Früher war das Leben anders.

Vor dem 20. Jahrhundert bestand das „soziale Netzwerk“ darin, dass Leute uns besuchten oder dass wir sie besuchten. Damals reiste man zu Fuß oder im Wagen, manchmal tage- oder wochenlang. Eine „Nachricht“ zu überbringen bedeutete, irgendwohin zu reisen und einen handgeschriebenen Brief zu überbringen.

Das war vor dem Internet. Aber ein Netz wurde immer dafür verwendet, Lebewesen zu fangen, und hinter dem klebrigen Spinnenetz lauert ein gefräßiges Raubtier auf Beute.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich lehne die Technik nicht ab. Wie eine Milliarde Menschen auf diesem Planeten komme ich nicht mehr ohne sie aus. Es gibt übrigens immer mehr Menschen, die Angst davor haben, ohne Handy zu sein. Nach einer britischen Studie fürchten diese Leute, dass am Hochzeitstag oder vor einem Zahnarztbesuch der Akku leer wird oder kein Netz zur Verfügung steht. Wir sind mit dem „World Wide Web“ so stark verbunden, dass es fast krankhaft ist. Viele Psychiater glauben, dass Technik- und Internetsucht mit Kleptomanie und Spielsucht vergleichbar sind.

Internetsüchtige sind anfangs oft produktiver und freuen sich, wenn sie schneller und besser arbeiten können. Doch nach einiger Zeit werden sie abhängig und leiden an Angst und Beziehungsproblemen wie andere Süchtige. Ein Blog für Juristen weist Arbeitgeber darauf hin, dass sie schadenersatzpflichtig werden können, wenn ein Mitarbeiter durch seine Arbeit internetsüchtig wird. Sie raten, dem Personal keinen unbegrenzten Zugang zum Internet zu gewähren, und sie schlagen sogar vor, auf Handys Warnhinweise anzubringen wie auf Zigarettenpackungen.

Ich brachte das Thema beim Essen zur Sprache, um herauszufinden, ob meine Familie ebenfalls gefährdet ist. Als ich „Essen fertig!“ rief, erhielt ich folgende Antworten: „Ich komme gleich – muss nur noch eine E-Mail schreiben!“ – „Moment, ich chatte gerade mit einer Klassenkameradin!“ – „Sofort – aber erst muss ich noch etwas runterladen!“ – „Tut mir leid, Schatz – ich bin in einer Telefonkonferenz!“ – „Papa, mein Rechner spinnt – kannst du mir helfen?“ Als sie innerhalb der nächsten zwei Stunden eintrudelten, fragte ich sie nach ihrer Meinung. Die Antworten lauteten: „Unsinn! Ich doch nicht!“ oder „Lächerlich – ich habe meinen Computer im Griff, nicht umgekehrt. Ach, übrigens, bekomme ich einen neuen iPod?“

„He, Leute!“, rief ich. „Seht ihr nicht, was passiert? Wir verbringen so viel Zeit mit zeitsparenden Geräten, dass wir füreinander keine Zeit mehr haben! Wir müssen unser Leben vereinfachen.“

Die Wissenschaftlerin Patty Maes behauptet, eine Lösung gefunden zu haben. Sie und ihre Gruppe leben natürlicher - ohne Desktop, Laptop und Handys. Dennoch sind sie digital mit der Welt verbunden. Ihre Erfindung, der „Sechste Sinn“, verbindet Webcam, Smartphone und Projektor in einem einzigen Apparat, den man wie Schmuck um den Hals trägt. Die Welt wird zum Touchscreen. Man umrahmt eine Szenerie mit den Händen, und schon hat man ein Foto. Man dreht das Handgelenk, und sofort erscheint das Bild eines Ziffernblattes mit der korrekten Zeit. Man deutet auf eine Packung Müsli, und prompt erhält man eine Einschätzung des Gesundheitswertes. Haben Sie vergessen, wer der Mann vor Ihnen ist? Zeigen Sie einfach auf ihn, und eine Sekunde später werden sein Name und seine persönlichen Daten aus dem Internet beschafft und auf sein Hemd projiziert! Ist das nicht einfach? Warum „ins Internet gehen“, wenn das Internet mit uns geht – überallhin? Tragen Sie einfach das Net um den Hals, und Sie sind den ganzen Tag lang mit dem „World Wide Web“ und anderen Leuten verbunden.

Aber die Sache hat einen Haken: Wir werden noch abhängiger von der Technik und vom Internet und brauchen ihre Hilfe auf Schritt und Tritt. Und zum Schluss werden wir zu Sklaven. Wenn wir wirklich einfacher leben wollen, müssen wir lernen, den Stecker zu ziehen. Manche Firmen haben auf nachlassende Produktivität und erschöpfte Mitarbeiter reagiert und strenge Regeln für die Internet- und Handynutzung erlassen oder technikfreie Tage eingeführt. Das ist ein Fortschritt! Andererseits ... brauchen wir wirklich eine umfangreiche Studie eines hochbezahlten Unernehmensberaters, um solche Lösungen zu finden? Die Antwort liegt seit langer Zeit vor unseren jüdischen Nasen! Wir können doch einmal in der Woche das Haus putzen, elektronische Geräte abschalten, nicht arbeiten – und bei Kerzenlicht und Wein Spaß mit der Familie und mit Freunden haben, ein gutes Buch lesen oder anregende Gespräche führen. So laden wir unseren Akku auf, bevor wir erneut eine Woche lang Zeit mit „zeitsparenden“ Geräten vergeuden.

Denken Sie nach, wenn Sie am kommenden Schabbat „den Stecker ziehen“. Es gibt eine andere Sphäre des Bewusstseins außerhalb des Internets. Sie ist unendlich viel größer, schneller und weiser als das planetarische „Netz“, das unsere Milliarden Gehirne und Apparate geschaffen haben. Sie sind dank Ihrer Seele ständig mit dieser Sphäre verbunden, denn die Seele ist eine Art implantierter, g-ttlicher Chip, der von Natur aus perfekt auf den Körper abgestimmt ist.

Ihre Seele hat sogar ein Handbuch – die Tora – und eine lebenslange Garantie, und bei Problemen gibt es einen Kundenservice: die freundlichen Techniker im Chabad-Haus, die Ihnen gerne zeigen, wie Sie immer mit anderen verbunden bleiben. Am besten besorgen Sie sich gleich ein kostenloses Upgrade zu Einfachheit 3.0, die Plattform des neuen Jahrtausends, die bald erscheinen wird.