Ita B’Midrasch Tehillim1

Im Midrasch T[eh]illim2, steht geschrieben:

Rabbi Elieser erklärte: »Israel sprach zum Heiligen, gepriesen sei Er: ›Herr der Welt, wir wollen uns mühen mit dem Studium der Tora bei Tag und bei Nacht, aber wir haben nicht die Möglichkeit.‹

Der Heilige, gepriesen sei Er, antwortete: ›Erfüllt die Mizwa von Tefillin, und Ich werde es betrachten, als hättet ihr euch mit dem Studium der Tora bei Tag und bei Nacht gemüht.‹«

[Die Feststellung unserer Weisen, dass das Tragen von Tefillin mangelndes Studium kompensieren kann, zeigt, dass eine Verbindung zwischen diesen beiden Mizwot besteht. Nun] müssen wir die [Natur dieser] Verbindung verstehen. Wie kann das Erfüllen der Mizwa von Tefillin vom Studium der Tora befreien? Wie sind diese Mizwot miteinander verbunden?

[Um dies zu verstehen, müssen wir zuerst ein anderes Konzept klären:] Es steht geschrieben:3 »Er kündet Seine Worte dem Ja’akov, und Seine Gesetze und Rechtsvorschriften Jisrael.« {Diesen Vers kommentiert der Midrasch4:}

Es gibt solche, die Anderen Gesetze zur Erfüllung erteilen, ohne sie aber selbst zu erfüllen. G-tt hingegen erfüllt selbst, was er anderen gebietet, wie der Vers sagt: »Er kündet Seine Worte dem Ja’akov, und Seine Gesetze und Rechtsvorschriften ...«

[Der Vers impliziert damit, dass die »Worte, Gesetze und Rechtsvorschriften«, die G tt Anderen gebietet, »Seine« sind, d.h. von G-tt selbst erfüllt werden.]

Dieser Midrasch kann folgendermaßen verstanden werden: Wer bringt G-tt dazu, die Mizwot zu erfüllen? Das jüdische Volk. Das Erfüllen der Mizwot durch das jüdische Volk bringt G-tt dazu, dieselben Mizwot zu erfüllen. Wenn also das jüdische Volk Tefillin legt, wird G-tt dazu gebracht, Tefillin zu legen.

[Wie ist die Aussage »G-tt legt Tefillin« zu verstehen? Er trägt doch gewiss nicht Tefillin – physische Objekte – wie wir.] Unsere Weisen erklären dazu5:

Was steht geschrieben in den Tefillin des Meisters des Universums? »Und wer ist wie Dein Volk, wie Jisrael, – ein Volk auf Erden?«6

Demgemäß hebt G-tt, wenn er Tefillin legt, das jüdische Volk empor.

Um dieses Konzept zu erklären,7 [wollen wir zunächst die tiefere Bedeutung verstehen von] dem Vers:8 »Blicke hernieder von Deiner heiligen Stätte, vom Himmel und segne Dein Volk, Jisrael.« Siehe es steht geschrieben:9 »Hoch über allen Völkern ist der Ewige.« [Auch hier ist die Absicht nicht,] dass Er hoch erhaben ist [im physischen Sinn, sondern dass Er auf einer spirituellen Ebene ist, die die unsere bei weitem übertrifft].

[Aus diesem Grund können unsere begrenzten menschlichen Taten keinen Bezug haben zu] Seiner Essenz, wie angedeutet wird im Vers:10 »Wenn du da sündigst, was tust du Ihm an? Wenn du gerecht bist, was gibst du Ihm und was erhält Er da aus deiner Hand?« [G ttes Essenz übersteigt nicht nur die Begriffe des Menschen vollkommen, sondern auch] all die höheren und niedrigeren Ebenen sind wie Nichts vor Ihm.

Dieses Konzept wird angedeutet im Vers:11 »Denn ragend ist allein Sein Name ...«, d.h. [Sein Name] ist über allem Sein. Nur »sein Ruhm«, d.h. die Ausstrahlung und Reflexion [Seines Namens leuchtet] »auf Erde und Himmel«. [Der Vers erwähnt nicht G-ttes Essenz. Doch sogar »Sein Name«, eine niedrigere Stufe, ist »ragend« und weit erhaben.] Nur »sein Ruhm«, eine bloße Ausstrahlung und Reflexion dieser niedrigeren Stufe, kann auf Erde und im Himmel offenbart werden.

[Demgemäß können wir ein Zitat aus dem Sohar bezüglich des Exils verstehen:]12 »Als der Heilige, gepriesen sei Er, emporstieg«, d.h. als die g-ttliche Lebenskraft von der [begrenzten] Ausstrahlung, die »über Erde und Himmel« scheint, Stufe um Stufe zu seiner Quelle [in G-ttes Essenz] aufwärtsstieg.

[Das Emporsteigen zu dieser Ebene führt zum Exil, denn] auf dieser Stufe haben die Welten keine Bedeutung. [Und deshalb ist G-ttes Herrschaft über sie und in ihnen nicht manifest. Allegorisch:] Er regiert die Welt gewissermaßen wie in einem Zustand des Schlafes.

[Wie ist diese Allegorie zu verstehen?] Wenn der Mensch schläft, verlässt der Geist sein Gefäß, den Körper, und steigt zu seiner Quelle empor. Was bleibt, ist die Kraft der Fantasie, eine bloße Spur der [ursprünglichen Geistes-] Kraft. [Ähnlich ist es in der Zeit des Exils, »wenn G tt emporsteigt«: Seine Präsenz ist nicht offenbart in der Welt, es ist eine bloße Spur Seiner Kraft wahrzunehmen.]

[Bezüglich der Erlösung dagegen] finden wir Ausdrücke wie »Da erwachte wie ein Schlafender der Herr«13 und »Wach auf, was schläfst Du, Herr.«14 Denn [wenn G-tt »erwacht«], wird es eine Offenbarung von Or Ejn Sof [G-ttes unendlichem Licht] in den Sefirot von Chochma [Weisheit] und Chessed [Güte] geben. [Durch diese Sefirot - Medien - wird das unendliche g-ttliche Licht in der Welt offenbart werden.] »Sein Antlitz wird aufleuchten«15, d.h. Er wird Seine Essenz und Seine Natur in ihrer Pracht offenbaren, durch den inneren Aspekt Seines Willens.

[Wie wird dieser g-ttliche Einfluss der Welt zugeführt werden?] Durch das Herabbringen der Tora und ihrer Mizwot.

In diesem Kontext können wir den Vers verstehen:16 »Blick her vom Himmel, schau« und den Vers:17 »Blick hernieder von Deiner heiligen Stätte, vom Himmel.« [Das hebräische Wort Schamajim – Himmel – ist eine Verbindung zweier Worte] scham und majim – was so viel heißt wie »Es gibt Wasser dort.«18

Dies ist eine Anspielung auf die Tora, die mit der Analogie des Wassers beschrieben wird. {[Wie im Vers]:19 »Auf, all ihr Durstenden, geht hin zum Wasser.« [in dem sich der Prophet Jesaja] auf die Tora bezieht.}20 Durch die Tora [wird uns das Versprechen des Verses zuteil werden] »segne Dein Volk Jisrael«.

[Warum bewirkt die Tora Segen?] Weil die Tora dazu führt, dass G-tt das jüdische Volk als bedeutende Einheit sieht. Denn all die essentielle Wertschätzung und Offenbarung [von G-ttlichkeit] entsteht durch das Medium der Tora, und uns wird die Tora offenbart. [Zuvor wurde erklärt, dass all den Welten selbst keine Bedeutung zukommt. Doch wenn Juden und Jüdinnen die Tora studieren und beachten, werden sie bedeutende Einheiten. Deshalb wird ihnen Segen zuteil.]

Dieses Konzept wird angedeutet im Vers:21 »Da taten sich die Himmel auf und ich sah g-ttliche Visionen.« Die Himmel [d.h. die Tora] werden mit leuchtendem Glas verglichen, durch das wir gewissermaßen von G-tt gesehen werden. Feines, leuchtendes Glas verbessert das Erscheinungsbild eines Objektes, das gesehen wird und lässt es größer und schöner erscheinen. Auf diese Art macht die Tora das jüdische Volk, das sie erfüllt, stattlicher und schöner.

Und das ist die Bedeutung des Verses [in G-ttes Tefillin]: »Und wer ist wie Dein Volk, Israel, ein Volk auf Erden«. Dies kann in dem Sinn verstanden werden, dass das jüdische Volk Einheit auf die Welt herabbringt. Es offenbart den Aspekt »G-tt ist einzig-einer« auf dieser niederen Erde.