XVI. Kislew ist ähnlich wie Siwan. Der Monat Nissan ist ein Rosch haSchana (Beginn eines Jahres), wie in der Mischna angegeben;1 und Siwan ist der dritte Monat danach. Kislew ist der dritte Monat nach Rosch haSchana in Tischrej.2

Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen den Monaten Nissan und Tischrej. Nissan steht für die Awoda der Zaddikim. Denn der Auszug aus Ägypten stellte eine „Bekehrung“ des jüdischen Volkes dar, und „wer ein Proselyt geworden ist, ist wie ein neugeborenes Kind“3 ; d. h., er ist völlig frei von Sünde und allem Ungebührlichen, weil er „wie ein neugeborenes Kind“ ist.

Siwan, der dritte Monat nach Nissan, ist die Zeit von Matan Tora, der Offenbarung der Tora am Berg Sinai. Tischrej steht für die Awoda von Ba-alej Teschuwa [Reumütige; diejenigen, die zu G-tt zurückkehren]. Kislew, der dritte Monat nach Tischrej, ist Matan Tora – die Offenbarung – von Pnimijut haTora.4

Die Teschuwa ist der Tora übergeordnet,5 daher ist die Teschuwa sogar bei der Verletzung der Tora wirksam. Dennoch leitet sich das Konzept von Teschuwa selbst von der Tora ab.

Die Offenbarung von Pnimijut haTora, die sich auf den Monat Kislew bezieht, ist analog zur Teschuwa: Auch sie leitet sich von Matan Tora ab, die im Monat Siwan stattfand. Denn als die Tora im Monat Siwan gegeben wurde, wurde sie in ihrer Gesamtheit gegeben, einschließlich der Teile der Tora, die der Maschiach lehren und offenbaren wird und die den tiefsten Aspekt der Tora darstellen, wie es im Midrasch heißt:6 „Die Tora, die ein Mensch in dieser Welt lernt, ist ‚wie ein flüchtiger Hauch‘ im Vergleich zu der Tora, die der Maschiach lehren wird.“ Doch auch dieser Teil wurde zur Zeit von Matan Tora im Siwan gegeben.

Allerdings wurde Pnimijut haTora verborgen, als die Tora am Sinai gegeben wurde. Erst im Kislew, dem dritten Monat nach Tischrej – der die Awoda von Teschuwa bedeutet – wurden Pnimijut haTora und das Prinzip des „Überströmens der Quellen auf die Fluren (nach außen)“7 als Vorbereitung auf die Manifestation von Maschiach offenbart.

XVII. Der Monat Kislew ist also eine Zeit der Offenbarung, eine zusätzliche Offenbarung der Tora, durch die Offenbarung von Pnimijut haTora. Dies spiegelt sich sogar in der physischen Welt wider, indem es im Monat Kislew immer eine neue Manifestation gibt, d. h. Wunder.

Chassidut erklärt deutlich, dass auch die Ordnung der Natur ganz und gar wundersam ist.8 Der Unterschied zwischen dem, was wir „natürlich“ und „übernatürlich“ nennen, ist folgender: Die „Natur“ ist konstant; aber wenn der Mensch sich an die natürlichen Ereignisse gewöhnt, erkennt er das Wunder nicht mehr als das, was es ist, und kann sogar annehmen, dass die Welt und die Natur unabhängig, selbständig und ohne einen Meister sind. Das ungewöhnliche Wunder jedoch wird als das erkannt, was es ist, denn wir verwenden den Begriff „wundersam“ für eine neuartige Erscheinung.

Kislew ist ein Monat der Wunder im letztgenannten Sinne, denn es ist eine Zeit, in der es eine neue Manifestation der Tora gab. Und „weil [G-tt] in die Tora schaute und die Welt erschuf“9, spiegelt sich diese neue Manifestation sogar in der physischen Welt wider, so dass es auch in der weltlichen Ordnung eine Zeit der Wunder, der neuen Manifestationen ist.

Das erklärt, warum das Chanukka-Wunder im Kislew stattfand. Denn bei diesem Wunder ging es um Öl – das die ultimativen Geheimnisse der Tora10 und eine höchst erhabene Manifestation bedeutet. Ramban erklärt:11 „Ich habe in Jelamdenu12 und auch im Midrasch Rabba13 folgendes gesehen: ‚Der Heilige, gesegnet sei Er, sagte zu Mosche: Geh und sage Aaron – fürchte dich nicht! ... Deine Bestimmung ist weit größer als das [der Fürsten]! Opfergaben werden nur gebracht, solange das Heiligtum besteht, aber die Lampen sind für immer ...‘ Aber (diese Passage scheint schwierig zu sein, weil) die Lampen der Menora im Heiligtum mit der Zerstörung des Tempels ebenfalls erloschen sind! Daher müssen wir sagen, dass sich der Hinweis auf die Lichter von Chanukka der Hasmonäer bezieht, die auch nach der Zerstörung des Heiligtums, in unserem Exil, weiterbestehen ...“14

Die Lichter von Chanukka sind also dem Licht des Heiligtums überlegen, denn im Gegensatz zu letzterem sind sie ewig.

Ähnlich verhält es sich mit dem Wunder von Jud-Tet Kislew, das sich auf die Verbreitung der Lehren der Chassidut bezieht: Auch dieses ist von ewiger Natur, denn die Verbreitung der Quellen der Chassidut ist eine Vorbereitung auf die Manifestation des Maschiach.

(Adaptiert aus einer Sicha gehalten am Schabbat Paraschat Toldot 5717)