I. Die heutige Sidra beginnt: „Und Sara starb in Kirjat Arba, das ist Hebron, im Lande Kanaan.“1
Dem Sohar zufolge ist „Sara“ ein Symbol für den Körper, während „Awraham“ ein Symbol für die Seele ist.2 In diesem Zusammenhang interpretiert der Sohar den Vers wie folgt: Der Satz „Und Sara starb“ bedeutet „wenn der Körper stirbt“; „in Kirjat Arba“ [wörtlich: die Stadt der vier] bezieht sich auf die vier Elemente,3 aus denen der Körper besteht; „das ist Hebron“ bezieht sich auf die Tatsache, dass während des gesamten Lebens des Körpers seine vier Elemente miteinander verbunden waren (Mechubar).4 Wenn nun der Körper stirbt, „Und Awraham kam“ – d. h. die Seele kam, „um Sara zu beklagen und um sie zu weinen“ – d. h., die Seele weint, denn auch nach dem Tod, auch nach ihrem Weggang, bleibt die Seele noch mit dem Körper verbunden.
Diese Interpretation von Sara als Körper und Awraham als Seele erschwert jedoch das Verständnis des Verses: „Alles, was Sara dir sagen wird, höre auf ihre Stimme.“5
II. Es gibt einen bekannten Kommentar des Baal Schem Tow6 zu dem Vers: „Wenn du den Esel deines Feindes unter seiner Last liegen siehst ...“:7
„Wenn du den Chamor (Esel) … siehst“ – d. h., wenn du deinen Chomer (deine Materie) betrachtest,8 wirst du feststellen, dass er „dein Feind“ ist. Denn in den ersten Stadien der Awoda des Menschen, ganz am Anfang des Lebens, sind Körper und Seele einander feindlich gesinnt. „Unter seiner Last liegen“: „Last“ bezieht sich auf das Joch von Tora und Mizwot. Es ist „seine Last“, weil die Mizwot ausdrücklich den Seelen gegeben wurden, die in Körpern eingekleidet sind, um den Körper zu reinigen und zu veredeln. Dennoch betrachtet der Körper sie als unerwünschte Last und liegt daher „unter seiner Last.“
III. Die Mizwot werden nur den Seelen in Körpern gegeben. Darüber hinaus sind auch die Mizwot selbst in materiellen Objekten verankert. Dies gilt nicht nur für die Mizwot Ma-asijot (Mizwot, die eine physische Handlung beinhalten), sondern auch für jene Mizwot, die im Wesentlichen Pflichten des Herzens sind – z. B. Liebe und Furcht vor G-tt, oder Pflichten des Geistes – z. B. der Glaube an die Einheit G-ttes. Auch letztere sind dazu bestimmt, durch das physische Herz und Gehirn erfüllt zu werden.
Nehmen wir zum Beispiel das Gebot, G-tt zu lieben. Im Bereich des Physischen stellen wir fest: „Eine gute Nachricht macht die Knochen fett“9, wie in der Begebenheit, von der die Gemara berichtet,10 dass eine gute Nachricht eine körperliche Veränderung bewirkt. Dasselbe gilt für die Liebe zu G-tt. Wenn der Mensch spürt: „Die Nähe G-ttes ist gut für mich“, muss sich das auch in seinem Körper bemerkbar machen.
Ähnlich verhält es sich mit der Furcht vor G-tt. Eine bloße Verengung im Verstand oder im Herzen ist nicht ausreichend. Es muss sich im physischen Gehirn und Herz manifestieren, dass er sich wirklich fürchtet.
Unsere Nesi-im haben uns alles gezeigt, auch dieses Prinzip. Es gibt eine bekannte Geschichte über den Alten Rebben: Als er einmal mitten im Gebet (an Rosch haSchana oder Jom Kippur) zu den Worten „Und darum flöße Pachdecha (Deine Furcht) allem ein, was Du erschaffen hast“ kam, fiel er zu Boden, wälzte sich hin und her und sagte „Pach-, Pach-“. [Seine Konzentration auf diese Passage erfüllte ihn mit] einer packenden Angst, die ihn daran hinderte, das Wort zu vollenden. Es dauerte einige Zeit, bis er in der Lage war, das ganze Wort – Pachdecha – auszusprechen.
Es gibt noch eine andere Geschichte über den Zemach Zedek. In den frühen Jahren seiner Führung saß er einmal bei einem Farbrengen mit Chassidim. Es wurde etwas Kawit (90-prozentiger Wodka) gebracht, und der Rebbe trank ein ganzes Glas, dann noch ein zweites und bat darum, noch ein drittes einzugießen.11 Danach fuhr er sich mit der Hand über die Stirn, und man konnte keine Auswirkungen des Alkohols mehr feststellen.
Bei einer späteren Gelegenheit erklärte der Zemach Zedek, er habe seine Gedanken auf die Größe G-ttes konzentriert. Diese Kontemplation löste eine große Furcht in ihm aus, und „Furcht wirkt der Wirkung von starkem Wein entgegen.“12 Diese Furcht hatte also eine solche Wirkung auf ihn, dass man eine echte, körperliche Veränderung wahrnehmen konnte, als jeglicher alkoholische Einfluss beseitigt war.
Ähnlich verhält es sich mit dem Konzept der Liebe. So wird von R. Menachem Nachum von Tschernobyl gesagt, dass er fettleibig wurde, weil er Jehe Schemeh Rabba rezitierte.13 D. h., er meditierte über Schemeh Rabba (Seinen großen Namen) und die Größe des Ewigen, wie G-tt „für immer und ewig gesegnet ist“ – d. h., wie die G-ttlichkeit in alle Welten hineingezogen wird,14 einschließlich dieser physischen Welt des Handelns (Asija). Diese Meditation erfüllte ihn mit einer so entzückenden Liebe zu G-tt, dass sie körperliche Fettleibigkeit verursachte.15
IV. Die Auslegung des Verses durch den Baal Schem Tow [„Wenn du den Esel siehst ...“] geht weiter:
„Wirst du es unterlassen, ihm zu helfen?“ Da der Körper „unter seiner Last liegt“, könnte man in Erwägung ziehen, seine ganze Aufmerksamkeit einer Awoda zu widmen, die sich ausschließlich auf die Seele bezieht, und den Körper durch Fasten und Kasteiungen zu zermalmen. Die Tora schließt daher: „Und du sollst ihm helfen“ – d. h. dem Körper, denn der Körper muss gereinigt und veredelt werden.
Es ist denkbar, dass man alle Kawanot einer Mizwa in seiner Absicht bedenkt und dennoch die eigentliche Mizwa nicht erfüllt. Man kann zum Beispiel alle meditativen Texte zu den Tefillin durchgehen, ohne die Tefillin tatsächlich anzulegen. Das wäre natürlich nicht nur ein Versagen bei der Erfüllung der Mizwa, sondern eine tatsächliche Übertretung – indem man die Mizwa von Tefillin unbeachtet lässt.
Wenn man hingegen die Tefillin anlegt, aber keine der Kawanot in seiner Absicht bedenkt – aus Unwissenheit oder weil man es einfach versäumt hat –, dann macht man sich einer Maßregelung schuldig, weil man die Kawanot in Gedanken hätte haben müssen, aber die Mizwa hat man erfüllt.
Es wird eine Geschichte über die Beschneidung eines der Enkel des Zemach Zedek erzählt. Es standen zwei Mohalim (Beschneider) zur Auswahl: ein älterer Mann, der mit den Schriften von R. Jizchak Luria vertraut war – zumindest mit denen zum Thema Beschneidung; und ein jüngerer Mann, der als Experte bekannt, aber nicht so gelehrt war. Der Rat des Zemach Zedek lautete, den jüngeren Mann zu wählen, und er erklärte, dass die Tora es erfordert, eine körperliche Beschneidung vorzunehmen.
Das ist die einfache Bedeutung von „Alles, was Sara dir sagen wird, höre auf ihre Stimme“ im Zusammenhang mit der Interpretation des Sohar von Sara als Symbol für den Körper. Wir beschäftigen uns letztendlich mit dem Körper. Gegenwärtig ist dies nicht offensichtlich, aber in der messianischen Ära wird dies so offensichtlich werden, dass die Seele ihre Lebenskraft aus dem Körper schöpfen wird.16 Von den Patriarchen wird gesagt, dass „der Heilige, gesegnet sei Er, ihnen einen Vorgeschmack auf die zukünftige Welt gab, während sie noch in dieser Welt waren“17, und deshalb wurde Awraham gesagt: „Alles, was Sara dir sagen wird, höre auf ihre Stimme.“
(Adaptiert aus einer Sicha gehalten am Schabbat Paraschat Chaje Sara 5711)
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