Vespasian zog gegen sie. (Neros Nachfolger ernannte Vespasian als neuen Kommandeur der Truppen, welche die Rebellion niederschlagen sollten.) Er kam und belagerte Jerusalem für drei Jahre. Dort wohnten drei wohlhabende Menschen: Nakdimon ben Gurion, und Ben Kalba Savua, and Ben Tzitzis Hakeses.
Einer sagte: „Ich werde die ganze Stadt mit Weizen und Gerste versorgen.“ Und einer sagte: „Ich werde sie mit Wein, Salz und Öl versorgen.“ Und einer sagte: „Ich werde sie mit Holz (zum kochen und heizen) versorgen.“
Die Rabbiner lobten besonders denjenigen, der Holz spendete. Raw Chisda sagte: „Ein Speicher mit Weizen erfordert sechzig Speicher mit Holz (um aus dem Weizen Brot zu backen).“ Sie öffneten ihre Speicher und es wurde offenbar, dass sie die Versorgung für 21 Jahre sicherstellen konnten.
Es gab unter ihnen eine Gruppe Birjonim. Die Weisen sagten zu ihnen: „Lasst uns hinausgehen und mit den Römern Frieden schließen.“ Dies untersagten sie aber den Weisen und sagten vielmehr zu ihnen: „Lasst uns hinausgehen und mit ihnen Krieg führen.“
Die Weisen sagten zu ihnen: „Wir werden dadurch nicht erreichen.“ Die Birjonim erhoben sich und brannten die Speicher für Weizen und Gerste nieder, so dass eine Hungersnot ausbrach.
Rabbi Jochanan ben Sakkai ging zum Markt und sah die Einwohner Jerusalems Stroh kochen und Wasser trinken. Er sagte: „Können Menschen, die Stroh kochen und Wasser trinken, den Legionen Vespasians widerstehen? Ich habe keine andere Wahl mehr, als Jerusalem zu verlassen (und zu versuchen die Belagerung zu beenden).“
Abba Sikra ben Batjach war der Führer der Birjonim von Jerusalem, er war der Sohn von Rabbi Jochanan ben Sakkais Schwester. Rabbi Jochanan ben Sakkai sandte ihm eine Botschaft: Komme im Geheimen zu mir … und er kam.
Rabbi Jochanan sagte zu ihm: „Wie lange wollt ihr auf diese Art fortfahren (Wie lange wollt ihr noch versuchen die Rabbiner zu hindern mit den Römern zu verhandeln, um die Belagerung aufzuheben), und somit bewirken, dass jeder an Hunger stirbt?“ Abba Sikra entgegnete: „Was kann ich tun? Wenn ich etwas zu ihnen sage, so werden sie mich töten.“
Rabbi Jochanan sagtge zu ihnen: „Ersinne einen Plan, welcher es mir möglich macht die Stadt zu verlassen. Vielleicht kann noch etwas gerettet werden.“
Abba Sikra sagte: „Gib vor, dass du krank bist, so werden alle kommen, um dich zu besuchen. Stelle dann einen übel riechenden Gegenstand neben dich und sie werden sagen, dass du gestorben bist. Deine Schüler werden kommen und dich tragen, aber erlaube niemandem sonst dich zu tragen, so dass niemand davon Kenntnis erlangt, dass dein Körper leicht ist, denn die Menschen wissen, dass lebende Körper leichter sind als tote.“
Rabbi Jochanan tat eben dies. Rabbi Elieser hielt die eine Seite und Rabbi Jehoschua eine andere Seite (der Bare, auf welcher Rabbi Jochanan lag). Als sie auf ihrem Weg das Tor erreichten, welches aus der Stadt hinausführte, wollten diejenigen, die das Tor bewachten, den Körper durchstechen (um sicherzugehen, dass der Körper, der transportiert wurde, wirklich ein Leichnam war). Abba Sikra (der die Bare seines Onkels begleitete) sagte: „Sie (die Römer, die die Leichnamsprozession beobachten) werden sagen: ‚Sie erstechen ihren größten Rabbiner’ (sie werden eure Handlungen als eine Erniedrigung ansehen).“ Da wollten ihn die Wachen stoßen (ob festzustellen, ob Rabbi Jochanan wirklich tot war, wenn er aber am Leben wäre, so würde er vor Schmerzen schreien). Abba Sikra sagte: “Die Römer werden sagen, ‘Sie stoßen ihren großen Rabbiner.’” Sie öffneten die Tore und Rabbi Jochanan kam aus der Stadt.
Sie trugen ihn, bis sie zu im Lager der Römer zu Vespasian kamen. Rabbi Jochanan sagte: „Friede sei mit dir, König! Friede sei mit dir, König!“ Vespasian entgegnete: „Du hast zwei Dinge begangen, welche die Todesstrafe verdienen: Zum einen bin ich kein König und du hast mich König genannt. Und zum anderen – wenn ich ein König wäre, warum kommst du dann erst jetzt?“
Rabbi Jochanan antwortete: “Im Hinblick auf eure Äußerung, ‘Ich bin kein König’, ist die Wahrheit, dass ihr ein König seid. Wenn ihr kein König wäret, würde Jerusalem nicht in deine Hände fallen, denn es steht geschrieben (Jeschajahu 10:34): Und der Libanon wird durch einen Großen fallen. Das Wort ‚Großer’ wird nur für Könige verwendet, wie es heißt (Jirmijahu 30:21): Und seine (des Königs) Größe soll von ihm kommen. Und der Begriff ‚Libanon’ bezieht sich nur auf den Beit HaMikdasch, wie es in der Tora (Dwarim 3:25) heißt: Dieser gute Berg, der Libanon.”
“Im Hinblick auf eure Äußerung, ‘Wenn ich ein König wäre, warum kommst du dann erst jetzt?’ – Die Birjonim unter uns erlaubten uns nicht die Stadt zu verlassen.“
Vespasian antwortete: „Wenn sich um ein Honigfass eine Schlange wickeln würde, würde man wegen der Schlange nicht das Fass zerbrechen (d.h., ihr solltet mit den Birjonim kämpfen, so dass zumindest ein Teil der Bevölkerung – der Honig im Fass – gerettet würde)?!“ Rabbi Jochanan war still.
Rabbi Josef zitierte den folgenden Vers (Jeschajahu 44:25) (Bezug nehmend auf die eingekehrte Stille Rabbi Jochanans), und einige sagen, dass es Rabbi Akiwa gewesen sei (der den Vers zitierte): Er macht Weise rückwärts kehren und ihre Gedanken töricht.“ Rabbi Jochanan hätte Vespasian sagen sollen, „Ich würde Zangen nehmen, die Schlange entfernen und sie töten, und das Fass würde unversehrt verbleiben.“
Manche sagen, dass dabei vier Fürsten anwesend gewesen sind: ein arabischer, mit Namen Pangar, ein Fürst aus Afrika, ein Fürst aus Alexandria und ein Fürst aus Palästina. Sie begannen Rabbi Jochanan Rätsel zu stellen: „Was ist zu tun, wenn eine Schlange in einem Krug gefunden wird?“
Rabbi Jochanan antwortete: „Ein Schlangenbeschwörer wird herbeigerufen um die Schlange herauszulocken und der Krug verbleibt unversehrt.“ Pangar sagte: „Die wird getötet und der Krug zerbrochen.“
(Dann fragten sie ihn:) „Wenn eine Schlange in einem Turm vorgefunden wird, was wird getan?“ Rabbi Jochanan entgegnete: „Ein Schlangenbeschwörer wird herbeigerufen um die Schlange herauszulocken und der Turm bleibt unversehrt.“ Pangar sagte: „Die wird getötet und der Turm wird verbrannt.“
Rabbi Jochanan sagte zu Pangar: „Alle unsere Nachbarn, die Böses tun, tun es sich selbst an. Ist es nicht genug, dass du nicht versuchst, uns zu verteidigen? Musst du uns auch noch anklagen?“
Pangar entgegnete: „Ich möchte doch nur euer Gutes, denn solange das Haus (der Beit HaMikdasch) steht, streiten die Völker mit euch. Wenn dieses Haus aber zerstört ist, werden sie von den Kämpfen ablassen.“
Rabbi Jochanan entgegnete: „Das Herz weiss, ob deine Worte unredlich oder ehrlich gemeint sind.“
In der Zeit (während Rabbi Jochanan und Vespasian miteinander sprachen) kam ein Bote aus Rom und sagte zu Vespasian: „Stehe auf, denn der Kaiser ist gestorben, und die großen Männer Roms (d.h., der römische Senat) haben dich an ihre Spitze gewählt.“
Vespasian hatte nur einen Schuh an und er versuchte den anderen anzuziehen, doch er passte nicht. Er sagte: „Was ist geschehen (d.h., warum ist mein Fuß plötzlich angeschwollen, so dass der Schuh nicht mehr passt)?“ Rabbi Jochanan sagte ihm: “Sorge dich nicht darum, dafür hast du gute Nachrichten erhalten (und darum ist dein Fuß angeschwollen), wie der Vers (Mischlei 15:30) besagt: Eine gute Neuigkeit lässt die Knochen anschwellen. Wie kann dies geheilt werden (d.h., was kann man tun, damit der Schuh wieder passt)? Lass eine Person erscheinen, welche du nicht magst und lass ihn vor dir vorbeigehen, wie der Vers (ebenda 17:22) sagt: Und eine schlechte Laune vertrocknet das Gebein.“ Er folgte dem Ratschlag und der Schuh passte.
Vespasian sagte zu ihm: “Da ihr so weise seid, Warum seid ihr nicht früher zu mir gekommen?” Rabbi Jochanan antwortete: „Habe ich es euch nicht gesagt (, dass die Birjonim niemandem gestatteten die Stadt zu verlassen)?“ Vespasian entgegnete: „Ich sagte dir ebenfalls, dass ihr mit den Birjonim hättet kämpfen sollen.“
Er sagte dann zu Rabbi Jochanan: „Ich gehe nun und eine andere Person wird gesandt (die Legionen anzuführen). Bitte dir etwas aus, was ich dir geben kann (als eine Belohnung dafür, dass du mir die Neuigkeiten überbracht hast, dass ich dazu bestimmt wurde Kaiser zu werden).“
Er sagte zu Vespasian: „Gib mir Javne und seine weisen Männer, die Nachkommen Rabban Gamliels, und einen Arzt um Rabbi Zaddok zu heilen.“
Rabbi Josef zitierte den folgenden Vers (Jeschajahu 44:25) (bezüglich Rabban Jochanans Bitten), und andere sagen, dass es Rabbi Akiwa war (der den Vers zitierte): „Er macht Weise rückwärts kehren und ihre Gedanken töricht.“ Rabbi Jochanan sollte ihm gesagt haben: „Verlass es dieses eine mal (d.h., beende die Belagerung Jerusalems als Zeichen des guten Willens).“ Aber Rabbi Jochanan dachte, dass er (Vespasian) es ihm nicht erlaubt hatte und auch eine begrenzte Rettung ein Erfolg sei.
Andere behaupten, dass Rabbi Jochanan Vespasian in der folgenden Art antwortete: „Ich bitte dich, verschone dieses Land.“ Vespasian sagte: „Ernannt mich Rom, damit ich dieses Land verschone? Stelle eine andere Bitte und ich werde sie dir gewähren.“
Rabbi Jochanan bat dann: “Lasse das Westtor, nach Lod, offen, so dass jeder der fliehen möchte, die Stadt innerhalb vier Stunden verlassen und sich retten kann.”
Als die Stadt erobert worden war, sandte Vespasian eine Nachricht an Rabbi Jochanan. „Wenn es jemanden in der Stadt gibt den du liebst oder der mit dir verwandt ist, teile ihnen mit, dass sie die Stadt verlassen sollen, bevor meine Legionen einrücken.“
Rabbi Jochanan sandte Rabbi Elieser und Rabbi Jehoschua um Rabbi Zaddok hinauszugeleiten. Sie gingen und fanden ihn an einem Stadttor sitzend. Als er (Rabbi Zaddok in das römische Lager) kam, erhob sich Rabbi Jochanan.
Vespasian sagte: „Vor einem alten, schwachen Mann stehst du auf?“
Rabbi Jochanan antwortete: „Glaub mir, hätte es einen anderen wie ihn gegeben, es wäre dir auch mit doppelt so vielen Soldaten nicht gelungen die Stadt zu erobern.“
Vespasian fragte: „Was zeichnet ihn aus?“
Rabbi Jochanan antwortete: „Es ass eine einzelne Gamus und es sättigte ihn für hundert Kapitel (d.h., es gab ihm ausreichend Nahrung um hundert Kapitel Tora zu lernen).“
Vespasian fragte dann: „Warum ist er so abgemagert?“
Rabbi Jochanan erklärte: „Wegen seinem Fasten.“ Sie brachten Ärzte herbei um ihn langsam zu ernähren, bis sein Körper sich wieder erholt hatte.
Als Vespasian die Stadt eroberte, verteilte er die vier Seiten der Mauern an die vier Fürsten. Die Westmauer fiel in die Hände von Pangar und es wurde im Himmel entschieden, dass sie niemals zerstört werden sollte, weil der Ort der Ruhe der Schechina im Westen ist.
Vespasian liess ihn (Pangar) rufen und fragte: „Warum hast du nicht zerstört, was ich dir gegeben habe?“ Er entgegnete: „Ich brachte dem Imperium Ruhm, denn hätte ich es ebenfalls zerstört, so hätte niemand gewusst was du zerstört hast. Nun werden es die Menschen sehen und werden sagen: ‚Siehe die Größe Vespasians und was er zerstört hat!’“
Vespasian sagte ihm: „Du hast richtig gehandelt. Da du aber meinem Befehl zuwider gehandelt hast, besteige das Dach und springe in die Tiefe. Wenn du am Leben bleibst, dann lasse ich dich leben. Und wenn du stirbst, stirbst du.“ Pangar kletterte auf das Dach, sprang und starb – und die Worte Rabbi Jochanan ben Sakkais erfülltet sich.
ב"ה
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