Der amerikanische Cowboy mag damit Probleme haben - doch die Wahrheit ist, daß jeder Sucher einen Führer braucht und sich niemand an den eigenen Haaren emporziehen kann. Ein Rebbe ist aber viel mehr. Ein Rebbe ist ein Führer, der eins wird mit dir. Deine Suche wird zu seiner Suche, dein Kampf zu seinem. Du blickst in die Worte deines Rebbe, und du findest dich selbst darin. So, wie die Seele von Adam aIle Seelen seiner Nachkommen enthielt, enthält die Seele eines Rebbe nach der chassidischen Überlieferung die Seele jedes seiner Chassidim.
Als Abraham nach Ägypten kam, bat er seine Frau Sarah: «Bitte sage, daß du meine Schwester bist.»
Die Verbindung zwischen Mann und Frau in der Ehe ist sehr machtvoll, aber doch nicht so wesentlich wie die zwischen Bruder und Schwester. Eine Ehe bedeutet, daß sich zwei Teile im Feuer der Leidenschaft als eins miteinander verbinden. Sie bleiben jedoch zwei Teile, die eines Tages auseinandergerissen werden können. Wenn die Leidenschaft stirbt, wird die Ehe geschwächt. Wenn die Leidenschaft erneuert wird, heilt auch die Ehe.
Bruder und Schwester jedoch begannen als eins und bleiben untrennbar eins - ob es Leidenschaft gibt oder nicht, oder sogar das Gegenteil.
Als Abraham aus dem Heiligen Land in die Dunkelheit Ägyptens kam, wußte er, daß seine einzige Hoffnung, das Eintauchen in diese Unreinheit zu überleben, darin bestand, sich so innig wie möglich mit einer erleuchteten, gänzlich transzendenten Seele zu verbinden, die jenseits all der Unreinheit bleiben würde.
Und deshalb bat er Sarah zu sagen, daß sie seine Schwester sei.
Der frühere Rebbe, Rabbi Yosef Yitzchaak Schneerson, hinterließ eine große Bibliothek von unschätzbarem Wert. Mehrere seiner Erben beanspruchten die Bücher für sich, weil sie der Privatbesitz des Rabbis Yosef Yitzchaak gewesen seien. Der Rebbe hielt dagegen, daß die Bücher für die Chassidim gesammelt worden waren und deshalb den Chassdim gehörten. Nach 35 Jahren der Auseinandersetzung kam die Angelegenheit schließlich vor Gericht.
Als die Rechtsanwälte die Eigentumsfrage der Tochter des früheren Rebbe vorlegten (die inzwischen die Frau des jetzigen Rebbe geworden war), antwortete diese: «Mein Vater und seine Bibliothek gehören den Chassidim.»
Der Rebbe wiederholte später öffentlich ihre Worte und erklärte, daß ihre Worte den Prozeß gewonnen hätten.
Als der Rebbe die Leitung von Lubawitsch übernahm - nach einem Jahr des ständigen Drängens und Bittens seitens der Chassidim - erklärte er:
Glaubt nicht, daß ihr euch an meinem Gebetsschal für eine Freifahrt festhalten könnt. Ich werde geben, was ich kann. Aber jeder einzelne muß seine eigene Arbeit erledigen.
Der Zaddik verbindet dich mit deinem G-tt und macht dir dann den Weg zu Ihm frei.
Ein College-Student sagte zum Rebbe: «Ich weiß, was der Job eines Rabbis ist. Er hält Vorträge und läßt jeden Schuldgefühle haben. Aber was ist ein Rebbe?» Der Rebbe zeigte zur Decke und antwortete:
Siehst du diese Glühlampe? Sie ist über Drähte mit einem Kraftwerk verbunden, das den gesamten Stadtteil von Brooklyn versorgt. Und dieses Kraftwerk ist mit den Turbogeneratoren an den Niagara-Fällen verbunden, die den ganzen Staat New York und noch mehr versorgen.
Jeder Mensch ist eine Glühbirne, die über Drahte mit einem starken Generator verbunden ist. Und doch bleibt der Raum immer noch dunkel. Der Job eines Rebbe besteht darin, deine Hand im dunklen Raum zu nehmen und sie auf den Schalter zu legen, der die Verbindung mit dem Generator einschaltet.
Als er einmal über seine Beziehung zu seinem eigenen Rebbe sprach:
Das ist das Gefühl eines Chassids: So, wie der Sohar sagt, daß wir, die Thora und G-tt alle eins sind, so sind der Chassid, sein Rebbe und sein G-tt alle eins. Ich habe das nirgendwo niedergeschrieben gesehen, deshalb könnt ihr das gern anfechten. Aber so empfinde ich es, und ich weiß, daß es wahr ist.
Ein Rebbe kennt seine Chassidim, wie man seine eigenen Augen, Ohren, Finger und Zehen kennt. Ein Chassid spürt seinen Rebbe, wie man den eigenen Herzschlag fühlt.
Manchmal kommt mir ein Gedanke des Rebbe, macht sich sozusagen als Gefühl «aus dem Bauch heraus» bemerkbar, und hingt eine Sehnsucht mit, einen Durst, eine Art stillen Feuers, das dich von innen heraus zerreißt. Geschah das, weil ich an den Rebbe gedacht hatte? Oder hatte der Rebbe an mich gedacht?
Die Lubawitscher Rebbes nahmen sich die Zeit, an jeden einzelnen ihrer Chassidim zu denken, mit aller Herzlichkeit und Liebe, die sie für sie empfanden. Wie Wasser das Gesicht spiegelt, das ins Wasser hineinschaut, so antwortet das Herz des Menschen auf die Gedanken, die andere über ihn denken. Auf diese Weise sind die Chassidim und ihr Rebbe mit einem ewigen Band der Liebe verbunden.
Der Zaddik entbehrt nichts und braucht nichts, und so betet er für sein Volk. Aber wenn er nichts entbehrt, dann weiß er, daß auch sie in Wahrheit nichts entbehren, und warum betet er dann für sie? Er betet, daß sie ihre Augen und Herzen öffnen mögen, um zu sehen und zu erkennen, daß sie in Wahrheit nichts entbehren.
Aber wie kann nun jemand, der nichts entbehrt, überhaupt beten? Weil er tief innen zwar nichts entbehrt und nichts braucht, aber noch tiefer - im Kern seines Wesen - eins mit seinem Volk ist.
Wenn du beobachtest, wie die Dunkelheit des Exils dichter und die Prüfungen schlimmer werden, gibt es nur ein einziges Mittel, um die Dunkelheit zu vertreiben:
Du mußt deine Verbindung mit dem Zaddik deiner Generation stärken.
Wenn du seine Arbeit tust, gibt der Rebbe dir Kraft. Mehr Kraft, als du dir vorstellen kannst. In Wahrheit wirst du dann eins mit ihm. Seine Entscheidungen werden zu deinen Entscheidungen, und deine Entscheidungen zu seinen Entscheidungen. Eine größere Einheit zwischen zwei Individuen gibt es nicht.
Für jemanden, der seinen Körper für sein Selbst hält, ist der Tod des Körpers der Tod des Selbst. Für einen Zaddik jedoch, dessen Selbst seine Liebe, seine Ehrfurcht und sein Glauben ist, gibt es keinen Tod, sondern nur einen Übergang. Aus einem Zustand der Begrenzung im Körper erfährt er eine Wandlung in die Befreiung. Er fährt auch danach fort, in dieser Welt zu wirken, sogar noch stärker als zuvor.
Der Talmud sagt, daß Jakob, unser aller Urahne, niemals starb. Auch Moses starb nie. Noch starb Rabbi Jehuda, der Fürst. Sie waren sehr erhabene Seelen, die sich in einer unauflösbaren Verbindung mit der Wahrheit befanden - und da Wahrheit niemals stirbt, konnten auch sie nicht sterben.
Ja, in unseren Augen gibt es den Tod. Ein Körper wird in der Erde begraben, und wir müssen seinen Verlust beklagen. Das ist aber nur ein Aspekt der Falschheit der Welt. In der Welt der Wahrheit sind sie noch hier, genauso wie früher. Und der Beweis: Wir sind noch hier. Denn wenn diese hohen Seelen nicht mehr mit uns in unserer Welt wären, würde alles, was wir kennen, aufhören zu existieren.
Ein Zaddik verläßt diese Welt nie - er transzendiert sie, aber er bleibt noch in ihr. Er bleibt immer noch da, um jenen Menschen mit Segen und Rat zu helfen, die ihm verbunden sind, nach seinem Übergang genauso wie vorher und sogar noch mehr. Selbst die Menschen, die ihn in ihrem körperlichen Leben nicht kannten, können eine wesenhafte Verbindung mit ihm schaffen. Der einzige Unterschied ist: Wir müssen jetzt härter daran arbeiten, um die Verbindung zu erhalten.
Während der ganzen Jahre seiner Führung antwortete der Rebbe auf die Bitten von Menschen um seinen Segen: «Ich werde deine Bitte dem Rebbe vorlegen». Immer, wenn der Rebbe von «der Rebbe» sprach, meinte er seinen verstorbenen Schwiegervater, den früheren Rebbe, dessen Grabplatz er regelmäßig besuchte. In der Welt des Rebbe stirbt sein Rebbe nie.
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