Ich habe Facebook-Freunde, darum bin ich. Nechemia Schusterman, 2008

Wenn ich ich bin, weil du du bist, weil ich ich bin, dann bin ich nicht ich und du bist nicht du. Aber wenn ich ich bin, weil ich ich bin, und wenn du du bist, weil du du bist, dann bin ich in der Tat ich, und du bist in der Tat du. Rabbi Menachem Mendel von Kozk.

Ich habe mein Bestes getan, um dem Facebook Existenz so lange wie möglich aus dem Weg zu gehen. Bis meine Frau eines Tages zu mir sagte, das sei doch ein brauchbares Werkzeug für die jüdische Öffentlichkeitsarbeit. Also gab ich nach. Ich loggte mich ein, eröffnete ein Konto, und siehe da – jetzt hatte ich eine Facebook-Identität.

Sofort klickte ich auf „Meine Freunde“, und schon informierte mich der Computer: „Sie haben keine Freunde.“ Ich war enttäuscht. Ich habe mein Leben lang hart gearbeitet, um Freundschaften und Beziehungen aufzubauen, auf andere zuzugehen und sie zu lieben. Und ich möchte ebenfalls geliebt werden. Doch leider habe ich keine Freunde! Das behauptet jedenfalls der Computer.

Sofort rief ich meinen Therapeuten an und vereinbarte einen Termin, um mit ihm über meine Wertlosigkeit und Nichtexistenz zu sprechen.

Ich klickte weiter herum, fand ein paar Leute, die ich kannte, und bat (bettelte) schüchtern darum, ihr Freund sein zu dürfen. Zum Glück nahmen einige meine Einladung an, und nun war ich nur noch halb wertlos, weil ich nun immerhin fünf Freunde hatte. Das war zwar keine große Leistung nach 32 Jahren auf der Erde, aber doch ein Anfang.

Aber das alles brachte mich zum Nachdenken über einen Ausspruch des Kozker Rebbe. Mit welchem Maßstab ermittle ich meinen Wert? Kommt es darauf an, ob andere mich, meine Existenz und meine Leistungen anerkennen? Bin ich etwas wert, weil ich viele Facebook-Freunde habe? Oder habe ich einen Wert, wenn ich mich einer höheren Macht unterwerfe und ihr gehorche, nämlich G-tt?

Ich sehe das so: Wenn ich nur ich bin, weil Sie mich anerkennen. dann bin ich in Wahrheit nichts, selbst wenn Sie mich akzeptieren. Aber wenn ich ich bin, weil ich mich bemühe, in meiner Umwelt etwas zu bewirken, dann bin ich wahrhaftig etwas wert, auch dann, wenn außer G-tt niemand davon weiß oder niemand mich anerkennt.

Ich glaube, diese Botschaft ist sehr wichtig. Plötzlich ist es nicht mehr entscheidend, wie viele Leute mir danken, wenn ich gute Arbeit leiste; wie viele an den Feiertagen in „meine“ Synagoge kommen oder wie viele meine Leistung anerkennen.

Ich bin wichtig, weil ich für G-tt wichtig bin. Vorläufig muss ich mich damit abfinden, dass ich ein „unbesungener Held“ bin. Und wenn ich auf meiner Facebook-Seite ein paar Freunde finde – nun, das ist vorläufig nur eine Dreingabe.

Viel Spaß bei Facebook.