Die späteren Mussar-Weisen waren geteilter Meinung betreffend einer Person, die einerlei Sünde oft wiederholte1. Manche behaupten, sie habe die Zahl der für diese Sünde festgelegten Fasttage oftmals – gemäß der Anzahl des Sündigens – zu beachten.2 Für den Vergeuder von Samen etwa wird für die Durchführung der Umkehr von unserem Meister R. Jizchak Lurja sel. A. die Zahl der Fasttage mit 84 vorgegeben3. Beging er beispielsweise diese [Sünde] zehn oder zwanzig mal, hat er zehn oder zwanzig mal 84 [Tage] zu fasten, und so in allen Fällen. Dies ist dem Sündopfer ähnlich, das man für jeden Fall [einer Übertretung] zu bringen hat4.

Andere wiederum vergleichen diese [Fasttage] mit dem Ganzopfer, das für [Vernachlässigung eines] Gebots gebracht wird. Hat man auch eine Reihe von Geboten verletzt, erwirkt man mit einem Ganzopfer Sühne, wie im Talmud, [Traktat] Sevachim, Kapitel 15, steht.

Die übliche Entscheidung in dieser [Kontroverse] sieht vor, drei mal die Anzahl der für diese Sünde vorgeschriebenen Fasttage durchzuführen, d.h. 252 Fasttage für vergeudeten Samenerguss, und ähnlich bei den übrigen schuldhaften Vergehen und Sünden. Der Grund dafür liegt in der Aussage des heiligen Sohar, Ende Abschnitt Noach: „Wenn sich der Mensch vor dem H.g.s.E. versündigt, hinterlässt er beim ersten Mal eine Spur etc., beim dritten Mal dringt dieser Fleck von einer Seite zur anderen etc.“ Daher hat auch die Zahl der Fasttage drei zu betragen etc. pp.

Dies alles gilt indes für einen kräftigen und gesunden Menschen, dessen körperlicher Gesundheit zahlreiche Fasttage keineswegs abträglich sind, wie in den früheren Generationen. Wem aber zahlreiche Fasttage schaden, und wer möglicherweise erkranken oder Schmerz erleiden könnte, G‑tt behüte, wie in diesen unseren [gegenwärtigen] Generationen, dem ist es untersagt, zahlreiche Fasttage zu unternehmen, sogar wegen Sünden, die mit Abtrennung [von der Quelle der Lebenskraft] oder Hinrichtung strafbar sind, und ganz gewiss wegen Geboten und Verboten, die nicht mit Hinrichtung strafbar sind. [Das Maß des Fastens] ist vielmehr die persönliche Schätzung dessen, was einem selbst in keiner Hinsicht Schaden zufügen wird6.

Denn sogar in den frühen Generationen, in den Tagen der Tannaiten und Amoräern, fasteten in diesen Fällen ausschließlich die Gesunden, die sich peinigen konnten. Wer sich jedoch nicht peinigen kann und [dennoch] fastet, wird im Talmudtraktat Taanit, Kapitel 17, „Sünder“ genannt. Dies trifft sogar auf einen zu, der wegen seiner Sünden fastet, wie Raschi ebd. erklärt, und im Talmudtraktat Sevachim, Kap. 18, steht: „Es gibt keinen von Israel, der nicht der [Verletzung eines] Gebots schuldig wäre etc. pp.“ Dies gilt insbesondere, wenn es sich um einen Toralernenden handelt, der doppelt sündigt und bestraft wird. Denn aufgrund der aus dem Fasten resultierenden Schwäche ist er nicht in der Lage, sich gebührend mit der Tora zu befassen9.

Worin besteht also seine Wiedergutmachung? Wie geschrieben steht: „Löse deine Sünden durch Mildtätigkeit.“10 Die Halacha-Dezisoren schrieben, dass für jeden Fasttag der Umkehr der Gegenwert von 18 Münzen namens „Gedolim Polisch“ zu spenden sei etc. pp.11 Der Vermögende füge dem gemäß seinem Vermögen hinzu etc. pp., wie der Magen Avraham, „Gesetze der Fasttage“, schrieb.12

Nichtsdestotrotz entscheide jeder Mann des Geistes, der die Nähe G‑ttes erwünscht, seine Seele auszubessern [wünscht], sie zu G‑tt mit vorzüglicher Umkehr vom Allerfeinsten zurückzuführen, für sich selbst mit Strenge. Er sollte zumindest ein Mal während seiner Lebenstage die Zahl der Fasttage für wenigstens jede schwerwiegende Sünde vollenden, die mit Todesstrafe strafbar ist, und sei es bloß mittels himmlischer Hand13. Für vergeudeten Samenerguss etwa [sollte der Mensch] ein mal während seiner Lebenstage 84 Fasttage unternehmen. Man kann [die Fasttage] auf die kurzen Wintertage verschieben14, und beispielsweise zehn Tage oder weniger in einem Winter fasten, und die Anzahl von 84 in neun Jahren oder mehr, gemäß seiner Kraft, vollenden. (Auch kann man [bis zu etwa] drei Stunden vor Sonnenaufgang ein wenig essen; dies wird, wenn man es so festgesetzt hat, nichtsdestotrotz als Fasttag angerechnet.15)

Für die Vollendung der oben erwähnten 252 Fasttage faste man weitere 4 mal 84 bloß bis nach Mittag; auch dies wird im Jerusalemer Talmud als Fasten betrachtet16. In diesem Zusammenhang werden ihm zwei Halbtage als ein ganzer Tag angerechnet. Gleiches gilt für andere, ähnliche Sünden, denn „jedes Herz kennt seiner Seele Bitternis und ersehnt deren Rechtfertigung“17.

Es verbleiben indes die Fasttage, die über 252 oder Ähnliches hinausgehen, die man unter Berücksichtigung der strengeren Meinung fasten müsste – die Zahl der Fasttage für jede Sünde gemäß der Zahl des Sündigens, wie oben erwähnt wurde. All diese löse man durch Spenden im Gegenwert von 18 Gedolim Polisch per Tag aus. Gleiches gilt für alle übrigen Fasttage, die man für Sünden begehen muss, die nicht mit dem Tod strafbar sind, und sogar für Vernachlässigung von Geboten der Tora oder der Rabbiner, und [die Unterlassung] „des Torastudiums wiegt alles auf“18, gemäß der für die Durchführung der Umkehr von unserem Meister R. Jizchak Lurja sel. A. vorgegebenen Zahl. (Die meisten davon werden in Sefer Chassidim, Traktat Teschuva, erwähnt.) All diese Fasttage löse man wie oben erwähnt durch Spenden aus, wenn man sich wie oben erwähnt nicht peinigen kann.

Obschon sich dies auf eine beträchtliche Summe belaufen kann, sorge man sich nicht um [die Vorschrift]: „Man verschwende nicht mehr als ein Fünftel [des eigenen Vermögens für Spenden].“19 In solchen Fällen kann das [Spenden] nicht als „Verschwendung“ bezeichnet werden20, weil man es tut, um sich selbst von Fasten und Kasteiungen zu erlösen. Dies ist nicht weniger bedeutend, als den Körper zu heilen oder seine anderen Bedürfnisse [zu decken].

Da die oben erwähnte Zahl der Fasttage für die Durchführung der Umkehr immens groß ist, pflegen heutzutage alle, „die das Wort G‑ttes fürchten“, überaus großzügig zu spenden, denn die Schwäche der Generation verhindert sie am Peinigen in solchem Ausmaß. ([In diesem Zusammenhang] wird andernorts der Vers: „Die Güte des Ew‑gen, dass sie nicht zuende ist“21 kommentiert22.