Die dieswöchige Sidra beginnt mit den Worten (Lev. 26:3): „Wenn ihr in Meinen Satzungen wandelt ...“. Der Talmud (Awoda Sara 5a) erklärt, dass das kleine Wort „Wenn“ (hebr. „im“) hier nicht, wie sonst oft, eine Bedingung beinhalten, sondern vielmehr einen Aufruf, nämlich G-ttes dringendes Ansuchen an uns alle, der Tora gemäß zu leben. Mit diesem Aufruf und Befehl ist uns nicht nur die Quelle angegeben, die es uns ermöglicht, das Ersuchen zu erfüllen, sondern in ihm selbst liegt auch gleichzeitig die Versicherung für jeden Juden, dass er dazu fähig sein wird.

Die gleiche Idee – dass also in einem Befehl auch bereits die „Versicherung des Könnens“ inbegriffen ist – lässt sich ebenfalls im Zusammenhang mit der Mizwa von „Ahawat HaSchem“, der Liebe zu G-tt, erkennen. Wie der „Alte Rebbe“, der Begründer des Lubawitsch-Chabad-Chassidismus, es erklärt hat: Das Gebot (Deut. 6:5): „Du sollst den Ewigen, deinen G-tt, lieben“ bedeutet (in der hebräischen Konjugationsform des Verbs) sowohl, dass du G-tt lieben sollst, wie auch, dass du lieben wirst, dass also mit dem Befehl der Liebe jedem einzelnen gleichzeitig die Befähigung zu lieben gegeben ist.

Die Liebe ist die Grundlage für alle 248 positiven Gebote der Tora, gleichzeitig bildet sie auch die Grundlage für die Mizwa: „Fürchte G-tt“, und diese wiederum ist die Basis für die 365 negativen Gebote (das sind die Verbote). So unterbaut die Liebe im Endergebnis alle 613 Mizwot der Tora. Wenn daher – wie wir gesehen haben – das Gebot der G-ttesliebe schon seine „Versicherung des Könnens“ enthält, so folgt nunmehr, dass dieselbe Versicherung für alle 613 gilt. All die 613 sind in unserem Vers „Wenn ihr in Meinen Satzungen wandelt ...“ enthalten; und so wohnt allen die Versicherung inne, dass sie erfüllt werden können.

Eine andere Erklärung für den Ausdruck „in Meinen Satzungen“ besagt, dass hiermit die drei verschiedenen Kategorien von Mizwot gemeint sind: 1. Mischpatim (Rechtsvorschriften); 2. Edot (Zeugnisse); 3. Chukim (Statuten).

  1. Rechtsvorschriften: Das sind die Anweisungen, die einem Menschen sehr wohl als für die Lebensführung und Lebensordnung logisch einleuchten würden, selbst dann, wenn die Tora sie nicht angeordnet hätte.
  2. Zeugnisse: Dies sind Mizwot, die ursprünglich nicht von der Logik diktiert sind, die aber, wenn erst einmal eingeführt, als vernünftig anerkannt werden können.
  3. Statuten: Dies sind Vorschriften, die vom Standpunkt der Logik aus überhaupt nicht verstanden werden können, wie zum Beispiel „Schatnes“, die „Rote Kuh“ und dergleichen.

Hier jedoch, im zitierten Vers aus unserer Sidra, bedient sich die Tora nur des einen Wortes „Chok“ (also nur Gruppe 3 – Statuten oder, wie oben übersetzt, Satzungen), obwohl alle drei Typen von Mizwot gemeint sind; und dies tut die Tora aus einem ganz besonderen Grunde, nämlich mit der Absicht, folgendes zu unterstreichen: Wenn wir eines der Mischpatim oder Edot erfüllen, dann soll unsere Einstellung dazu genau dieselbe sein wie zu einem Chok. Das heißt: Nicht weil wir den Zweck der Vorschrift verstehen (oder zu verstehen glauben), führen wir sie aus, sondern weil wir uns wie ein Knecht G-tt unterwerfen, und weil Er es so befohlen hat. Und wenn jemand G-tt in diesem Sinne dient, dann wird’ er in diesem Dienst schließlich Freude empfinden, und zwar eine noch größere Freude, als er anderenfalls erleben würde. Denn nichts ist größer als die Freude des getreuen Dieners, der weiß, dass sein Meister mit seiner Arbeit zufrieden ist.

(„Im“) nicht allein die „Versicherung des Könnens“ mit sich, sondern eben auch diese weitere Zusicherung, dass uns bei der Erfüllung der Mizwa das richtige, gute „Gefühl“ begleitet. Und der Lohn für diesen Geist von Willigkeit? Er ist im gleichen Ansatz der Sidra dargestellt, in den sofort hierauf folgenden Versen: dass uns alle Segnungen zuteil werden, Segnungen auf geistigem wie auf materiellen Gebiete – wobei dann sogar der materielle Erfolg uns helfen wird, unsere geistigen Aspirationen zu verwirklichen.