Historischer Hintergrund

Die Ära des Zweiten Tempels umfasste 420 Jahre und endete mit der römischen Zerstörung des Heiligen Tempels im Jahre 70 CE. Die größte Zeit war dies eine Ära der großen politischen Veränderungen und der religiösen Zwietracht. Es gab die ständige Gefahr der Invasion durch andere Staaten. Judäa war für einen Großteil dieser Zeit unter fremder Herrschaft. Es gab den ständigen Kampf um die Vormachtstellung zwischen den religiösen und den politischen Führern. Ein großer Zeitraum dieser Epoche war ebenfalls durch die ständige interne religiöse Auseinandersetzung zwischen den rabbinischen Pharisäern und den revisionistischen Sadduzäern geprägt.

Die einzige strahlende Zeit des Friedens und der Ruhe war während der 10jährigen Regentschaft von Königin Schlomis Alexander (76 – 66 BCE). Schlomis Alexander war die Nachfolgerin von ihrem Ehemann, König Jannai. Zusammen mit ihrem Bruder, Rabbi Schimon ben Schetach, brachte sie dem Land politische und religiöse Einheit. Die Königin stellte eine starke Armee auf um das Land zu verteidigen. Rabbi Schimon ben Schetach errichtete ein, über das Land verteiltes, öffentliches System von Jeschiwot; jedem Kind wurde Bildung zuteil. Während dieser Jahre war das Land gesegnet. Kein Feind wagte es einzufallen. Religiöse und moralische Ideale gediehen. Die Ökonomie entwickelte sich sehr gut.

Aber Königin Schlomis wurde alt und gebrechlich, und ihre Regentschaft kam an ihr Ende. Sie hatte zwei Söhne. Ihr älterer Sohn, Hyrkanus, war von Natur aus sanftmütig und würde ein untauglicher Nachfolger auf dem Thron werden. Die unmäßigen Ambitionen ihres jüngeren Sohnes, Aristobulus, machten ihn ebenfalls zu einem unpassenden Kandidaten. Die Weisen, die die Wahrscheinlichkeit ziviler Unruhen vorhersahen, zogen sich aus der politischen Debatte zurück.

Nach dem Tod der Königin war das Volk gespalten, welcher der beiden der Nachfolger auf ihrem Thron werden sollte. Es folgten blutige Unruhen und das Land verfiel in einen Bürgerkrieg. Um ihren unschuldigen Landsleuten weiteren Gewalttaten zu ersparen, willigten die beiden Brüder ein den römischen General Pompei als Vermittler einzusetzen. Er würde entscheiden, wer der zukünftige König sein würde. Pompei erwählte den sanftmütigen Hyrkanus in der Absicht ihn als Marionette fungieren zu lassen und Judäa zu einer weiteren Provinz des expandierenden römischen Imperiums zu machen.

Viele Juden, die treu zu Aristobulus standen, weigerten sich die Entscheidung Pompeis zu akzeptieren. Ein Kampf brach in Jerusalem aus. Der Tempel wurde für die Rebellengruppe zur Festung. Im Jahre 63 BCE erreichten die Truppen Pompeis die Heilige Stadt und schlugen die Rebellion nieder. Hyrkanus wurde als Marionettenkönig und Kohen Gadol eingesetzt. Aristobulus wurde gefangen genommen. Die Revolutionäre wurden hingerichtet. Indem Pompei erlaubt wurde sich in die inneren Angelegenheiten des Heiligen Landes einzumischen, gaben Hyrkanus und Aristobulus, unbeabsichtigter Weise, Judäa in die Hände des römischen Imperiums.

Judäa wurde durch die Römer aufs Schwerste besteuert und unter die allgemeine Zuständigkeit des Prokonsuls von Syrien und Judäa gestellt. Für Judäa wurde ein römischer Gouverneur ernannt. Obwohl es verschiedene Versuche durch die Juden gab, sich gegen die Missstände, unter den römischen Prokonsuln und Gouverneuren, zu erheben, ertrugen die Juden diese Härten mit einem gewissen Grad der Würde.

Um den Geist des jüdischen Nationalismus zu bändigen, unterteilte man Judäa in fünf Staaten. Das Sanhedrin wurde offiziell aufgelöst und war gezwungen sich im Geheimen zu versammeln. Personen aus anderen Teilen des römischen Imperiums wurden im Land angesiedelt um eine nichtjüdische Bevölkerungsmehrheit zu erhalten.

Im Jahre 66 CE wurden die Juden in vielen Küstenstädten als abgelehnte Außenseiter angesehen. Sie litten unter dem Spott der Europäer, die in diese Städte gezogen waren. Die verachteten Juden wurden Opfer von Mord und Diebstahl. Der römische Gouverneur von Judäa, Florius, inhaftierte jeden Juden, der eine Klage gegen einen Ausländer vorbrachte, gleich ob die Klage gerechtfertigt war oder nicht. Was die Juden rasend machte war, dass Florius den Tempelschatz zu Gunsten seines persönlichen Reichtums plünderte. Er bestärkte römische Soldaten Unruhen in den jüdischen Vierteln anzustiften. An einem Tag im Jahre 66 CE wurden 3'600 Juden in Jerusalem getötet.

Florius hoffte, dass die Juden von Jerusalem sich für das grausame Massaker rächen würden. Auf diesem Wege hätte er die Massentötung der ganzen jüdischen Bevölkerung befehlen können, ihrer Besitztümer einziehen und den Heiligen Tempel plündern können. Zu seiner Bestürzung organisierten die Juden einen Demonstrationszug, mit dem sie um Frieden mit dem Gouverneur nachsuchen wollten. Die römischen Soldaten, begierig nach Blut, griffen die Menge an und töteten viele Juden. Die Soldaten setzten ihren Angriff in Richtung Tempelberg fort.

Viele Juden hatten sich in dem Tempel versammelt um die Eingänge zu blockieren und die römischen Soldaten wichen zurück. Der Gouverneur Florius befürchtete mögliche Vergeltungsmassnahmen durch den Prokonsul und wich zurück auf seinen Landsitz in Caesarea. Florius hatte die Bilder der Morde und der Unruhen in seinem Gedächtnis unterdrückt, doch die Juden würden und konnten nicht vergessen. Die erste Revolte gegen die Römer hatte begonnen.

Im ganzen Land brachen Unruhen gegen die Römer aus. Der Prokonsul Cestius Gallus war sich nicht sicher, ob sich die Unruhen nur gegen den Gouverneur Florius oder gegen Rom richteten. Gleich wie, der Aufruhr bedrohte die römische Vorherrschaft. Cestius Gallus brachte viele eine große Armee mit sich um Jerusalem zu unterwerfen. Am achten Tag des Monats Cheschwan, 66 CE, erlitt Cestius Gallus eine demütigende und vollkommene Niederlage.

In Rom verband sich die Nachricht der Demütigung mit heftiger Feindseligkeit. Kaiser Nero sandte seinen fähigsten General, Vespasian, mit 60'000 römischen Soldaten, um die Revolte in Judäa zu ersticken. Die anfänglichen militärischen Aktionen Vespasians richteten sich auf das nördliche Galiläa. Die des Kampfes ungewohnten jüdischen Aufständischen waren für die disziplinierten römischen Soldaten keine Gegner. Eine galiläische Stadt nach der anderen fiel in die Hände der Römer.

Vespasian richtete nun seine Augen auf die Heilige Stadt, Jerusalem.

Kamza & Bar Kamza

Dies ist die tragische Geschichte des Unterganges einer Volkes. Es ist die Geschichte eines einstmals stolzen und vornehmen Volkes herabgesetzt zu einem Volk der Wanderer, Bettler und Sklaven, einem Volk, einstmals bewundert und verehrt, welches zum Ziel von Verachtung und Hass wurde. Es ist die Geschichte des jüdischen Volkes. Wie kam es dazu?

Ein Jude hatte einen Freund mit Namen Kamza und einen Feind, der Bar Kamza hiess. Der Jude veranstaltete ein großes Festmahl wies seinen Diener an Kamza einzuladen. Der Diener lud aber fälschlicherweise Bar Kamza ein. Bar Kamza legte die feinsten Kleider an und besuchte das Festmahl, er nahm an, dass der Jude ihre vergangenen Auseinandersetzungen vergeben hätte.

Als der Jude, der das Festmahl ausrichtete, Bar Kamza antraf, forderte er, dass Bar Kamza sofort ginge.

„Was wollt ihr hier?“ fragte er aufgebracht. „Ihr erzählt Lügen und falsche Geschichten über mich und ihr habt die Dreistigkeit an meinem Essen und Trinken teilzuhaben?“

„Da ich hier bin“, erwiderte Bar Kamza, „erlaube mir zu bleiben. Ich werde für alles zahlen was ich essen und trinken werde.“

Der Jude wies das Angebot verärgert zurück.

„Dann erlaube mir die Hälfte der Kosten des gesamten Festes zu übernehmen“, bat Bar Kamza.

„Nein“, antwortete der gekränkte Jude.

„Dann möchte ich die ganzen Kosten des Festmahls übernehmen, aber bringe mich nicht in weitere Verlegenheit“, bat Bar Kamza. Der unnachgiebige Jude verwies Bar Kamza des Festes und warf ihn auf die Straße.

Bar Kamza stand auf, schüttelte den Staub von seinen Kleidern und schrie mit Entrüstung, „Oh großer und ehrenwerter Rabbi Secharia ben Awkulas, Ihr ward bei diesem Fest anwesend und seid nicht zu meiner Verteidigung gekommen. Auch Ihr seid Herabsetzung beteiligt gewesen. Ihr habt geschwiegen. Auch Ihr werdet noch bedauern was passierte.“

Bar Kamza ging zu Kaiser Nero und erzählte ihm, dass die Juden einen Aufstand gegen Rom planten.

„Woher weiß ich, dass dieses wahr ist?“ fragte Nero.

„Sende ein Opfertier zum Tempel und sieh, ob es, wie in den Tagen, angenommen werden wird“, sagte Bar Kamza.

Nero sandte ein ausgesuchtes Kalb als Brandopfer, mit Bar Kamza, zusammen mit einer Delegation von Römern, welche ihn begleiteten. Auf der Reise verletzte Bar Kamza das Tier, damit es als Opfer nicht mehr zulässig ist. Als Bar Kamza und die römische Delegation mit dem Opfertier an den Toren des Tempels erschienen, waren die Rabbiner geneigt das unzulässige Opfer zu akzeptieren, um den Kaiser nicht zu beleidigen. Rabbi Secharia ben Awkulas beharrte allerdings darauf, dass das unzulässige Opfer nicht dargebracht werden konnte. Die Rabbiner realisierten, dass Bar Kamza dem Tier die Verletzung beigebracht hatte, damit es nicht dargebracht werden konnte, und man versuchte Bar Kamza zu töten.

„Ist die Todesstrafe die Art der Strafe für die Verletzung eines Opfertieres?“ fragte Rabbi Secharia. „Sicherlich nicht. Lasst Bar Kamza zurückgehen und in Rom vortragen was sich ereignet hat. Wir haben nichts zu befürchten.“

Die Delegation kehrte nach Rom zurück und erzählte dem Kaiser, dass sein Opfer nicht angenommen wurde. Kaiser Nero war rasend vor Wut, und die Ausläufer seiner Wut brachten eines der dunkelsten Kapitel in unserer langen und leidensreichen Geschichte.