(tə-fil-lāh) תפילה Wurzel: פלל
Plural: תפילות Tefillot
Verwandte Begriffe von Tefilla: bitten, sich beurteilen


Was ist Tefilla und was nicht

Eines der wichtigsten Elemente unserer Beziehung zum Schöpfer ist, "Ihm mit unserem ganzen Herzen zu dienen."1 Das Wort zu dienen wird auf hebräisch mit Awoda ausgedrückt und deutet auf anstrengende Arbeit hin. Doch mit welchen Bemühungen strengt sich das Herz beim G-ttesdienst an? Die klassische jüdische Antwort lautet: Tefilla – die Aktivität zur Erweckung der versteckten Liebe im Herzen, bis eine intime Vereinigung mit dem G-ttlichen hergestellt ist.

Die herkömmliche Übersetzung für Tefilla "Gebet" ist deshalb sehr ungenau, weil das Gebet zwei verschiedene Einheiten beinhaltet: Die mindere bittet die höhere Gewalt (hebräisch: Bakascha). Tefilla hingegen enthält beide Elemente und ist mehr als "nur ein Gebet": 1. die an den Ewigen gerichtete Bitte, und 2. die Bemühungen, dieser Bitte gerecht zu werden. "Verbindung" könnte besser auf ein Zusammenfügen von Geist und Verstand hinweisen, doch wird er bereits zur Übersetzung des Wortes Mizwa verwendet und besagt, dass eigentlich alle Gebote des Ewigen eine Verbindung herstellen. Wir sind uns in den meisten Fällen gar nicht des großen Unterschiedes bewusst, weil die Mizwa der Tefilla auch das Herz an ihrer Ausführung beteiligt, - und das Herz ist schließlich das zentrale Element jeder seelischen Verbindung!

Da aber beide Begriffe des Wortes "Tefilla" für einen praktizierenden Juden nicht allzu glücklich klingen, könnte es hilfreich sein, auf die altbewährten Quellen aus der jiddischen Sprache zurückzugreifen. Dort wird das Wort dawnen oft verwendet, – als ein Begriff mit gleichen Wurzeln wie das lateinische Wort "divinus" (G-ttlich) - und konjugiert wie ein deutsches Verben konjugiert.

Wie wird es in der Praxis gehandhabt?

Schütten wir dem Schöpfer unser Herz aus – sei es durch Lob, Segen, Klagen oder Bitten – sind wir am Dawnen. Es kann überall und jederzeit passieren, wenn dadurch die wahren Anliegen des Herzens zum Ausdruck gebracht werden und die Erkenntnis einer Höheren Gegenwart hervorgeht.

Abgesehen von den dem Ewigen vorgelegten persönlichen Bitten, dawnen Juden drei mal täglich ein formales Gebet, das möglichst in einer Versammlung von zehn Männern ausgeführt werden soll. Während ihrer Verbannung nach Babylon, als die Juden auf engstem Raum lebten, wurden die Männer der großen Versammlung darauf aufmerksam, dass viele Jugendliche versuchten, auf gleiche Weise wie ihre Väter mit G-tt zu kommunizieren, jedoch nicht die richtigen Worte fanden. Daher fassten die Männer der Großen Versammlung alle Forderungen (Lob, Segen, Klagen, Bitten) in eine offizielle Gebetsformel zusammen.

Das morgendliche Gebet heißt Schacharit, das Nachmittagsgebet Mincha und das Abendgebet Maariv. Besonders enthält das Schacharit-Gebet eine systematisierte Leiter, die im Betenden die Gefühle von Liebe und Ehrfurcht wecken. Diese inspirieren ihn, seine ganze Aufmerksamkeit den Worten des Gebetes zu widmen. Sie lehren den Betenden auch das Gefühl für jenes Privileg, vor dem Schöpfer zu stehen und Ihn direkt anzureden.

Tefilla ist darauf ausgerichtet, uns auf die höchste spirituelle Ebene zu erheben, vorausgesetzt wir sind dazu bereit, unsere Gedanken und Gefühle in sie zu investieren.

Wie gehen wir dabei am Besten vor?

Obwohl wir in der "Tefilla" eigentlich unsere intimsten Gedanken zum Ausdruck bringen, sollte jeder Jude mit der Gemeinde zusammen dawnen. Es gibt nichts, was dem Gebet mehr Kraft verleiht, als unser Zusammenhalt, - denn er erfreut den Ewigen. Daher sind die Männer verpflichtet, ihr Gebet möglichst in einem Minjan, einer Versammlung von zehn jüdischen Männern, zu dawnen.

Warum bilden sich mit zunehmender Frömmigkeit immer mehr Gruppierungen, die jeder ihr eignes Minjan organisieren? Was geschah mit dem Ideal der Einigkeit? Wir wissen, dass mit wachsender Bedeutung eines Themas sich auch die Unterscheidungsmerkmale nuancieren. Die Eskimos beschreiben Schnee in einem Dutzend verschiedener Bezeichnungen. Auch Weinkenner geben jedem Wein einen besonderen Namen und unterscheiden sogar zwischen den verschiedenen Jahrgängen. So fängt auch ein Mensch, dem das Gebet mehr am Herzen liegt, einen gewissen Stil zu bevorzugen an, - und er bemüht sich, eine Möglichkeit zum Ausleben seiner Vorlieben zu organisieren.

Frauen sind nicht zum gemeinschaftlichen Gebet verpflichtet, da ihre Gefühlen stärker sind und ihr Gebet daher auch ohne Minjan genügend Kraft besitzt. Trotzdem haben auch die Frauen grundsätzlich die besten Chancen, dass ihre Gebete erhört werden, wenn sie gleichzeitig mit dem Minjan dawnen.

Warum ist es nicht ausreichend, einfach nur zu meditieren?

Da wir unmöglich mit einem Unbekannten kommunizieren können, sind unsere Bemühungen, zu neuen Erkenntnissen über G-tt zu gelangen, integraler Bestandteil unseres Gebets. Der Talmud erzählt uns von den ersten Chassidim, die eine Stunde über G-ttes Großmütigkeit meditierten, bevor sie ihr Gebet begannen. Das Jüdische Gesetzbuch verordnet, vor jeder Tefilla der unfassbaren Größe G-ttes und bedeutungslosen Winzigkeit des Menschen nachzusinnen. In der Chabad-Chassidut wird der Verbindung zu G-tt größte Wichtigkeit zugeordnet, so dass Gemeinden den Brauch eingeführten, sich vor und nach dem Dawnen mit chassidischen Texten zu befassen, die auf die Vertiefung unserer Beziehung und Erkenntnis zu G-tt ausgerichtet sind.

Die Halacha verlangt, dass wir beim Dawnen selbst die Worte dieser Texte aussprechen: Unsere Seelen sind zu Lebzeiten mit einem physischen Körper verbunden, dessen Tätigkeiten die erhabensten spirituellen Welten beeinflussen. Somit vollbringen wir eine der gewaltigsten guten Taten, wenn sich unsere physischen Lippen in den G-ttlichen Worten des Gebetes bewegen. Das Aussprechen der Worte fördert unsere Konzentration, - und da der Mensch ein sprechendes Wesen ist, dient ihm durch Tefilla diese Fähigkeit, ihn näher an G-tt zu bringen. Denn hätten wir unsere Gedanken und Gefühle auf eine höhere spirituelle Ebene erhoben, jedoch unsere Worte dabei vernachlässigt, dann würde ein wichtiger Teil unserer Menschlichkeit fehlen.

Tefilla, Tora, Mizwa

Mizwa sowie Tefilla definieren wir als eine Verbindung zum Ewigen, und in der Praxis beinhaltet auch Tora dieses verbindende Element. Das Besondere an der Tefilla ist die Richtung seiner Verbindung von unten nach oben. Dagegen dominiert beim Studieren der Tora und Ausführen einer Mizwa die Richtung von oben nach unten.

Tora und Mizwa sind durch eine Bewegung von oben nach unten definiert, während Tefilla von unten nach oben verläuft.

Obwohl wir Scharfsinn und Kreativität ins Tora-Studium investieren, studieren wir in Wirklichkeit G-ttes Weisheit. Obwohl wir unsere Begeisterung und Konzentration in die Ausführung einer mit vielen von unseren Weisen verstärkten Beschlüssen und Bräuchen verstärkten Mizwa legen, drückt die Mizwa Seinen und nicht unseren Willen aus. Jedoch verläuft bei der Tefilla die Verbindung von unten nach oben, vom Menschen zu G-tt, und wir legen dem Ewigen unsere eigenen Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse vor.

Mizwa – Handlung

Tora – Sprechweise

Tefilla – Gedanken

Wir können dies auch durch ein anderes Denkmuster darstellen: Dem Menschen stehen bei seinem Tun drei Vorgehensweisen zur Verfügung: Handlung, Sprechweise, Gedanken. Mizwot beziehen sich in erster Linie auf unsere Handlung. Tora und Tefilla werden beide im gleichen Maß durch Denken und Aussprechen jener heiligen Worte ausgeführt. Der Kern der Tefilla aber verbindet uns mit unseren innersten Gedanken, um zu entdecken, dass wir in G-ttes Bildnis erschaffen wurden, und ein Teil von Ihm in uns lebt und uns belebt. Und so bezieht sich Tefilla in erster Linie auf unsere Gedanken.