Im Wochenabschnitt »Beschalach« geht es um den Auszug aus Ägypten und den wundersamen Durchzug durch das Schilfmeer. Auf die geglückte Rettung folgt ein Gesang des Volkes, bekannt als »Schilfmeergesang« – und auch die Frauen, geführt von Mirjam, der Schwester Aharons, stimmen ihren Gesang an.
Zur Prophetenlesung nach diesem Wochenabschnitt lesen wir eine Stelle, die auch einen solchen Gesang nach einer wunderbaren Rettung enthält – nämlich den Gesang der Prophetin Devora aus dem Buch der Richter.
Freude und Gesang der Frauen
Ein chassidischer Rebbe, der »Zemach Zedek« hat darauf hingewiesen, dass diese Prophetenlesung nicht zufällig der Gesang einer Frau ist: Weil die Freude der Frauen nach der Befreiung aus Ägypten noch größer war als die der Männer, hat der Gesang der Frauen ein höheres Niveau erreicht als der »Schilfmeergesang« der Männer. Deshalb ist es angemessen, dass auch die Haftara den Gesang einer Frau enthält.
Warum aber empfanden die Frauen größere Freude? Da der Befehl des Pharao, die jüdischen Kinder in den Fluss zu werfen, naturgemäß besonders hart die Mütter getroffen hat, war ihr Leid in Ägypten besonders groß, – und dementsprechend war auch ihre Freude nachher größer.
»Tora« stammt vom Begriff »Hora’a« – Anweisung – und so zeigt auch diese Geschichte wichtige Lehren für das moderne jüdische Leben: Der Nilfluss war in Ägypten die Quelle des Lebensunterhaltes und der materiellen Fülle. Das offizielle Dekret, die Söhne in den Fluss zu werfen, bedeutet im allegorischen Sinn, ihnen eine landesübliche Erziehung auf Kosten einer jüdischen Erziehung zu geben. Eine Berufsausbildung und »kulturelle Bildung«, mit der aus dem Sohn einmal »etwas werden« kann, zur obersten Priorität zu machen – das war Pharaos Wunsch.
Wer glaubt, sich den jeweils herrschenden Wertvorstellungen so weit anpassen zu müssen, dass er das Streben nach materiellem Wohlstand und gesellschaftlicher Anerkennung vor eine Erziehung zu Tora und Mizwot reiht – führt das Dekret des Pharao aus und wirft die Kinder in den Fluss!
Da Frauen bei der Erziehung der nächsten Generation in der Regel die grundlegenderen Aufgaben wahrnehmen, sind sie von der Aufforderung, die Kinder »in den Fluss zu werfen« noch mehr getroffen. Sei es das historische Dekret eines ägyptischen Pharaos, oder sei es – zu anderen Zeiten – das Hineinwerfen der Kinder in eine Welt ohne Tora und Mizwot.
Ungeahntes Potential offenbaren
Doch nicht nur das Leid war größer – auch die Freude danach. Denn Freude, die auf Leid folgt, ist mehr als die Wiederherstellung eines angenehmen Zustandes: Der Abstieg in der Form des Leidens war notwendig für einen Aufstieg, der dann höher hinaufführte als zuvor. Man hat eine Menge aus diesem Abstieg mitgenommen, das dann, durch den Aufstieg geläutert, ein Potential ist, von dem man vorher gar nicht wusste. Freude in diesem Sinn verstanden fällt nicht vom Himmel, sie muss erarbeitet werden. Und diese Freude, aus dem Aufstieg nach dem Fall resultierend, ist die Erreichung einer spirituell höheren Stufe – wie im Gesang, den das Volk Israel am Schilfmeer gesungen hat, zum Ausdruck kommt.
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