen und auch von den Eltern, was Jüdischkeit betrifft, nur wenig erwarten würde. Dem Jungen sollte erklärt werden, die Bar Mizwa sei eine Art von Abschlussprüfung, mit der er das Judentum "absolvieren" würde. So wurde er angehalten, nein, mit reichen Geschenken bestochen, die Haftara zu lernen, vielleicht nicht einmal in hebräischen Buchstaben, sondern in lateinischer Umschreibung ("denn bekanntlich ist es doch so schwer, Hebräisch lesen zu lernen!").

Immerhin – so wird dem Buben zu verstehen gegeben – hatte doch sein Vater auch seine Bar Mizwa, und später trat er der Synagoge bei, er zahlt seine Beiträge, geht sogar gelegentlich hin, und all das, weil er selbst Bar Mizwa war. Der Junge nebenan hatte doch auch seine Bar Mizwa; würde es da nicht schlimm aussehen, wenn "unser Sohn" keine hätte? Auch Vaters Geschäftsfreunde erwarten es eigentlich. Schließlich gehört es doch zum "guten Ton"!

Der junge Bursche selbst ist gar nicht blöde. Er versteht sehr gut, was in Wirklichkeit hinter all jenen Phrasen steckt. Vater geht ganz im Geschäft auf, die Mutter hat ihre wichtigen eigenen Interessen ("ist dies auch das richtige Tischtuch für meine Bridgepartie?"), und so ist das Kind tatsächlich sich selbst überlassen. Kann es da überhaupt den Sinn einer Bar Mizwa begreifen? Vater und Mutter leben ihm die wahre Bedeutung nicht vor, nicht in ihrer eigenen Lebensweise noch in der Erziehung, die sie ihm gegeben haben.

Ihm wurde beigebracht, er müsse tun, was "jeder" tut, also seine Bar Mizwa haben, eine Rede halten, die Haftara vortragen. Er muss tun, was immer sich zu "tun" geziemt – sonst müssten seine Eltern sich doch schämen.

Was ist dann aber die fast natürliche Reaktion des Jungen? Die Türe hinter sich zuzumachen und irgendwo anders sich etwas zu suchen, das ihm zusagt, also: Ohne Anleitung und ohne Lenkung auf die Suche zu gehen. Er weiß nur, dass seine Eltern ihm nichts Authentisches zu bieten haben, denn sie haben ihm ja nie eine wirkliche jüdische Erziehung gegeben; das Wenige, das ihm schon beigebracht wurde, diente lediglich dem Schein: nicht hinter den Nachbarn zurückzustehen. Aufrichtigkeit gab es dabei nicht, denn für die Eltern selbst war es ja belanglos.

Später denkt er über die Bar Mizwa-Feier als solche nach. Sie war am Schabbat. Warum am Schabbat? – so fragt er sich. Ihm wird erzählt, dies sei ein "heiliger" Tag. Er fragt weiter: Was macht den Tag heilig? Vater geht ins Geschäft, und Mutter fährt im Auto herum. Am Schabbat tun sie dasselbe, das sie am Freitag auch getan haben und nächsten Montag wieder tun werden. (Jawohl, am Montag, nicht am Sonntag; denn der Sonntag ist doch, wie man weiß, ein Ruhetag ...) "Was macht den Schabbat heilig?" Er besteht auf einer Antwort.

Oh ja, es gibt eine Antwort. Die Gemeinde beschäftigt doch jemanden, der ein "heiliger Mann" sein soll und die "Heiligkeit" der ganzen Gemeinde auf seinen Schultern tragen soll: den Rabbiner. Er wird den Schabbat einhalten, auch die Feiertage, und er wird die Tora beobachten. Und am Schabbat, so geht die Erklärung weiter, hält der Rabbiner eine Predigt. Also siehst du doch, dass der Schabbat fürwahr ein "heiliger" Tag ist ...

Muss man sich wundern, dass derlei Erziehungsmethoden zu einer tiefen Kluft zwischen Eltern und Kindern führen? Sollten die Eltern dem Sohne eines Tages leider vorzuwerfen haben, warum er sie so sehr beschämt habe, dann wird die bittere Antwort nicht ausbleiben: "Habt ihr mir je etwas Sinnvolles geboten? Ihr habt mir nur immer wieder gesagt, ich müsse andere nachahmen, die Zustimmung anderer suchen – sonst nichts."

Ein Jude hat einen Funken G-ttes in sich. Er ahmt G-tt nach, sonst keinen (s. Talmud, Schabbat 133b). An sich ist dies überhaupt keine "Nachahmung": er tut seine eigene Sache. Er weiß, was er ist. Er weiß, was ihm fehlt, wo er seinen Durst stillen kann, wo er für sein ganzes Leben eine feste Grundlage findet.