XV. Der Midrasch Tanchuma1 kommentiert den Vers: „Wenn du Geld leihst Meinem Volk, dem Armen, der bei dir ist“, dass das Verleihen von Geld an die Armen gleichbedeutend ist mit dem Verleihen an G-tt. So steht geschrieben: „Wer dem Armen großzügig gibt, leiht dem Ewigen, und Er wird ihm [für sein Handeln] zurückzahlen.“2

Wenn G-tt auszahlt, tut er es nach Seinem Maß. Da G-tt unendlich ist, entschädigt Er ohne Grenzen.

Bei einem Farbrengen von Jud Schewat [5718] diskutierten wir die Ausführungen des Zemach Zedek in seinem Sefer haChakira3 zu dem Thema, dass es unmöglich ist, dass die tatsächliche Unendlichkeit in Geschöpfen wohnt; denn Geschöpfe sind endlich – daher wird eine inhärente Kraft, egal wie sehr sie zunimmt, immer endlich bleiben.

Diese Begrenzung gilt jedoch nur für die tatsächliche Unendlichkeit; was aber die Fähigkeit betrifft, so kann G-tt sie den Geschöpfen ununterbrochen geben, Generation für Generation, endlos. Auf einer tieferen Ebene: Ein Wesen, das zeitlich begrenzt ist, beginnt von Anfang an auf das Ende zuzugehen – sich zu verändern und schwächer zu werden –, wie ein bekannter Ausdruck4 es formuliert: „Geschaffene Wesen5 befinden sich vom Tag ihrer Erschaffung an in einem ständigen Prozess des Verwelkens.” Wenn man also eine Ausstrahlung feststellt, die über eine sehr lange Zeitspanne hinweg nicht schwächer wird,6 sondern genau das Gegenteil eintritt, gehört sie zur Kategorie der tatsächlichen Unendlichkeit. Dies ist die allgemeine Bedeutung einer Ausdehnung des Unendlichen ins Endliche.

Zedaka (Wohltätigkeit) ist gleichbedeutend mit allen Mizwot.7 Unter den verschiedenen Stufen der Zedaka ist Gemilut Chassadim die höchste.8 Unsere Weisen sagten:9 Gemilut Chassadim ist höher als Zedaka, denn Zedaka kann nur den Armen gegeben werden, während Gemilut Chassadim sowohl den Armen als auch den Reichen gilt. Zedaka setzt voraus, dass es einen Reichen und einen Armen gibt; denn wenn alle reich wären, „Liebe und Wahrheit, wer würde sie praktizieren?“10 So „sollen die Bedürftigen nicht aus dem Lande schwinden.“11 Um liebende Güte und Wohltaten (Gemilut Chassadim) auszuüben, braucht man keinen Armen, denn man kann sie auch einem Reichen zukommen lassen – und so „soll es keinen Bedürftigen in deiner Mitte geben.“12

Heute Abend findet die Jahresversammlung der Free Loan Association-Shomrei Shabbat statt. (Eigentlich ist der Begriff Shomrei Shabbat [Hüter des Schabbat] im Namen unpassend. Bei Gemilut Chassadim gibt es keinen Unterschied zwischen arm und reich, also sollte es auch keine anderen Unterscheidungen geben. Wahrscheinlich soll der Begriff aber nur ein Endziel sein.13 ) Jeder sollte sich beteiligen und dem Fonds über einen möglichst langen Zeitraum Geld leihen. Auf diese Weise kann der Fonds über einen längeren Zeitraum große Summen verleihen, und alle Teilnehmer halten sich so an das Gebot von Gemilut Chassadim.

Bei Gemilut Chassadim gibt es keine Einschränkung in Bezug auf die Kreditvergabe an Arme oder Reiche, also darf es auch keine Einschränkung in Bezug auf die Teilnehmer geben. Daher sollte jeder zu diesem Fonds beitragen.

Dies stimmt mit der heutigen Paraschat Schekalim14 überein, denn der Alte Rebbe pflegte zu sagen, dass man mit der Zeit leben muss, d. h., sich an den Inhalt der aktuellen Tora-Lesung anpassen muss: Alle Juden nahmen an der Abgabe des halben Schekel teil.

(Adaptiert aus einer Sicha gehalten am Schabbat Mischpatim, Schekalim, 5718)