1. Vor zwanzig Jahren, am letzten Tag des Pessachfestes im Jahr 5698 (1938) hat seine Heiligkeit mein Lehrer und Schwiegervater, der Herr, Lehrer und Meister einen Vortrag zur Haftara jenes Schabbats gehalten.

Er erzählt im Namen seines Urgroßvaters, des Zemach Zedek, dass dessen Großvater, der Alte Rebbe, einmal die Frage stellte, warum die Haftara des Schabbat Schira (Anm. d. Übers.: des Schabbats, an dem das Lied der Juden am Schilfmeer vorgetragen wird) ausgerechnet „und es sang Dwora“ – eine Frau ist, und nicht der Gesang von David, wie in der Haftara des siebten Pessachtages. Handelt Wochenabschnitt Beschalach Ist nicht vom Gesang der Männer – „und es sang Mosche“? Und wenn dort auch der Gesang von Frauen vorkommt – „und es nahm Miriam… die Trommel in ihre Hand und es gingen hinaus alle Frauen nach ihr mit Trommeln und Tänzen; und es antwortete ihnen Miriam, singt dem Ewigen…“, so stellt sich trotzdem die Frage, warum die Haftara ausgerechnet vom Gesang einer Frau – „und es sang Dwora“ handelt?

Als Antwort erzählte der Alte Rebbe eine lange Geschichte (welche im oben erwähnten Vortrag abgedruckt ist) und er führte aus, dass als die Juden aus Ägypten auszogen und im Meer auf dem Trockenen gingen und Lieder sangen, haben auch die Frauen Lieder gesungen, aber dazu noch „mit Trommeln und Tänzen“ – mit Freude. Deshalb ist die Haftara dieses Schabbats „und es sang Dwora“ (all dies kam aus dem Staub der Erde, der Sefira Malchut).

2. Es erscheint zunächst unverständlich, warum der Gesang, welchen Mosche und die Kinder Israels – die Männer – sangen, nicht mit soviel Freude war, wie der Gesang von Miriam und allen Frauen.

Die einfache Begründung dafür ist, dass wenn man etwas ohne Mühen und Sorgen bekommt, sich weniger darüber freut, als wenn man sich dafür sehr abmühen und schwere Kämpfe durchstehen musste. Es gilt „für jede Sorge ihre Belohnung“ – je größer zuerst Sorge und Anstrengung sind, desto größer ist am Ende die Freude.

Zu dem Zeitpunkt an dem die Juden Lieder sangen, weil Pharao und die Ägypter im Meer ertranken und sie aus Ägypten erlöst wurden, haben unser Meister Mosche und alle jüdischen Männer nicht die selbe Freude fühlen können, wie Miriam und alle jüdischen Frauen.

Denn das Schwerste am Exil in Ägypten und die schlimmsten Verfolgungen kamen nach Miriams Geburt über die Juden, der Befehl „jeden Sohn werft in den Kanal“. Alle früheren Verfolgungen, die Arbeit der Juden „mit Lehm und Ziegeln und jede Arbeit auf dem Feld, mit denen man sie quälte“ waren längst nicht so schlimm wie der Befehl, neugeborene Kinde in den Teich zu werfen.

Erst danach kam es auch – wie unsere Weisen seligen Andenkens erzählen – zu der Anordnung, dass Pharao im Blut jüdischer Kinder baden würde.

Eine Mutter empfindet dies viel stärker als ein Vater. Deshalb war auch die Freude darüber, dass man von Pharao und seinen Verfolgungen befreit wurde, bei den jüdischen Frauen größer als die der Männer.

3. Wie alle Geschichten der Tora, so birgt auch die Geschichte vom Auszug aus Ägypten, das Lied am Schilfmeer, die Freude von Miriam und den jüdischen „mit Trommeln und Tänzen“ eine Anweisung für alle Generationen, auch für unsere Generation.

Dies wird auch im Schriftvers angedeutet: „und es gingen hinaus alle Frauen nach ihr. Alle jüdischen Frauen, bis zum Ende aller Generationen, folgen Miriam und sagen „singt dem Ewigen, denn Er erhob die Fluten, das Pferd mit seinem Reiter schleuderte er ins Meer“.

G“ttlichkeit und Heiligkeit – das sind die Fluten, die Er erhob, so hoch, dass es nichts höheres geben kann. Und jene Dinge, die das Gegenteil von Heiligkeit bedeuten, welche gegen die Heiligkeit kämpfen – das Pferd mit seinem Reiter – jene werden mit Macht ins Meer geschleudert – so tief, dass es nicht tieferes geben kann.

4. Wir haben einmal darüber gesprochen, dass der Inhalt der Anordnung „jeden Sohn werft in den Kanal“ in jeder Generation und in jedem Land bedeutsam ist, auch in unserer Generation und auch in unserem Land.

Wenn ein jüdisches Kind geboren wird, beginnt sein jüdischer Lebensweg und man beginnt es gemäß Tora und Mizwot zu erziehen. Sobald dies geschieht, kommt Pharao, der König von Ägypten , d.h. das bürgerliche Selbstverständnis jenes Landes und behauptet: es wurde ein Junge geboren, welcher später heiraten wird und für das Einkommen des Haushalts sorgen muss, deshalb muss man ihn schon als Kind in den Kanal werfen, der ja das Einkommen beschert (Nahrung und Einkommen Ägyptens waren ganz vom Kanal – dem Nil und seinen Gewässern abhängig). In diesen soll er sich tauchen und in ihm ertrinken.

Und wie wird es um Tora und Mizwot bestellt sein? Dafür, so antwortet Pharao, gibt es doch den Sonntag, an dem die Bank geschlossen ist, die Läden geschlossen sind usw. In der Nacht davor, schleppt man das Kind ins Kino. Am Morgen, während die Eltern bis zwölf Uhr schlafen, haben sie nichts dagegen, wenn dass das Kind in die Sonntagsschule geht um dort zu singen und zu tanzen, ja selbst hebräisch und Tora darf es lernen – solange die Eltern nicht in ihrem körperlichen und geistigen Schlaf gestört werden.

Danach, nach ein Uhr mittags, wird man das Kind mit Fernsehen, Filmen und Baseball beschäftigen – mit dem Teich des Nils, welcher ihrer Meinung nach den Lebensunterhalt beschert.

Dies alles geschieht, anstatt das Kind schon von frühester Kindheit mit G“tt zu verbinden, der die gesamte Welt in seiner Güte und Barmherzigkeit, in Respekt und Ruhe ernährt. Und das, obwohl dies – die Verbindung mit G“tt – der einzige Weg für Juden ist, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Denn obwohl bei den anderen Völkern der Broterwerb von den Gesetzen des Nilteiches abhängt, so steht doch über die Juden dass „..und ihr, die ihr dem Ewigen, euren G“tt anhaftet, lebt alle heute“. Dadurch, dass die Juden mit G“tt verbunden sind, dadurch leben sie. Dadurch erhalten sie auch ihren Lebensunterhalt, denn „wer Leben gibt, gibt auch Speise“ – Lebensunterhalt für Mann, Frau und Kinder.

Wenn man die Kinder nun statt dessen nimmt und in den Teich wirft, zerreißt man nicht nur die Verbindung zu ihrem spirituellen Lebens, sondern auch die Verbindung zu ihrem Leben in der einfachen Bedeutung. Denn es gibt für die Juden, wie bereits gesagt, nur einen einzigen Weg zum Leben und zum Lebensunterhalt: sich mit G“tt zu verbinden.

5. So wie im Exil vor der Gabe der Tora, dem Exil in Ägypten, alle früheren Verfolgungen nicht die schreckliche Härte hatten wie die Anordnung „jeden Sohn werft in den Kanal“, so haben auch im heutigen Exil die anderen Listen des schlechten Triebes weit weniger Macht über die Erwachsenen, als über die kleinen Kinder.

Wenn man aber von Pharao nicht einschüchtern lässt, wenn man nicht auf die „guten Bekannten“ und die nette Nachbarin von nebenan hört, welche erschüttert fragen, wie man denn nur sein Kind ins Cheder oder eine Jeschiwa schicken kann, wo man doch nur eine Tora lernt, die dreieinhalbtausend Jahre alt ist und in einer wüsten Einöde gegeben wurde, zu einer Zeit, als es noch kein Radio, kein Telefon und es noch nicht einmal eine Morgenzeitung gab.

Damals – so behauptet man – hätte eine solche Erziehung noch angehen können, aber jetzt, wo wir uns im zwanzigsten Jahrhundert befinden und wir die Segnungen des Fortschrittes und der Kultur erfahren haben, jetzt kann man nicht mehr so altmodisch sein.

Doch nicht nur das, Pharao kann auch ab und zu in das Kleid der Frömmigkeit schlüpfen und behaupten: Du möchtest doch, dass dein Kind sehr viel für Wohltätigkeit und für Jeschiwot spendet, da musst du doch dafür sorgen, dass er wohlhabend wird. Wirf ihn in den Teich des Geldverdienens, pass ihn an, mach ihn so, wie die anderen, welche G“tt nicht dienen – dann kann er Geld spenden für Jeschiwot und Chadarim (Anm. d. Übers.: Toraschule für Kinder im Vor- und Grundschulalter).

Tatsächlich ist es aber so, dass nur Pharao von diesem Verhalten etwas hat. Die Juden haben davon nichts.

Man muss die Wahrheit erkennen, dieser Plan stammt vom selbem Pharao. Da er aber weiss, das wir ihn nicht folgen werden, wenn er uns befiehlt eine Sünde zu begehen, kleidet er sich in ein seidenes Mäntelchen und erzählt uns, er hätte eine große Jeschiwa und brauche für sie Geld. Deshalb solle man seine Kinder in öffentliche Schulen schicken um anschließend eine große Jeschiwa für Engel zu bauen.

Wenn man beizeiten begreift, dass dieser Vorschlag von Pharao stammt, von jenem Klugen, der sagt „lasst uns ihn überlisten, damit er sich nicht mehrt“ (hier hielt seine Heiligkeit der Meister und Lehrer, mögen ihm lange Jahre beschieden sein inne und sagte: aber in Wahrheit wird er wachsen und sich mehren), denn er will dass – G“tt behüte – vom Judentum, von den jüdischen Seelen und den jüdischen Körpern kein Überrest bleibt und niemand entkommt.

Wir aber haben die Kraft, die jüdische Kraft um die Anordnungen Pharaos null und nichtig zu machen. Wir müssen jedoch aufhören, im Alter von fünf, sieben, dreizehn und achtzehn Jahren immer den „Tacheles“ zu suchen und an G“tt glauben und Ihm vertrauen.

Denn „viele Gedanken sind im Herz eines Menschen“ – und einen Nutzen bringen sie nicht, denn sie sind viele und der Eine, der Einzige in der Welt fehlt. Aber „der Ratschluss des Ewigen wird Bestand haben“ (in der Einzahl), denn G“tt ist nicht nur der Herrscher des Himmels, sondern auch der Erde und er sieht den Ort, an dem Frau sich samt Mann und Kindern befindet.

Wenn man dies begreift, wird man sich nicht nur durch die Nachbarin nicht abhalten lassen, sondern sogar noch mit ihr darüber sprechen, dass sie ihre Kinder aus der Hand Pharaos erretten soll. Und dadurch werden zehntausende jüdischer Kinder heranwachsen, die Moschiach Zidkenu, dem Gesalbten unserer Gerechtigkeit, bald, in unseren Tagen begrüßen werden.

6. So wie damals, zur Stunde als man von Pharao befreit wurde, in den Zeiten von unserem Meister Mosche und Miriam, die Freude der Frauen viel größer war, als die der Männer weil jene Verfolgung von den Müttern weit mehr durchlebt wurde, als von den Vätern, so empfinden auch jetzt die jüdischen Frauen diese Freude viel stärker.

Den größten Teil des Tages befindet sich der Mann nicht im Haus, und auch in der Zeit, in der er im Haus weilt, beschäftigt er sich nicht so viel mit den Kindern wie die Frau.

Die jüdische Frau dagegen kämpft mit Pharao, wie verschlagen er auch sein mag und in welcher Form von „guter Freundschaft“ er auch zu ihr kommen mag.

Wenn dem so ist, dann ist ihr der Sieg sicher, und durch sie wird „G“tt (Tora und Judentum) die Fluten erheben und Pferd und Reiter (das Gegenteil) ins Meer schleudern. Sie wird dies mit Freude – Trommeln und Tänzen – tun und man kann so zum Wochenabschnitt Jitro übergehen, zum Empfang der Tora übergehen, denn „unsere Kinder werden für uns bürgen“.

7. Damit wird auch verständlich, was im Midrasch (Tanchuma) zum Schriftvers steht „und es antwortet Miriam ihnen“ (Anm. d. Übers. hebräisch „lahem“ in der männlichen Form), obwohl es doch „lahen“ in der weiblichen Form hätte heissen müssen).

Dazu erzählt der Midrasch, dass als die Juden das Meer durchquerten und Lieder sangen, die Engel auch Lieder singen wollten und G“tt ihnen sagte: Zuerst werden die Juden singen und erst dann werdet ihr singen.

Damit erklärt der Midrasch die Wortwahl „jaschir Mosche“, denn während „schar“ die einfache Vergangenheit – sang – bedeutet, ist „jaschir“ die Befehlsform – es singe Mosche. So ordnet G“tt an, dass zuerst Mosche singen soll und danach die Engel.

Nachdem Miriam und die Frauen sangen, haben die Engel wieder gesagt, dass sie zwar Mosche und den Kindern Israels den Vortritt gelassen hätten, aber nun vor den Frauen singen wollten. Nach einer Meinung im Midrasch, hat man ihnen nachgegeben, einer zweiten Meinung zufolge aber, sangen auch die Frauen vor den Engeln.

Aber selbst jener Meinung zufolge, dass die Engel nicht auf die Frauen warten mussten, so konnten sie doch nicht singen, ohne vorher die Erlaubnis von Miriam zu bekommen, und dies ist die Bedeutung von „und es antwortet Miriam ihnen“, ihnen in der männlichen Form, d.h. die Erlaubnis, die Miriam den Engeln gab, vor den Frauen zu singen.

Daran erkennt man die Größe des Gesangs der Frauen, der nicht nur die unteren Welten, sondern auch die oberen Welten anrührt. Ihr Gesang ist früheren und höheren Ursprungs als selbst der, der Engel.

8. Das obengesagte ist eine Anweisung für jeden Juden: Wir dürfen uns vor nichts erschrecken: nicht vor Pharao, nicht vor dem Nil und nicht vor den üblen Plänen. Wenn wir die echten jüdischen Stärke nutzen, dann können wir auch in Ägypten, unter der Herrschaft von Pharao seinen Verfolgungen standhalten, seine Kinder auf dem Weg der Tora leiten, welcher zum Leben führt, nicht nur zum Leben in der kommenden Welt, sondern auch zum Leben in dieser Welt.

Es ist unsere Aufgabe, unsere Kinder so zu führen, dass sie sagen werden: „dies ist mein G“tt und ich verneige mich vor Ihm, der G“tt meiner Väter und ich werde ihn erheben“ – so werden sie gehen auf dem selben Weg, wie ihre Eltern.

Denn das ist echte „Naches“ – (Anm. d. Übers: Freude und Stolz) an den Kindern, und so heißt es auch weiter im Lied: „er wird uns bringen und niedersetzen am Berg Seines Erbteils“ und wir werden die Gnade erfahren, den Bau des dritten Tempel bald, in unseren Tagen zu erleben.

Und noch mehr. Wie der Midrasch ausführt, erkennen wir die Liebe G“ttes zu uns daran, dass er schon in der Wüste darauf wartete, endlich zum Berg Seines Erbteils – zu Seinem Tempel – zu gelangen, wie Er schon in der Wüste sagte „sie bereiteten mir einen Tempel und ich weilte in ihnen“.

So auch jetzt, in den wenigen, gezählten Tagen welche bis zur Ankunft von Moschiach gelblieben sind. Und dadurch, dass man sich von all den bösen Plänen nicht davon abhalten lässt einen Generation in den Wegen des Ewigen heranzuziehen, werden wir erfahren wie sich der Vers „sie bereiteten mir einen Tempel und ich weilte in ihnen“ in jedem jüdischen Haus erfüllt, und sobald Er dort weilt, wird es selbstverständlich auch nicht an Einkommen, Gesundheit und echter Naches an Kindern und Kindeskindern mangeln, viele und gute Jahre lang.