Im frühen neunzehnten Jahrhundert lebten wenige Chabad Chassidim in Amerika. Als einmal ein polnischer Chassid auf einen kurzen Besuch nach Amerika kam, traf er sich mit einem engen Freund, der ein paar Jahre zuvor eingewandert war. Sie umarmten sich wie in alten Zeiten.
"Was ist mit deiner Kippa?" der polnische Jude bemerkte, dass sein amerikanischer Freund eine sehr große Kippa trug, die fast seinen gesamten Kopf bedeckte, - nicht von der Art, die Chabad Chassidim für gewöhnlich tragen.
"Die Kippa ... nun, ich habe mir gedacht, dass im säkularen Amerika meine schlechten Neigungen noch mehr gefragt sein würden. Ich erwartete ein Bombardement an neuen innerlichen Ansprüchen, um meinen altmodischen europäisch jüdischen Standard zu verringern. So dachte ich, wenn ich diese Kippa tragen würde, könnte mein schlechter Hang sofort einen Angriffspunkt bieten. Und ich würde an der Verkleinerung meiner Kippa arbeiten, statt an der Reinheit meiner Mizwot."
Ich dachte stets, ich sei ein gesundheitsbewusster Typ. Im allgemeinen ernähre ich mich nahrhaft und ausgeglichen. Plötzlich fühlte ich mich gar nicht mehr so gesundheitsbewusst Aber das änderte sich schlagartig, als meine Freundin Chaya mich besuchte. Sie war nämlich zum Rohkost-Fan geworden. Sie isst nur Ungekochtes, Früchte und Gemüse, Nüsse und Saatgut, und andere tolle Nahrungsmittel, wie z.B. Beeren und Hanf-Eiweiße. Mit einem Schlag fühlte ich mich gar nicht mehr so gesundheitsbewusst.
Anfangs bedauerte ich sie wegen der vielen Einschränkungen. Aber Chaya schien über ihre Ernährung begeistert. In der Tat war ihr Enthusiasmus sogar richtig ansteckend. Rohköstler scheinen ständig danach zu streben, sich weiter zu verbessern, obwohl eine Verbesserung für gewöhnlich auch eine weitere Einschränkung ihrer Nahrungsmittel bedeutet. Sie sind emsig dabei, zu entwässern, zu entgiften und tote Lebensmittel gänzlich aus ihrem Leben zu verbannen.
Nachdem ich eine Woche mit ihr verbracht hatte, erschien mir das Ganze sogar verlockend. Kurz bevor sie ging, forderte sie mich zu einer dreiwöchigen Rohkost-Reinigung heraus.
Und nie schlage ich eine gute Herausforderung ab.
Es war zunächst hart, so radikal meine Essgewohnheiten zu verändern, aber überraschenderweise war es nicht schlecht – ganz und gar nicht. Eigentlich erlebte ich sogar eine tiefe Befriedigung darin, sicher zu sein, dass meine Nahrung mit aktiven Enzymen und Antioxidantien angereichert war.
Auf einmal war ich süchtig nach Rohkost, die entsetzliche Einschränkung schien mir wie ein privilegierter Prozess mit dem Ziel einer höheren Ebene von Sensibilität und Bewusstheit.
Überlassen wir die Entscheidung, ob Rohkost gesund ist, den medizinischen Experten, aber dennoch steckt in dieser Erfahrung eine kraftvolle Lektion. Ist dies doch ausgerechnet die jüdische Sichtweise auf G-ttes "Einschränkungen", seine Gebote. Die Begrenzungen schaffen einen Bereich, der förderlich ist für das optimale eigene Wohl, sowohl aus spiritueller als auch aus psychologischer Sicht. Die Einschränkungen werden zu einem weiterführenden Weg.
Mit einem Male werden diese Einschränkungen als etwas Heiliges angesehen, sie fühlen sich nicht länger einschränkend anMit einem Mal werden diese Einschränkungen als etwas Heiliges angesehen, als Gaben, sie fühlen sich nicht mehr einschränkend an. Im Gegenteil, wenn diese Einschränkungen der g-ttliche Schlüssel zu Sensibilität und Bewusstsein für G-tt sind, streben wir danach, die Begrenzungen zu festigen.
Im 3. Buch Mosche, Levitikus (18:30), ermuntert uns G-tt ausdrücklich, SEINE Begrenzungen zu schützen. Nachdem ER die moralischen Leitlinien für intime Beziehungen bekannt gibt, kommt er zu dem Schluss, "Du sollst schützen, was ich geschützt habe, auf dass du nicht tust irgendeine der abscheulichen Handlungen ...".
Wenn G-tt sagt, "Du sollst schützen, was ich geschützt habe", weist er damit unsere Weisen an, mit großer Vorsicht die g-ttlichen Gefahrenzonen zu schützen. In diesem Sinne führten die Weisen weitere Gesetzgebungen aus, um die Möglichkeiten, SEINE Verbote zu übertreten, zu vermindern. G-tt gab unseren Weisen volle Autorität, im Zusammenhang mit den Verboten der Tora neue Definitionen zu gestalten.
Viele ausdrückliche Anweisungen in der Tora nennen wir "Mizwot d´Oreita" (biblische Pflichten). Die Weisen, die gemäß g-ttlichem Auftrag handeln, alle Begrenzungen im Zusammenhang mit der Tora zu sichern, schafften zusätzliche Gesetze in Verbindung mit ihnen. Diese Anweisungen werden "Mizwot d´Rabbanan" genannt (rabbinische Gesetze).
So hat G-tt uns aufgefordert, kein Feuer am Schabbat zu machen, und die Weisen verbieten uns, eine Streichholzbox aufzunehmen. G-tt weist uns an, Fleisch und Milch nie zusammen zu verzehren, und die Weisen fordern uns auf, 6 Stunden nach dem Verzehr von Fleisch zu warten, bis wir Milch trinken. G-tt verbietet uns die nahe Beziehung zu irgendeinem anderen intimen Partner außer zu unserem Ehepartner. Die Weisen führen an, wir sollen uns nicht einmal mit einem Menschen des anderen Geschlechtes allein in einem geschlossenen Raum befinden.
Es gibt zwei Blickwinkel auf diese hinzugefügten Verbote.
Auf der einen Seite ist es schon schlimm genug, dass es so viele Verbote in der Tora gibt, warum also noch mehr hinzufügen? Lass uns einen Ausweg finden.
G-tt hat uns Werkzeuge gegeben, um unser Leben auf eine höhere Ebene zu bringenWenn G-tt es uns tatsächlich ermöglicht, unser Leben auf eine höhere Ebene zu bringen, und uns um eine Art „Pufferzone“ zum Anlegen dieses Handwerkszeugs anfleht, dann ist es mein Weg, dies zu schützen.
Neben den gesetzlichen "Mizwot d´Rabbanan" gibt es noch Möglichkeiten, aus freien Stücken Mizwot aufzuwerten. Wenn wir G-ttes Beschränkungen als Schablone für ein höheres bewussteres Leben ansehen, dann führt dessen größere Beachtung zu lebhafteren Ergebnissen. Auf diese Weise haben im Wandel der Zeiten viele gewissenhafte Menschen dazu herausgefordert, sogar über die Gesetzesschriften hinaus zu gehen.
Menschen, die nach einer höheren Ebene an Sensibilität streben, versuchen, extra koscher zu leben, und sind keine Sklaven ihrer Nahrungsmittel. Sie denken nicht daran, am Schabbat einem Geschäft nachzugehen. Sie bemühen sich, in Unterhaltungen bescheiden und nicht kokett zu sein.
Aber dies ist nicht in der Tora geschrieben! Und schon das Volk, das ... schien eine tiefe Befriedigung darin zu finden, die g-ttlichen Auflagen zu schützen, die heilige Orte in unserem Leben schaffen.1
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