Als der zweite Chabad-Rebbe, Rabbi Dow Ber (bekannt als Mitteler Rebbe) starb, gab es drei mögliche Nachfolger. Obwohl alle drei für die Leitung der Chabad-Bewegung überaus geeignet waren, lehnten sie das Ansinnen der Chassidim einmütig ab.
Die drei waren Reb Chaim Awraham, der Bruder von Rabbi Dow Ber und jüngste Sohn von Rabbi Schneur Salman, dem Gründer des Chabad-Chassidismus; Reb Menachem Nachum, der Sohn des Mitteler Rebbe; und der Zemach Zedek, der Sohn von Rabbi Schneur Salmans ältester Tochter.
Die Zeit verging, und der Druck auf die Chassidim wuchs. Sie mussten einen Nachfolger für den Rebbe finden. Aber eine Lösung schien nicht in Sicht. Schließlich erklärten zwei Chassidim verzweifelt: „Es ist unmöglich, ohne einen Rebbe zu sein!“ Sie beschlossen, nach Ruschin zu reisen und den dortigen Rebbe als ihren Rebbe anzuerkennen.
Reb Jisrael war der Enkel des Maggid von Mesritsch und wegen seiner Frömmigkeit so angesehen, dass man ihn den „heiligen Ruschiner“ nannte. Die beiden Chassidim reisten zu Schawuot nach Ruschin. Wie es dort (und bei vielen anderen Chassidim) Brauch war, verteilte der Ruschiner Schirajim (Essen von seinem Tisch) an seine Chassidim. Es war Jom Tow, und der Ruschiner begann Wein aus seinem Becher auszuschenken.
Die beiden Chabad-Chassidim wollten ebenfalls teilnehmen und Wein vom Ruschiner bekommen; also hielten sie ihm ihre Becher entgegen, um den „Becher des Segens“ zu erhalten. Aber der Ruschiner wies sie ab und sagte: „Wenn ihr Wein wollt, holt ihn euch selbst. Ich gebe euch keinen.“
Die beiden waren überrascht und protestierten: „Warum wollt Ihr uns keinen Wein geben, obwohl wir gekommen sind, um Euch als unseren Rebbe zu akzeptieren?“
Als der Ruschiner das hörte, setzte er sich an den Tisch und hielt eine tiefgründige chassidische Ansprache über das Thema „Die Übergabe der Tora begann nicht am Berg Sinai, sondern am brennenden Busch“. Er erklärte ausführlich, dass G-tt, nachdem er Mosche befohlen hatte, die Kinder Israels aus Ägypten zu holen, ihm folgenden Auftrag erteilte: „Sage den Juden, dass ich sie nicht vergessen habe und sie aus Ägypten herausholen will.“
Mosches Reaktion war seltsam. Er entgegnete, er fürchte sich, weil die Juden ihn nach G-ttes Namen fragen könnten. Darauf erwiderte G-tt: „Sag ihnen, mein Name ist ‚Ich werde sein, der ich sein werde‘.“
Nun fragte der Ruschiner: „Warum stellte Mosche diese Frage? Er kannte doch den Namen G-ttes, weil dieser traditionell Jud-He-Waw-He geschrieben wurde. Und warum antwortete G-tt: ‚Ich werde sein, der ich sein werde‘?“
Der Ruschiner beantwortete diese Fragen mit Hilfe von Zahlenwerten. Diese Methode wird oft angewandt, um Texte zu erklären. Er wies darauf hin, dass der Zahlenwert von Jud-He-Waw-He 26 sei und der Zahlenwert der Worte „Ich werde sein, der ich sein werde“ 441, was emet („Wahrheit“) bedeute. G-tt wollte also, dass Mosche den Juden die Wahrheit enthüllte.
„Das Wort emet“, fuhr der Ruschiner fort, „ist zudem ein Akronym für Torat Menachem Emet („die Torah von Menachem ist Wahrheit“). Als die zwei Chabad-Chassidim diese Worte vom heiligen Ruschiner hörten, verstanden sie alles: Sie sollten zurück nach Lubawitsch reisen, und der Zemach Zedek, dessen Name Menachem Mendel war, sollte ihr Rebbe werden.
Als sie zwei Wochen später in Lubawitsch ankamen, hatte der Zemach Zedek bereits zugestimmt. Die beiden Chassidim berichteten ihren Brüdern, was sie aus dem Munde des heiligen Ruschiners gehört hatten, und die versammelten Chassidim erinnerten sich voller Staunen daran, dass der Zemach Zedek an diesem Schawuot genau das Gleiche gesagt hatte – aber als er das Akronym emet mit seinem Namen in Verbindung hätte bringen sollen, hatte er gezögert und nur gelächelt. Jetzt verstanden alle sein Schmunzeln.
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