Es kann zu jeder Tageszeit passieren. Mit gesenktem Kopf flüstern wir ein an G-tt gerichtetes kurzes Gebet. Wenn wir leiden, Schmerzen haben oder eine zeitlich begrenzte Schwierigkeit, wenden wir uns an unseren Schöpfer und bitten ihn um Seine Hilfe.
Das ist das wesentliche Gebet. In der Tora werden wir dazu angehalten, uns an G-tt zu wenden, wenn wir Schwierigkeiten erleben; die genauen Worte sind unwichtig – es ist nur wichtig, dass dieses Kommunique von Herzen kommt.
Auf einem sehr grundlegenden Niveau drückt das Gebet unseren Glauben an G-tt aus, und zwar unsere Einsicht, dass wir von Seiner Wohltätigkeit abhängig sind, und dass Er als der alles Lenkende, uns aus unserer Schwierigkeit befreien kann. Und daher wenden wir uns, egal wie trivial das Anliegen auch erscheinen mag, in Notzeiten an denjenigen, von dem wir wissen, dass Er helfen kann.
In der Tora wird das Gebet als „der Dienst des Herzens“, der mit Liebe und Ehrfurcht durchdrungen ist, beschrieben. Im Gebet nähert sich das Kind seinem liebevollen Elternteil. Tatsächlich schreibt Maimonides, der Weise des Mittelalters: „Gebet ohne Konzentration ist wie ein lebloser Körper“.
Die Chabad Philosophie, die auf der Lehre der Kabbala beruht, erachtet das Gebet als mehr als ein bloßes Vehikel, um unsere Bedürfnisse vor G-tt zu bringen. Es ist tatsächlich die primäre Art und Weise, wie wir unser Bewusstsein mit dem G-ttlichen verbinden können, eine zeitliche Insel, wo unsere Seelen losgebunden werden, um die himmlischen Höhen zu erreichen. Solches Gebet hat einen veredelnden Einfluss auf den ganzen Tag.
Viele Chabad-Werke befassen sich mit der Natur und der Kraft des Gebets, mit Meditationen vor und während des Gebets, und mit der entscheidenden Bedeutung, seine Seele in diesem täglichen Dienst des Herzens zu investieren.
Die Geschichte des Gebets
Am Anfang war die Mizwa zu beten nicht zeitlich oder textlich festgelegt. Jeder suchte sich seine eigenen Worte aus, mit denen er seinen Schöpfer ansprechen wollte. Es gab damals aber schon einen festgelegen Ablauf des Gebets: G-tteslob, danach Bitte um die Erfüllung aller Bedürfnisse, dann Dankbarkeitsbekundung für alles, was G-tt für uns getan hat – sowohl kollektiv als auch individuell.
Nach der Zerstörung des Heiligen Tempels in Jerusalem im Jahre 423 vor der allgemeinen Zeitrechnung, waren die Juden 70 Jahre lang im babylonischen Exil. Die Mehrheit der neuen Generation, die in der Diaspora geboren worden war, konnte Hebräisch — die "Heilige Sprache" - nicht flüssig sprechen. Tatsächlich sprachen viele eine Kombination aus Babylonisch, Persisch, Griechisch und anderen Sprachen, was sie daran hinderte, ihre eigenen Gebete richtig zu formulieren.
Um dieses Problem zu lösen, hat der Schriftgelehrte Esra – zusammen mit den Männern der Großen Versammlung, die aus 120 Propheten und Weisen bestand – einen Standardtext für das Gebet in hebräisch verfasst. Sie legten außerdem drei Zeiten für das tägliche Gebet fest: Morgens, nachmittags und abends.
Die drei Gebete, ein viertes wird beim Morgengebet am Schabbat und an jüdischen Feiertagen hinzugefügt, drehen sich um die Amida, eine Serie von neunzehn Segenssprüchen. Die Morgen- und Abendgebete beinhalten auch das Schma Jisrael, da es am Morgen und in der Nacht zu sagen, eine Mizwa ist. Einige Psalmen, Segenssprüche und Gebete runden das Gebet ab.
Bis zum zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung waren die Gebete so formuliert, wie wir sie heutzutage kennen.
Darüber hinaus werden wir ermuntert, persönliche Gebete und Konversationen mit G-tt einzuleiten.
Das Gebete mit der Gemeinde
Obwohl man überall und zu jeder Zeit beten kann (so lange der Ort angemessen dafür ist, mit seinem Schöpfer zu sprechen), wird in der jüdischen Tradition das Gebet mit der Gemeinde bevorzugt.
Dafür gibt es zwei Gründe: a) Wir bemühen uns darum, mit G-tt zu kommunizieren, wo unser Gebet besonders leicht zu ihm gelangt, und eine Synagoge wird als Minitatur des Tempels in Jerusalem, wo G-tt besser erreicht werden konnte, angesehen. b) Wenn wir mit anderen zusammen beten, macht das das Gebet jedes Einzelnen bedeutsamer, da die guten Taten aller zusammengenommen werden und das gemeinsame Gebet stärken.
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