Rosch Haschana ist der Tag des Gerichts. An ihm wird entschieden, wie das Leben jedes einen im kommenden Jahr ablaufen wird. Rosch ist auch der Geburtstag des ersten Menschen.
Interessanterweise wird Rosch Haschana in den Gebeten als Tag der „Beginn Deiner Schöpfung“ bezeichnet, wobei Rosch Haschana auf den 1. Tischrej fällt, den sechsten Schöpfungstag. An diesem Tag wurde zwar etwas ganz Besonderes erschaffen – nämlich der Mensch, aber ist das Grund genug diesen Tag als Beginn der Schöpfung zu bezeichnen?!
Thora-Kommentatoren1 interpretieren die Erschaffung des Menschen als Höhepunkt der Schöpfung, da er doch Sinn und Zweck der ganzen Welt darstellt und mit seiner Erschaffung die Welt ihre Vollkommenheit erreichte. Ohne den Menschen wäre die Welt „leer“, ohne Sinn und Zweck, als ob sie nie erschaffen worden wäre. Deshalb gilt der Schöpfungstag des Menschen als „Beginn Deiner Schöpfung“.
Qualität − Quantität
Diese Erklärung ist aber umstritten. Der Mensch macht doch nur einen geringen Teil der gesamten Schöpfung aus. Ohne ihn sollte das ganze, unendlich große Universum als nicht erschaffen gelten? Für diese großartige Schöpfung G-ttes mit ihrer unendlichen Vielfalt, wo kein Blatt dem anderen gleicht, verherrlichen wir G-tt tagtäglich – Wie zahlreich ist Dein Handwerk, G-tt.2 In dieser gewaltigen Schöpfung gleicht der Mensch nicht viel mehr als einem Tropfen im großen Meer! Die Zahl der Menschen auf der Erde ist um vieles geringer als die anderer Lebewesen, Pflanzen und lebloser Materie.
Deshalb lehrt uns Rosch Haschana einen entscheidenden Grundsatz: Nicht auf die Quantität kommt es an, sondern auf die Qualität! Obwohl der Mensch allem anderen Existierenden zahlenmäßig unterlegen ist, steht er qualitativ über der gesamten Schöpfung in einem unmessbaren Verhältnis!
Zwischen Mensch und Tier
Die Besonderheit des Menschen besteht nicht nur in seinem herausragenden Intellekt. Auch Tiere besitzen Intelligenz − allerdings benutzen sie sie nur um ihren irdischen Bedürfnissen nachzugehen. Der Mensch hat aber die Möglichkeit dieses Niveau zu übersteigen. Sein Intellekt gewährt es ihm die Welt des Abstrakten zu betreten, eine Ebene, die kein Sinnesorgan erfassen kann. Das unsichtbare Geistige zu begreifen, darin besteht die erhabene Einzigartigkeit des Menschen!
Alles dreht sich um ...
Und das ist die Botschaft von Rosch Haschana an uns: Der Mensch blickt auf seine Umgebung und auf sich, und plötzlich erkennt er, dass er den Großteil seiner Zeit und Kraft körperlichen und weltlichen Bedürfnissen widmet. Auch sieht er, dass die Zahl der Menschen, die Geistigkeit hervorheben und verkörpern, eine Minderheit ist, während die meisten in ihren materiellen Bedürfnissen die Hauptsache sehen. Diese Tatsache könnte den Menschen verwirren, ob vielleicht doch das Materielle das Wichtige im Leben sei.
Rosch Haschana belehrt uns des Gegenteils. Obwohl die so gewaltige Welt in den ersten sechs Tagen erschaffen wurde, gilt sie als unbedeutend und wertlos bis zur Kreation des Menschen! Und dieser wurde zum „Beginn Deiner Schöpfung“, als der Mensch G-tt erkannte, Ihn zum König über die ganze Welt krönte und in ihr ihren g-ttlichen Ursprung aufdeckte!
Unsere Gebete zu Rosch Haschana sollen nicht nur von unseren weltlichen Bedürfnissen handeln. Diese sind nur Mittel zum Zweck. Das geistige Wesen des Menschen, seine Seele, steht im Vordergrund. Thora und Mitzwot sind ihre Bedürfnisse.
Rosch Haschana ist die passende Zeit unser wahres Wesen hervorkommen zu lassen, es durch die Entscheidung weitere Mitzwot zu erfüllen zu kräftigen, und mit dem Gebet an G-tt, unser geistiges Ich im kommenden Jahr zu stärken, sodass es im Dschungel der Welt nicht verloren geht!
(Likutej Sichot, Band 9, Seite 453)
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