Außer dem Gebot, in der Sukka zu wohnen, gibt es noch eine ganze Reihe anderer Vorschriften für das gegenwärtige Sukkot-Fest, zum Beispiel: das Hochnehmen der "vier Gattungen" (den Etrog – Paradiesapfel, Lulaw – Palmenzweig usw.) und andere. Jedoch ist der Name dieses Feiertages nicht das "Fest des Etrog", sondern das Fest von Sukkot – das ist das hebräische Wort für die Hütte, die von der Tora als Wohnung für den Juden für die Dauer des Feiertages vorgeschrieben ist. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass der Mizwa (Vorschrift), in der Sukka zu wohnen, gewisse höhere Charaktereigenschaften innewohnen, die andere für diesen Festtag gültige Vorschriften nicht besitzen.
Erstens fängt die Mizwa, in der Sukka zu wohnen, mit dem ersten Augenblicke des Feiertages sofort an, während das Gebot der "vier Gattungen" erst am nächsten Morgen angeht.
Zweitens hat man, sobald man die "vier Gattungen" in der vorgeschriebenen Weise gehalten und den Segensspruch über sie ausgesprochen hat, seine Pflicht hinsichtlich dieses Gebotes vollständig erfüllt, und für den Rest des Tages ist man nicht mehr daran gebunden. Anders aber ist es in Bezug auf die Sukka, denn wir sind angehalten (Talmud Sukka 28b; Schulchan Aruch Haraw 639, 1), in der Sukka genau so zu wohnen, wie wir uns gewöhnlich in unserer ständigen Wohnung aufhalten – d.h. uns so zu führen, als sei die Sukka tatsächlich unser Haus. Folglich geht die Vorschrift der Sukka fortlaufend während des ganzen Festes an, von seinem ersten Augenblick bis zum letzten.
Überdies jedoch hat die Sukka eine einzigartige weitere Eigenschaft, die sie in eine höhere Kategorie als alle anderen Vorschriften einordnet. Alle anderen Gebote der Tora werden entweder mit bestimmten Gliedmassen des menschlichen Körpers ausgeführt oder bedürfen spezifischer Betätigungen des Menschen. Zum Beispiel ist die Mizwa von Tefillin mit dem linken Arm und dem Kopf verbunden; das Gebot, seinen Nächsten zu lieben, steht im Zusammenhang mit dem Herzen; usw. Die Vorschrift der Sukka dagegen schließt den ganzen Körper ein und erstreckt sich auf alle Betätigungen jeder einzelnen Person. Auch während der Sukkot-Tage führt man sein persönliches Leben fort und folgt den gleichen Betätigungen wie in jeder anderen Woche auch – Essen, Trinken, Schlafen usw. Doch in der Sukka werden diese gleichen Tätigkeiten zu Mizwot – G-ttliche Gebote und geheiligte Handlungen!
In diesem Wesen der Sukka liegt für uns eine wichtige Lehre: Nicht nur zu den Zeiten der Gebete oder des Tora-Studiums müssen wir G-tt dienen, sondern selbst beim Essen, Trinken und Schlafen.
Sukkot wird in der Tora als "Zeitpunkt unserer Freude" bezeichnet. Bei diesem Feiertag stellen sich tatsächlich zwei Aspekte von Freude heraus; nämlich einmal die frohe Stimmung, die durch einen Jom Tov (Feiertag) an sich schon hervorgerufen wird, und zum zweiten die mehr spezifische Freude, die mit Sukkot selbst verbunden ist. Dieser zweite Gesichtspunkt hat seine Ursache und Wurzel in den für dieses Fest besonders angehenden Mizwot, und das sind vornehmlich die Vorschriften von Sukka selbst, von dem Schwingen der "vier Gattungen" und von den "Wasserschöpf-Festlichkeiten", die im Heiligtum durchgeführt wurden, solange der Tempel bestand.
So also erhält die Aufgabe, sich zu freuen, eine mehrfache Betonung gerade an diesem Feiertage.
Ein talmudisches Prinzip besagt: "Wer kein Heim hat, ist kein (vollständiger) Mensch". Das bedeutet, dass jemand ohne Heim und Wohnstätte nie vollkommen sein kann; jedermann braucht Wohnsitz und Unterkunft. Dies gilt nicht nur für die Zeit, die er tatsächlich zu Hause zubringt, sondern für jeden einzelnen Augenblick des Lebens. Die bloße Tatsache, dass er ein Heim besitzt, erhöht seinen Stand, vervollkommnet seinen Zustand. Daraus folgt, dass zu Sukkot – wenn man die Sukka zu seinem "Heim" machen muss – diese Sukka seinen Zustand vervollkommnet, selbst auch dann, wenn er gerade einmal nicht darin sitzt.
Der Monat Tischrei schließt, traditioneller Auffassung gemäß, sozusagen das ganze Jahr in sich ein, und so haben alle auf diesen Monat bezüglichen Mizwot eine spezifische Bedeutung für die religiöse Haltung des Juden das ganze Jahr hindurch. Die Relevanz von Sukkot in diesem Zusammenhang ist wie folgt:
Von jedem Juden wird erwartet: "Kenne Ihn in all deinen Wegen!". Anders ausgedrückt heißt dies, dass alle persönlichen Angelegenheiten, auch die weltlichen, in Verbindung mit G-tt stehen müssen. Nicht nur dann, wenn wir Tora lernen oder unsere Gebete verrichten, sollen wir G-tt dienen, sondern auch wenn wir uns mit weltlichen Dingen abgeben, sollen diese ihre Bestimmung durch eine Verknüpfung mit dem G-ttlichen erfahren. Die Fähigkeit und das Vermögen, dieses zu erzielen und durchzuführen, können wir durch die Mizwa der Sukka erwerben.
Wenn man während dieses Feiertages in der Sukka schläft, erfüllt man eine Mizwa, und sogar wenn man gerade nicht in der Sukka verweilt, auch dann hat man sich von der Mizwa nicht getrennt; und aus diesem Sachverhalt sprießen die Kraft und der Wille, G-tt das ganze Jahr hindurch auch in den alltäglichen Dingen zu dienen.
Der Talmud nennt die Mizwa von Sukka eine "leichte Mizwa". Daraus folgt dieses: Wenn ein Jude in allen Umständen und unter allen Bedingungen sich vornimmt: "Ich bin ein Diener des Königs der Könige", dann fällt es ihm eigentlich leicht, zu erreichen, dass auch seine weltlichen Beschäftigungen und Geschäfte in angebrachter und richtiger Weise geführt werden – womit er automatisch ein Heiligtum für G-tt hier auf Erden errichtet.
Und wenn jemand dies vollständig und durchaus konsequent in die Tat umsetzt, dann wird auch G-ttes Segen wirkungsvoll all seinen persönlichen Belangen zuteil.
Als ein Gedanke von aktueller Wichtigkeit sei noch hinzugefügt, dass eine Sukka immer die Bezeichnung "Sukka des Friedens" trägt, wie es ja auch im Text unserer Gebete heißt: "Breite über uns die Sukka Deines Friedens aus." Friede muss, zu allererst, eine persönliche Sache sein, er muss im Herzen jedes Juden verankert sein. Hinzu kommt, als weiterer Gesichtspunkt, dass wir einen wahren Frieden im Lande Israel haben müssen, und damit dann den Frieden auf der ganzen Welt.
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